Überraschender Fund: Obwohl der Mond keine Atmosphäre und keinen Sauerstoff besitzt, gibt es auf seiner Oberfläche Rost in Form des Eisenoxids Hämatit, wie nun Daten der Mondsonde Chandrayaan-1 belegen. Doch wie dieses Oxidmineral trotz der stark reduzierenden Bedingungen im Mondregolith entstanden sein kann, ist unklar. Forscher vermuten jedoch, dass die Erde dabei eine entscheidende Rolle spielen könnte.
Lange galt der Mond als toter, kalter und sehr trockener Himmelskörper. Inzwischen jedoch ist klar, dass es auf dem Erdtrabanten sehr wohl Wasser gibt – als Wassereis in polaren Kratern und als gebundenes Hydroxyl im Gestein. Eines aber fehlt: Sauerstoff und damit das Gas, das Metalle oxidieren lässt. Zusätzlich macht der aus dem Sonnenwind stammende Wasserstoff den Regolith des Mondes stark reduzierend. Als Folge enthält Mondgestein im Gegensatz zur Erdkruste mehr elementares Eisen.
Das bedeutet auch: Anders als auf Erde und Mars dürfte es Rost in Form von Hämatit (Fe2O3) auf dem Mond eigentlich nicht geben. Denn dieses Mineral entsteht nur, wenn Eisen Kontakt mit Sauerstoff und Wasser hat.
Es gibt doch Hämatit auf dem Mond
Das Überraschende jedoch: Der Mond rostet trotzdem. Den Beleg dafür liefern Daten des Moon Mineralogy Mapper an Bord der indischen Mondsonde Chandrayaan-1. „Als ich Daten für lunaren Polargebiete auswertete, fand ich einige spektrale Signaturen, die sich von denen der niedrigeren Breiten und der Apollo-Gesteinsproben unterschieden“, berichtet Erstautor Shuai Li von der University of Hawaii in Manoa.
Eine nähere Analyse der Spektren enthüllte, dass diese reflektierte Strahlung von Hämatit stammen musste. „Zuerst konnte ich das gar nicht glauben. Denn unter den Bedingungen auf dem Mond dürfte es dieses Mineral dort nicht geben“, sagt Koautorin Abigail Fraeman vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA. Doch alle Überprüfungen bestätigten, dass es auf der Mondoberfläche Hämatit gibt. Dieses konzentriert sich in den höheren Breiten und ist auf der der Erde zugewandten Seite häufiger zu finden als auf der abgewandten.
Sauerstoff von der Erde
Doch woher kommt dieser lunare „Rost“? Einen ersten Hinweis lieferte die Verteilung des Hämatits. „Die Tatsache, dass es mehr Hämatit auf der uns zugewandten Seite gibt, deutet auf einen Zusammenhang mit der Erde hin“, sagt Li. Tatsächlich haben Messungen der japanischen Mondsonde Kaguya gezeigt, dass Plasma und Sauerstoff aus der oberen Erdatmosphäre bis zum Mond gelangen können.
Dieser Transfer geschieht vor allem bei Vollmond, wenn der Mond von der Sonne aus gesehen hinter der Erde steht. Dann taucht er in den lang ausgezogenen Magnetschweif der Erde ein und bekommt im Schnitt 26.000 Sauerstoffionen pro Quadratzentimeter und Sekunde, wie die Forscher ermittelten. „Das reicht aus, um rund fünf bis neun Gewichtsprozent an Hämatit zu bilden“, sagen Li und sein Team.
Magnetschweif und hohe Breiten schützen vorm Sonnenwind
Allerdings: Unter normalen Bedingungen würde dieses Hämatit vom Wasserstoff aus dem Sonnenwind direkt wieder reduziert. Doch hier kommen gleich zwei Schutzfaktoren ins Spiel. „Wenn der Mond im Magnetschweif der Erde ist, wird der Sonnenwind-Einstrom auf weniger als ein Prozent verringert“, erklären die Forscher.
Hinzu kommt, dass die hohen lunaren Breiten ohnehin nur neun bis 26 Prozent des am Äquator herrschenden Sonnenwinds erhalten. „Das spricht für eine weniger reduzierende Umgebung in den hohen lunaren Breiten“, so Li und seine Kollegen. Und genau dort findet sich den Messungen zufolge auch das meiste lunare Hämatit.
Wasser im Regolith fördert Oxidation
Und noch ein dritter Faktor spielt eine Rolle: das lunare Wasser. Die Forscher vermuten, dass das im Mond-Regolith gebundene Wasser mit den winzigen Eisenkörnchen zu Eisenhydroxidoxid (FeOOH) reagieren kann. Dieses wird dann durch die Sonneneinstrahlung und die Einschläge von Mikrometeoriten in Hämatit umgewandelt. Dieser Prozess könnte vor allem auf der erdabgewandten Seite des Mondes zum Tragen kommen.
„Denn interessanterweise gibt es auch dort Hämatit, wenn auch weniger“, sagt Li. „Die winzige Menge Wasser im lunaren Regolith könnte dort entscheidend an der Hämatitbildung beteiligt sein.“ Den Forschern zufolge beruht das Rosten des Mondes demnach auf einem komplexen Gleichgewicht aus der oxidierenden Wirkung des irdischen Sauerstoffs und lunaren Wassers und der reduzierenden Wirkung des Wasserstoffs im Sonnenwind.
Rückkehr zum Mond mit Spannung erwartet
„Diese Ergebnisse deuten daraufhin, dass in unserem Sonnensystem komplexere chemische Prozesse ablaufen, als wir bislang gedacht haben“, sagt Koautorin Vivian Sun vom JPL. Umso spannender sei es, in naher Zukunft Menschen zurück zum Mond zu schicken, die diese Erkenntnisse vor Ort überprüfen und näher untersuchen können. Mit der Mission Artemis planen die USA schon ab 2024 eine bemannte Mondlandung, die ESA hat ebenfalls Pläne für eine Mondstation. (Science Advances, 2020; doi: 10.1126/sciadv.aba1940)
Quelle: University of Hawaii at Manoa, NASA/ Jet Propulsion Laboratory