Blick ins Innere: Der Mars ist tatsächlich seismisch aktiv. Dies bestätigt nun die erste umfassende Auswertung von Daten, die die NASA-Marssonde InSight geliefert hat. Demnach kommt es auf dem Roten Planeten im Schnitt täglich zu einem Beben. Diese Erschütterungen lassen erste Rückschlüsse auf den inneren Aufbau des Mars zu. Auch über die Magnetfelder und das Wetter auf dem Planeten gibt es neue Erkenntnisse.
Die NASA-Raumsonde Mars InSight ist schon die achte Landesonde, die auf dem Roten Planeten aufgesetzt hat. Trotzdem startete mit ihrer Ankunft am 26. November 2018 eine ganz besondere Mission: Als erstes menschengemachtes Instrument soll Mars InSight tief in die Kruste eines fremden Planeten bohren und das Innenleben des Mars erforschen. Astronomen erhoffen sich von diesen Daten Antworten auf spannende Fragen. Woraus besteht der Kern des Roten Planeten? Welche Prozesse haben ihn geformt? Und kommt es auf dem Mars zu Erdbeben?
Nun gibt es erste umfassende Erkenntnisse: In gleich mehreren Fachartikeln präsentieren Forscher Beobachtungen aus den ersten zehn Monaten der Landesonde auf dem Mars. Unter anderem liefern sie den endgültigen Beweis dafür, dass der Rote Planet bebt. Zwar hatte das Seismometer der NASA-Marssonde bereits im April 2019 das Signal einer schwachen Erschütterung aufgezeichnet und damit ein Indiz für seismische Aktivität. Doch erst die Auswertung weiterer Daten räumt nun auch die letzten Zweifel aus: Der Mars ist tatsächlich seismisch aktiv.
Seismisch aktiver als der Mond
Wie Domenico Giardini von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und seine Kollegen berichten, hat Mars InSight allein von Februar bis September 2019 174 Marsbeben registriert – im Mittel etwas mehr als ein Beben alle zwei Tage. Die seitdem fortgesetzten Messungen deuten inzwischen sogar auf durchschnittlich ein seismisches Ereignis pro Tag hin.
Nach dem Mond ist der Mars damit erst der zweite Himmelskörper neben der Erde, auf dem natürliche Beben festgestellt wurden. Dabei scheint der Rote Planet insgesamt deutlich aktiver zu sein als der Erdmond. An die dynamische Erde kommt seine seismische Aktivität hingegen nicht heran.
Magnituden zwischen drei und vier
Die bislang ausgewerteten Marsbeben lassen sich den Wissenschaftlern zufolge zwei unterschiedlichen Kategorien zuordnen: Bei 150 von ihnen handelt es sich um Ereignisse von vergleichsweise geringer Magnitude, deren Wellen sich innerhalb der Kruste des Roten Planeten ausbreiten und förmlich in ihr gefangen bleiben.
Die 24 anderen Beben sind mit Magnituden zwischen drei und vier dagegen stärker und breiten sich bis in unterschiedliche Tiefen des Planetenmantels aus. Diese Marsbeben entsprechen schwachen Beben, wie sie auf der Erde immer wieder inmitten von Kontinentalplatten auftreten – in Deutschland etwa am Südrand der Schwäbischen Alb. Auch Beben solcher Stärke sind ohne Messinstrumente jedoch höchstens leicht spürbar.
Zerklüftete Kruste
Die Beben liefern den Astronomen Hinweise auf den inneren Aufbau des Mars: „Auf Basis der Wellenbewegungen können wir Rückschlüsse auf die geologischen Schichten innerhalb des Planeten ziehen“, erklärt Mitautor Vedran Lekic von der University of Maryland in College Park.
Konkret legen die Daten des Seismogramms nahe: Ähnlich wie beim Mond scheint die Kruste des Roten Planeten bis in eine Tiefe von einigen Kilometern sehr stark zerklüftet zu sein. „Dennoch ähneln die seismischen Signale mehr denen, die wir auf der Erde registrieren als denen, die wir vom Mond kennen“, kommentiert Martin Knapmeyer vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin.
Hoffen auf ein stärkeres Beben
Zudem könnten sich den Ergebnissen zufolge in der Marskruste kleinere Mengen von Fluiden finden – möglicherweise salzige Lösungen. Darüber hinaus legt die Ausbreitung der Wellen nahe, dass der obere Mantel diese im Vergleich zu den unteren Mantelschichten stärker dämpft.
