Keine Atmosphäre, aber eine Wolke: Der Mond ist von einem Schleier aus winzigen Staubteilchen umgeben, wie Daten der NASA-Mondsonde LADEE enthüllen. Im Gegensatz zu ähnlichen Wolken um die Eismonde des Jupiter und Saturn ist die Staubhülle des Erdtrabanten jedoch schief und einseitig dichter. Sie erhält ihren Nachschub wahrscheinlich vor allem aus Einschlägen von Kometenstaub auf der Mondoberfläche, wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Schon die Astronauten der Mondmissionen Apollo 15 und 17 bemerkten ein seltsames Phänomen: Manchmal schien der Horizont des Mondes bei Sonnenaufgang hell zu leuchten, als streue ein zarter Wolkenschleier das Licht. Doch als man nach der Ursache für dieses „Horizont-Leuchten“ suchte, fand man zunächst nichts. Hinzu kommt, dass man Staubwolken zwar von Eismonden her kannte, bei Monden mit einer Regolith-Oberfläche wie dem Erdmond hielt man sie aber für unwahrscheinlich – der Staub würde hier eher an der Oberfläche bleiben, dachte man.
Schief und hauchzart
Jetzt – mehr als 40 Jahre später, belehrt uns der Lunar Atmosphere and Dust Environment Explorer (LADEE) der NASA eines Besseren. Die Mondsonde kreiste ab Herbst 2013 um den Erdtrabanten und zeichnete mit einem speziellen Instrument auf, wie viel Staub im Umfeld des Mondes kreist und wie häufig der Erdtrabant von Staubeinschlägen getroffen wird.
Dabei entdeckte die Sonde, dass der Mond tatsächlich von einer feinen Staubwolke umgeben ist. Sie bildet allerdings keine gleichmäßige Hülle wie bei den Eismonden, sondern ist asymmetrisch: „Die Dichte der Wolke ist nahe der morgendlichen Nacht-Tag-Grenze besonders hoch“, berichten Mihaly Horanyi von der University of Colorado in Boulder und seine Kollegen. „Ihr Zentrum ist der Sonnenseite leicht zugewandt.“
Zu dünn fürs Horizont-Leuchten?
Die Staubteilchen in der Wolke sind winzig, die meisten messen gerade einmal 0,1 Mikrometer im Durchmesser. Die Dichte der Wolke liegt bei nur rund 100 Partikeln pro Kubikmeter, die gesamte Wolke enthält daher wahrscheinlich nicht mehr als 120 Kilogramm Staub, wie die Forscher berichten. Das allerdings passt nicht zu dem „Horizont-Leuchten“, das die Apollo-Astronauten beschrieben. Denn dafür müsste die Wolke in rund zehn Kilometern Höhe mindestens hundertmal dichter sein.
Nach Ansicht von Horanyi könnte die lunare Staubwolke während der Apollo-Missionen aber dichter gewesen sein als heute. Denn auch die Mondsonde LADEE beobachtete, dass die Dichte der Staubwolke durchaus schwankte: Immer dann, wenn Erde und Mond durch die interplanetaren Reste eines Kometenschweifs flogen, mehrten sich auch die Staubteilchen in der Mondwolke. „Wenn diese Meteore den Mond zur richtigen Zeit und am richtigen Ort treffen, dann sehen wir, wie die Dichte der Wolke über dem Mond ein paar Tage lang in die Höhe schnellt“, so Horanyi.
Fragmente von Kometenstaub
Diese Beobachtung und weitere LADEE-Daten verrieten auch, wie und woher die Wolke ihren Nachschub erhält: Die Sonde beobachtete allein in den 80 Tagen ihrer Messungen mehr als 140.000 Einschläge von Staubkörnchen auf der Oberfläche des Mondes. Im Blickfeld ihrer Instrumente traf im Durchschnitt ein Partikel pro Minute auf, manchmal gab es aber auch Schübe von bis zu 50 Einschlägen pro Minute, so Horanyi und seine Kollegen.
Wenn dieser Kometenstaub auf dem Mond auftrifft, schleudert er noch feinere Staubteilchen aus dem Regolith in die Höhe. Ein einziger Treffer kann dabei tausende kleinere Partikel aufwirbeln, wie die Forscher erklären. Eine weitere Quelle des Wolkenstaubs könnte der Sonnenwind sein: „Wenn luftlose Oberflächen der UV-Strahlung und dem Plasmastrom des Sonnenwinds ausgesetzt sind, kann die elektrostatische Aufladung dazu führen, dass Staubpartikel angehoben werden“, erklären Horanyi und seine Kollegen. Sie vermuten, dass entgegen bisherigen Annahmen vielleicht sogar alle planetaren Objekte ohne Atmosphäre solche Staubwolken besitzen. (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature14479)
(Nature/ University of Colorado, 18.06.2015 – NPO)