Dem Tode geweiht: Astronomen haben einen Exoplaneten identifiziert, der allmählich seinem Ende entgegengeht. Denn der heiße Gasriese Kepler-1638b umkreist seinen zum Unterriesen angeschwollenen Stern nicht nur extrem eng – seine Umlaufzeit wird auch jedes Jahr um 131 Millisekunden kürzer. Dieser Planet wird demnach durch die Gezeitenkräfte seines alternden Sterns abgebremst und auf einen spiralig enger werdenden Orbit gelenkt, bis der Stern ihn schließlich verschlingen wird.
Wenn Planeten ihren Stern sehr eng umkreisen, sind sie den normen Anziehungskräften ihres Sterns ausgesetzt. Im Extremfall führt dies dazu, dass der Stern seinem Trabanten Material absaugt. Gleichzeitig erzeugt die Gravitationswirkung des Sterns starke Gezeitenkräfte, die den Planeten abbremsen und dadurch seine Umlaufbahn allmählich immer weiter verkürzen. Der Planet gerät so auf einen spiraligen Todeskurs, der mit dem Sturz in den Stern endet.
Planeten um Unterriesen „leben“ gefährlich
Einen besonderen Fall dieser planetaren „Todesspirale“ haben nun Astronomen um Shreyas Vissapragada vom Harvard & Smithsonian Center for Astrophysics identifiziert. Denn es handelt sich um das erste Beispiel eines Exoplaneten, der von den Gezeitenkräften eines Unterriesen aus seiner Bahn gezogen wird. Alternde Sterne in diesem Stadium haben ihren Wasserstoffvorrat im Kern fast völlig aufgebraucht. Dadurch hat sich die Kernfusion in eine den Kern umgebende Schale verlagert. Als Folge dieses Schalenbrennens schwillt der Stern an und wird zu einem Unterriesen.
„Die Theorie besagt, dass solche Unterriesen besonders effektiv darin sind, den Orbits der sie umkreisenden Planeten Energie zu entziehen“, erklärt Vissapragada. Um dies zu überprüfen, haben er und sein Team einen prominenten Exoplaneten um einen solchen Unterriesen untersucht: Kepler-1638b. Dieser rund 5.000 Lichtjahre entfernte Gasriese war im Jahr 2009 der erste Exoplanet, den das Weltraumteleskop Kepler aufgespürt hatte. Seine Existenz wurde allerdings erst 2019 endgültig bestätigt.
Kepler-1638b im Visier
Bekannt war bereits, dass der jupitergroße Exoplanet Kepler-1638b seinen Stern sehr eng umkreist: Er benötigt nur 3,8 Tage für einen Umlauf und ist dabei nur 0,05 astronomische Einheiten vom Stern entfernt – das entspricht etwa einem Achtel des Abstands vom Merkur zur Sonne. Kepler-1638b ist damit einer von weniger als einem Dutzend bekannten Exoplaneten, die einen anschwellenden Unterriesen umkreisen. Schon vor einigen Jahren gab es erste Hinweise darauf, dass sich dies auf den Orbit von Kepler-1638b auswirkt.
Um dem nachzugehen, haben Vissapragada und seine Kollegen nun weitere Beobachtungsdaten dieses Exoplaneten gesammelt und ausgewertet. Zusätzlich zu den Transitdaten des Weltraumteleskops Kepler nutzten sie dafür Daten des Hale Telescope in Südkalifornien und des NASA-Weltraumteleskops TESS, das seit 2018 in Betrieb ist. Zusammen ermöglichten es diese Daten, die Orbitalperioden des Planeten über 13 Jahre hinweg zu messen und zu vergleichen.
131 Millisekunden weniger pro Jahr
Das Ergebnis: Die starken Gezeitenkräfte des anschwellenden Unterriesen wirken sich tatsächlich schon auf den Orbit seines Planeten aus. Denn die Umlaufzeiten von Kepler-1638b haben sich in den letzten 13 Jahren um im Schnitt 131 Millisekunden pro Jahr verkürzt, wie die Messungen belegen. Demnach wird dieser heiße Gasriese schon von der Gravitationswirkung seines Sterns abgebremst und befindet sich dadurch auf einer spiralig immer enger werdenden Bahn.
„Wir haben schon früher Exoplaneten beobachtet, die sich im Spiralkurs ihren Sternen annähern, aber noch nie zuvor haben wir dies bei einem Exoplaneten um einen alternden Stern am Ende seines Lebenszyklus nachgewiesen“, sagt Vissapragada. Das bestätige, dass solche Unterriesen durch die Veränderung ihrer inneren Struktur verstärkte Gezeitenkräfte auf nahe Planeten ausüben.
Heißer und heller als normal
Die Beobachtungen könnten auch eine weitere Eigenheit von Kepler-1638b erklären: Der heiße Gasriese ist heißer und heller als er eigentlich sein dürfte. Auch dafür könnten die starken Gezeitenkräfte seines alternden Muttersterns verantwortlich sein: Die an ihm zerrenden Kräfte dehnen und stauchen sein Inneres und heizen es dadurch zusätzlich auf – ähnlich wie die Gezeitenkräfte des Jupiter seinen Mond Io aufheizen und ihn zum vulkanisch aktivsten Himmelskörper im Sonnensystem machen.
„Jetzt, wo wir erstmals Belege für den spiraligen Orbit eines Planeten um einen weit entwickelten Stern haben, können wir mit seiner Hilfe unsere Modelle der Gezeitenphysik präzisieren“, sagt Vissapragada. „Das Kepler-1638-System kann uns so in den nächsten Jahren als himmlisches Laboratorium dienen.“ Die Astronomen planen zudem, den heißen Gasriesen und seinen Stern weiter im Auge zu behalten. (The Astrophysical Journal Letters, 2022; doi: 10.3847/2041-8213/aca47e)
Quelle: Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian