Astronomie

Dunkle-Materie-Spitzen am Schwarzen Loch

Astronomen belegen erstmals Verdichtung Dunkler Materie an stellaren Schwarzen Löchern

Schwarzes Loch
Rund um ein Schwarzes Loch sammelt sich der Theorie nach Dunkle Materie an. Einen ersten Beleg dafür könnten Astronomen nun entdeckt haben. © The Education University of Hong Kong

Dunkle Aura: Astronomen haben erstmals Belege für ein lange vorhergesagtes Phänomen entdeckt – die Verdichtung von Dunkler Materie im Umfeld Schwarzer Löcher. Indizien für solche dunklen Dichtespitzen lieferten Sterne um zwei nahe stellare Schwarzer Löcher: Weil sie von der verdichteten Dunklen Materie abgebremst werden, nehmen ihre Umlaufzeiten stärker ab, als sie es den sichtbaren Bedingungen zufolge dürften. Diese Entdeckung eröffnet nun neue Chancen, Wesen und Verhalten der Dunklen Materie zu erforschen, so das Team.

Ob zwischen Galaxien, in unserer Milchstraße oder sogar im Sonnensystem: Dunkle Materie ist im Kosmos allgegenwärtig, aber unsichtbar und schwer nachzuweisen. Sie verrät sich nur durch ihre Schwerkraftwirkung und vielleicht durch Gammastrahlung, die bei der gegenseitigen Auslöschung ihrer noch unidentifizierten Teilchen entsteht. Gleichzeitig reagiert die Dunkle Materie aber auch selbst auf Gravitation – und müsste daher von der enormen Schwerkraft Schwarzer Löcher angezogen werden.

Röntgendoppelstern
Die Dunkle Materie um ein stellares Schwarzes Loch müsste einen Begleitstern abbremsen, beispielsweise in einem Doppelsternsystem. © ESA/NASA, Hubble und Felix Mirabel

Theorie prognostiziert Dunkle-Materie-Ansammlung

Das bedeutet: Im nahen Umfeld Schwarzer Löcher müsste es besonders viel Dunkle Materie geben – quasi eine „dunkle Aura“. „Bisher wurden aber keine Beobachtungen gemacht, die diese theoretische Annahme bestätigen könnten“, erklären Man Ho Chan und Chak Man Lee von der Education University in Hongkong. Unter anderem konnten Astronomen bisher keine verräterischen Überschüsse von Gammastrahlung um supermassereicher Schwarzer Löcher in Galaxienzentren nachweisen.

Doch es gibt noch ein anderes Indiz: Schon 1943 postulierte der Astrophysiker und spätere Nobelpreisträger Subrahmanyan Chandrasekhar, dass sich die Verdichtung Dunkler Materie auch auf Himmelskörper auswirken müsste, die um die Schwarzen Löcher kreisen – beispielsweise bei Doppelsternsystemen aus einem stellaren Schwarzen Loch und einem Stern. Der Stern müsste durch den Widerstand der verdichteten Dunklen Materie Energie verlieren. Das wiederum müsste seinen Orbit verkürzen.

Unerklärlich schnelle Abnahme der Umlaufzeiten

An diesem Punkt setzt die Studie von Chan und Lee an: Sie haben das Verhalten der beiden nahen Röntgen-Doppelsysteme A0620-00 und XTE J1118+480 analysiert, die jeweils aus einem stellaren Schwarzen Loch und einem Begleitstern bestehen. „Beobachtungen dieser Systeme haben sehr präzise Messungen für viele wichtige physikalische Parameter geliefert, darunter auch ihre Orbitalperiode“, so die Astronomen.

Dabei fiel Ungewöhnliches auf: Beide Begleitsterne zeigen eine überraschend starke Abnahme ihrer Umlaufzeit. Der eine Stern verkürzt seine Orbitalperiode um 0,6 Millisekunden pro Jahr, der zweite sogar um 1,9 Millisekunden. Diese Werte liegen weit höher als man es durch gängige physikalische Interaktionen erwarten würde – üblich wäre eine Rate von 0,02 Millisekunden pro Jahr. Doch was steckt dahinter? Bisherige Hypothesen haben versucht, dies durch ein besonders starkes Magnetfeld des Sterns oder Gezeitenkräfte zu erklären. In beiden Fällen gelang dies aber nur bedingt, wie Chan und Lee erklären.

Dunkle Dichtespitzen als Ursache

Deshalb haben die Astronomen nun erstmals Chandrasekhars Theorie aufgegriffen und die Parameter der beiden Doppelsternsysteme im Hinblick auf die Dunkle-Materie-Verdichtung untersucht. „Es ist die erste Studie, die das Modell der dynamischen Reibung nutzt, um die Existenz von Dunkler Materie um ein Schwarzes Loch nachzuweisen“, erklärt Chan.

Mit Erfolg: Die Verkürzung der Umlaufzeiten bei beiden Sternen entspricht ziemlich genau dem, was man in Gegenwart von Dunkler Materie erwarten würde. Den Berechnungen nach müsste die Dunkle Materie um die Schwarzen Löcher dafür um den Indexwert von 1,7 bis 1,8 verdichtet sein – und dies entspricht ziemlich genau dem, was man bei Schwarzen Löchern dieser Masse annehmen würde. „Der Effekt der dynamischen Reibung durch die Dunkle-Materie-Ansammlung kann demnach gut erklären, warum die Orbits dieser beiden Doppelsternsysteme so schnell degradieren“, schreiben die Forscher.

Erst der Anfang

Nach Ansicht der beiden Astroomen liefert ihre Studie damit die ersten indirekten Belege dafür, dass es tatsächlich Dichtespitzen Dunkler Materie um stellare Schwarze Löcher gibt. „Weil zuvor keiner nach verdichteter Dunkler Materie um solche Schwarzen Löcher gesucht hat, ist auch der Effekt der dynamischen Reibung durch die Dunkle Materie nicht aufgefallen“, so Chan und Lee. Das Augenmerk habe zuvor immer auf den supermassereichen Schwarzen Löchern in Galaxienzentren gelegen oder bei miteinander kollidierenden Schwarzen Löchern.

Doch die nun untersuchten Röntgendoppelsterne aus Schwarzem Loch und Stern sind offenbar ein besserer Anzeiger für den lange vorhergesagten Effekt. Es könnte sich daher lohnen, auch weitere Systeme dieser Art genauer zu analysieren. Das könnte die Verdichtung der Dunklen Materie um Schwarze Löcher bestätigen und gleichzeitig mehr über die Dunkle Materie verraten: „Allein in der Milchstraße gibt es mindestens 18 weitere Doppelsysteme dieser Art“, sagt Chan. „Sie könnten daher wertvolle Informationen über die Natur der Dunklen Materie liefern.“ (The Astrophysical Journal Letters, 2023; doi: 10.3847/2041-8213/acaafa)

Quelle: The Education University of Hong Kong

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