Stellarer Sonderling: Astronomen haben Masse, Orbit und Aussehen des Polarsterns erstmals genauer bestimmt – und Überraschendes entdeckt. Demnach ist der Nordstern heller als er ob seiner Masse eigentlich sein dürfte. Die Oberfläche des Sterns ist zudem unerwartet stark gefleckt. Das ist für einen veränderlichen Stern wie Polaris ungewöhnlich. Es könnte aber einige Ungereimtheiten in bisherigen Beobachtungen erklären, wie das Team im „Astrophysical Journal“ berichtet.
Der Nordstern Polaris ist einer der hellsten und am besten erkennbaren Sterne am Nachthimmel. Er bildet die Schwanzspitze des Sternbilds Kleiner Bär, bei uns Kleiner Wagen, und dient schon seit Jahrhunderten als Marker für die Nordrichtung. Doch Polaris A hat noch eine Besonderheit: Er ist ein Cepheide, ein Stern, dessen Helligkeit regelmäßig schwankt. Radius und Leuchtkraft des Nordsterns pulsieren in einem Zyklus von rund vier Tagen.
Bei solchen veränderlichen Sternen ist der Takt des Pulsierens direkt mit ihrer Masse und Leuchtkraft verknüpft. Dadurch lässt sich die Entfernung eines Cepheiden sehr genau bestimmen – sie dienen als wichtige Entfernungsmarker im All. Mit ihrer Hilfe werden unter anderem die kosmische Expansion und Hubble-Konstante gemessen. Entsprechend wichtig ist es daher, die Masse und Leuchtkraft eines solchen veränderlichen Sterns möglichst genau zu bestimmen.
Ein System aus drei Sternen
Doch ausgerechnet für den Polarstern, den uns nächstgelegenen Cepheiden, gelang dies bisher nur bedingt. Das Problem: Am besten lässt sich die Masse eines solchen Sterns bestimmen, wenn er einen nahen Begleiter hat. Dann verrät das subtile Taumeln beider Sterne, wie stark ihre Schwerkraftwirkung aufeinander ist und damit auch ihre Masse. Bei Polaris A ist das Ganze aber kompliziert, denn er ist Teil eines Dreifachsystems. Der größere, gut sichtbare Partnerstern Polaris B kreist zu weit entfernt, um genauere Messungen der Radialgeschwindigkeit durchzuführen.
Der zweite Partner des Nordsterns wurde erst 2006 entdeckt. Polaris Ab ist sehr viel dunkler und kleiner und umkreist den Polarstern relativ nah. „Der geringe Abstand und der große Helligkeitskontrast der beiden Sterne macht es sehr schwer, dieses Doppelsystem aufzulösen“, erklärt Erstautorin Nancy Remage Evans vom Smithsonian Astrophysical Observatory in Massachusetts.
Polaris ist heller als er sein dürfte
Genau dies ist Evans und ihrem Team nun jedoch in bisher unerreichter Präzision gelungen. Für ihre Beobachtung nutzten die Astronomen die sechs gekoppelten Teleskope des CHARA-Arrays (Center for High Angular Resolution Astronomy) in Kalifornien. Zusammen entsprechen sie einem 330 Meter großen Teleskop. Diese hohe Auflösung ermöglichte es den Astronomen, Polaris Aa von seinem kleineren Partner zu trennen und seine Masse genauer zu bestimmen.
Das Ergebnis: Der Nordstern Polaris Aa hat eine Masse von 5,13 Sonnenmassen – und ist heller als er bei dieser Masse eigentlich sein dürfte. „Seine Leuchtkraft ist mindestens 0,4 Magnituden höher als anhand seines evolutionären Zustands vorhergesagt“, konstatieren die Astronomen. Damit ist der Polarstern schon der zweite Cepheide, bei dem Masse und Leuchtkraft nicht genau dem Schema dieser veränderlichen Sterne entsprechen.
Für Cepheiden ungewöhnliche Sternenflecken
Eine weitere Überraschung: Die hochaufgelösten Aufnahmen des CHARA-Array lieferten einen ersten Blick auf die Sternenoberfläche des Nordsterns. Diese entpuppte sich als weniger homogen als erwartet. „Unsere Aufnahmen enthüllten große helle und dunkle Flecken auf seiner Oberfläche, die sich mit der Zeit verändern“, berichtet Koautorin Gail Schaefer, Leiterin des CHARA-Arrays. Für einen Cepheiden sei dies sehr ungewöhnlich.
„Die Gashülle von Polaris Aa ähnelt darin eher der eines nichtveränderlichen Überriesen, bei denen es oft diese Indikatoren für stellare Aktivität gibt“, schreiben die Astronomen. Dies sei eine mögliche Erklärung für mehrere Eigenheiten des Polarsterns. So könnten die Sternenflecken und die damit verbundene magnetische Aktivität des Polarsterns erklären, warum das Licht des Nordsterns polarisierter ist als bei den meisten anderen Cepheiden. Auch die Sichtbarkeit des Polarsterns im Röntgenlicht könnte darauf zurückgehen.
Warum der Nordstern die Sterneflecken und anderen Besonderheiten zeigt, ist noch nicht geklärt. „Wir planen, Polaris in Zukunft weiter zu beobachten“, sagt Koautor John Monnier von der University of Michigan. „Wir hoffen, so besser zu verstehen, welcher Mechanismus die Flecken auf der Oberfläche von Polaris verursacht.“ (The Astrophysical Journal, 2024; doi: 10.3847/1538-4357/ad5e7a)
Quelle: Georgia State University