Astronomie

Dunkle Materie: Gleichmäßiger verteilt als gedacht?

Kartierung steht im Widerspruch zu Messungen auf Basis der kosmischen Hintergrundstrahlung

Die Dunkle Materie ballt sich zwar in Gaalxien und Galaxinehaufen, im gesamtne Universum aber scheint sie relativ gleichmäßig verteilt. © NASA/CXC/M. Weiss

Rätselhafte Diskrepanzen: Die Dunkle Materie könnte im Universum gleichmäßiger und weniger dicht verteilt sein als bisher gedacht. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt der Kilo Degree Survey (KiDS), eine der bisher umfassendsten Kartierungen der Materieverteilung. Das Seltsame daran: Die neuen Daten widersprechen den Ergebnissen des Planck-Satelliten und stellen so möglicherweise kosmologische Modelle in Frage.

Dunkle Materie ist überall um uns im Weltraum zu finden: Sie verbirgt sich in unserer Milchstraße, steckt in „Dunklen“ Galaxien, bildet kosmische Filamente und vielleicht sogar unsichtbare Fäden rund um unseren Planeten.

Wie gleichmäßig und dicht ist die Dunkle Materie verteilt?

Dennoch wissen wir bisher nur wenig darüber, wie dicht und wie gleichmäßig diese exotische, unsichtbare Materieform im Universum verteilt ist. Um die Dichteverteilung der Dunklen Materie zu messen, nutzen Astronomen verschiedene Methoden. Eine ist die Analyse von Fluktuationen in der kosmischen Hintergrundstrahlung, beispielsweise durch den Planck-Satelliten.

Eine andere Methode ist die Messung der kosmischen Scherung – der Verzerrung des Lichts ferner Galaxien durch großräumige Strukturen des Alls. Die Schwerkraft dieser Strukturen übt einen Gravitationslinsen-Effekt auf das Licht aus. Das Ausmaß der Verzerrung erlaubt daher Rückschlüsse über die Materieverteilung in diesem Raumgebiet.

Das Survey Telescope der ESO hat die kosmische Scherung bei bisher 15 Millionen Galaxien gemessen. © ESO/ Y. Beletsky

Rätselhafte Diskrepanzen

Doch bisherige Dichtemessungen ergaben Diskrepanzen zwischen den Planck-Ergebnissen und den Kartierungen mit Hilfe der Scherung durch den Canada France Hawaii Telescope Lensing Survey (CFHTLenS) im Jahr 2012. Die Abweichungen lagen vor allem im sogenannten S8-Parameter. Er gibt an, wie stark die Dichte der Materie bei einer bestimmten Durchschnittsdichte schwankt. Nach gängiger Lehrmeinung kommen dabei größere Schwankungen bei niedrigerer Dichte vor und geringe Schwankungen bei höherer Materiedichte.

Die bisher präziseste Messung der kosmischen Scherung sollte diese Diskrepanzen nun klären. Der Kilo Degree Survey (KiDS) beruht auf Aufnahmen von rund 15 Millionen Galaxien in fünf Himmelsregionen, die vom des VLT Survey Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile gemacht wurden. Die Gesamtfläche der bisher ausgewerteten Aufnahmen entspricht dem 2200-Fachen der Größe des Vollmonds. Noch nie zuvor wurde eine so große Fläche des Himmels mit dieser Technik abgebildet.

Abweichungen bestätigt

Doch wie sich jetzt zeigt, weichen auch die Daten des Kilo Degree Survey von denen des Planck-Satelliten ab. Als Wert für den Parameter S8 ermittelten die KiDS-Astronomen 0,745 – und damit deutlich weniger als ihre Planck-Kollegen. Auch in anderen Parametern gab es Diskrepanzen. Gleichzeitig stimmen die Ergebnisse aber gut mit vorhergehenden Analysen der kosmischen Scherung überein, wie die Forscher betonen.

Verteilung der Dunklen Materie nach den Daten der KiDS-Durchmusterung in einem Ausschnitt des Beobachtungsfelds. © KiDS Collaboration/ H. Hildebrandt, B. Giblin/ESO

Was aber bedeutet dies für die Dunkle Materie? Stimmen die Werte, dann könnte diese exotische Materieform im Universum weniger dicht, aber dafür gleichmäßiger verteilt sein als angenommen. Ein solch offenkundiger Widerspruch zu den neuesten Planck-Ergebnissen bedeutet aber auch, dass Astronomen nun möglichweise ihr Verständnis von einigen grundlegenden Aspekten der Entwicklung des Universums neu überdenken müssen.

Antworten gesucht

Denn nach den gängigen kosmologischen Modellen müssten die kosmische Hintergrundstrahlung und der Gravitationslinsen-Effekt der Scherung ähnliche Ergebnisse liefern. Das aber scheint nicht der Fall zu sein. „Zu verstehen, warum diese Abweichungen auftreten, ist eine wichtige Herausforderung für die observationelle Kosmologie“, konstatieren Hendrik Hildebrandt vom Argelander-Institut für Astronomie in Bonn und seine Kollegen.

Noch ist der Kilo Degree Survey nicht abgeschlossen. Die Astronomen hoffen daher, bei weiteren Datenanalysen vielleicht eine Antwort zu finden. Eine weitere Chance bieten neue, leistungsfähigere Teleskope. „Zukünftige Missionen wie das Euclid-Weltraumteleskop und das Large Synoptic Survey Telescope werden es uns ermöglichen, diese Messungen zu wiederholen und besser zu verstehen, was das Universum uns wirklich sagen möchte“, sagt Konrad Kuijken von der Sternwarte Leiden, wissenschaftlicher Direktor der KiDS-Durchmusterung. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, in press)

(ESO, 08.12.2016 – NPO)

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