Die Dunkle Energie bleibt weiter rätselhaft. Denn ein Experiment hat nun einige Theorien zur Natur dieses Gegenspielers der Gravitation widerlegt. Diese gehen von einem exotischen „Chamäleonfeld“ aus, dessen Reichweite sich je nach Materiedichte verändert. Doch der Bereich, in dem sich dieses Feld verstecken könnte, ist durch die aktuellen Messungen um das Tausendfache geschrumpft, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Die Dunkle Energie macht gut zwei Drittel unseres Universums aus und ist die Triebkraft für die kosmische Expansion. Doch dieser Gegenspieler der Gravitation gibt Rätsel auf. Denn sie passt zu keinem bekannten Baustein in unserem Standardmodell der Physik. Welche Natur die Dunkle Energie hat, dazu gibt es verschiedenen Theorien. Eine sieht in ihr eine im Vakuum des Weltalls verborgene Energieform und somit eine intrinsische Eigenschaft des Raums selbst.
Ein wandelbares, exotisches Feld?
Eine andere Theorie geht von der Existenz eines exotischen 1Wuintessenz“-Felds aus – einem das ganze Universum durchziehenden Feld ähnlich dem Higgs-Feld. „Dieses Chamäleon-Feld ist im leeren Weltraum sehr leicht, wirkt aber über große Entfernungen hinweg“, erklären Paul Hamilton von der University of California und seine Kollegen. „In Umgebungen hoher Materiedichte jedoch, wie dem Sonnensystem oder einem Labor, wird es sehr massereich und hat nur noch eine minimale Reichweite.“ Als Folge wird das Feld als solches nicht messbar.
Doch es gibt einen Weg, wie sich das „Chamäleon“ überlisten lässt: im Mikrokosmos. Denn die Dunkle Energie wirkt der Gravitation entgegen und selbst bei minimaler Reichweite müsste sich dieser Effekt an Teilchen messen lassen. Tatsächlich haben Physiker bereits 2014 entsprechende Versuche mit Neutronen durchgeführt und dabei keine Indizien für einen Feldeffekt gefunden – zumindest innerhalb der Auflösungsgrenzen ihrer Methode. Der Raum für das „Chamäleon“ wurde dadurch bereits enger.
Falltest im Atommaßstab
Jetzt haben Hamilton und seine Kollegen mit ihrem sogenannten Lichtpuls-Atom-Interferometer den Bereich noch weiter eingeengt, in dem sich ein exotisches Feld der Dunklen Energie verstecken könnte. In ihrem Experiment nutzten sie Cäsium-133-Atome, die sie in einer Vakuumkammer über oder neben einer knapp zehn Zentimeter großen Aluminiumkugel fallen ließen.
Über Laserstrahlen ermittelten die Forscher die Fallgeschwindigkeit der Atome während ihrer nur zehn bis 210 Millisekunden dauernden Flugphase. „Wir nutzten eine Lichtwelle als Lineal, um die Beschleunigung zu messen“, erklärt Hamilton. Würde das Chamäleonfeld wirken und die Gravitation in diesem mikroskopischen Bereich beeinflussen, müsste sich dies durch Abweichungen zwischen beiden Varianten bemerkbar machen, wie die Forscher erklären.
Kein Anzeichen für ein „Chamäleon“
Doch das war nicht der Fall. Beide Atomgruppen fielen bis auf ein Millionstel genau gleich schnell. Gäbe es ein Chamäleonfeld, müsste es daher mehr als eine Million Mal schwächer wirken als die Gravitation. „Das Ergebnis schließt Chamäleons aus, die die beobachtete beschleunigte Ausdehnung des Kosmos reproduzieren können“, konstatieren die Forscher. „Damit limitieren wir eine große Klasse von Theorien zur Dunklen Energie, darunter auch von Chamäleonfeldern.“
Noch ist damit zwar die Theorie eines Quintessenz-Felds nicht widerlegt, das Experiment engt aber den Bereich, in dem man nach ihm suchen könnte, noch weiter ein. Die Studie verrät damit zumindest schon mal, was und wo die Dunkle nicht steckt. Was sie allerdings stattdessen ist, bleibt weiter rätselhaft. (Science, 2015, doi: 10.1126/science.aaa8883)
(American Association for the Advancement of Science/ Univesity of California, Los Angeles, 21.08.2015 – NPO)