Damit auch Aussagen über das tieferliegende Innere des Roten Planeten möglich werden, hoffen die Forscher auf ein stärkeres Marsbeben. Denn von heftigen Erschütterungen ausgelöste Wellen dringen mit etwas Glück sogar bis zum Kern des Planeten vor und könnten dann Hinweise auf dessen Zusammensetzung liefern.
Epizentrum bei Cerberus Fossae
Bei zwei ausgewerteten Beben waren die Signale so aussagekräftig, dass die Wissenschaftler sogar ihren lokalen Ursprung identifizieren konnten. Dieser lag demnach in der Nähe der rund 1.600 Kilometer von der Insight-Landestelle entfernten Region Cerberus Fossae – auffälliger, fast paralleler Brüche in der Marsoberfläche, die wahrscheinlich durch vulkanischen Einfluss in der jüngeren Vergangenheit entstanden sind.
Aus diesem Grund gehen die Astronomen davon aus, dass die seismische Aktivität auf dem Mars zumindest zum Teil auch durch tektonische Spannungen verursacht wird. Bisher galten vor allem Abkühlungsprozesse als Auslöser: „Auf dem Mars dürfte unter anderem die Abkühlung des Planeten für Beben verantwortlich sein“, erklärt Ulrich Christensen vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. So wird der vormals glutheiße Gesteinsball immer kälter und zieht sich dabei zusammen.
Überraschend starkes Magnetfeld
Auch andere Erkenntnisse über den Roten Planeten überraschen: zum Beispiel die Beobachtung, dass das lokale Magnetfeld an der Landestelle in der Ebene Elysium Planitia zehnmal stärker ist als durch Beobachtungen aus dem Marsorbit vorhergesagt wurde. Demnach muss es in einem Umkreis von 150 Kilometern magnetisiertes Gestein tief in der Kruste des Planeten geben, wie die Forscher erklären. Bekannt war bereits, dass der Mars einst ein globales Magnetfeld wie die Erde besaß und dass als Relikte davon noch heute schwächere lokale Magnetfelder existieren.
Auch die Atmosphäre und das Wetter auf dem Roten Planten hat die Landesonde InSight in den vergangenen Monaten genau beobachtet: Sie registrierte unter anderem Druck- und Dichteschwankungen, Infraschallwellen und Strömungswirbel in der Atmosphäre – diese ist damit dynamischer als gedacht.
Wie ist das Wetter auf dem Mars?
Wie die Forscher herausfanden, kommt es an der Landestelle im Tagesverlauf zu starken Temperaturschwankungen. „Mittags erwärmt hier die hochstehende Sonne den feinen Sand an der Oberfläche auf Temperaturen die an den meisten Tagen über dem Gefrierpunkt liegen, während die dünne Luft 10 bis 20 Grad Celsius kälter bleibt. Nachts sinken die Temperaturen aber dann bis auf minus 90 Grad Celsius und tiefer“, berichtet Nils Müller vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
Tagsüber entwickelt sich in Folge der Temperaturzunahme ein ganz charakteristisches Wettermuster mit auffrischenden und nachmittags wieder nachlassenden Winden. Sogar kleine Windhosen – sogenannte Staubteufel – haben die Wissenschaftler am Boden registriert. „Das Faszinierend an diesen Daten ist, dass sie uns eine Vorstellung davon liefern, wie ein typischer Tag auf einem anderen Planeten aussieht“, konstatiert Lekic.
Erst der Anfang
In Zukunft sollen weitere Daten von Mars InSight dazu beitragen, den Roten Planten und seine Eigenschaften noch besser zu verstehen. „Diese Beobachtungen werden zu neuen Entdeckungen im Hinblick auf das Innere des Mars und seiner geologischen Entstehungsgeschichte führen“, schließen Forscher um Bruce Banerdt vom California Institute of Technology in Pasadena in einem Überblicksartikel im Fachmagazin „Nature Geoscience“.
Die Raumsonde wird den Mars noch mindestens ein Jahr lang beobachten. (Nature Geoscience, 2020; doi: 10.1038/s41561-020-0544-y und doi: 10.1038/s41561-020-0539-8)
Quelle: Nature Press/ University of Maryland/ Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt/ Max-Planck-Gesellschaft/ ETH Zürich