Autonome Segelgleiter könnten vielleicht bald die Landschaften des Mars erkunden. Das Konzept für solche unmotorisierten Drohnensegler haben nun US-Forscher vorgestellt. Die leichten, mit dreieinhalb Meter Flügelspannweite ausgestatteten Gleiter sollen demnach durch geschickte Nutzung statischer Aufwinde und dynamischer Flugmanöver lange in der dünne Marsluft bleiben können – ähnlich wie Albatrosse auf der Erde. Dank ausklappbarer Flügel könnten sie in einem CubeSat zum Mars transportiert werden oder mit anderen Sonden mitreisen.
Der Mars ist der bisher am besten erkundete Nachbarplanet der Erde. Mehrere Orbitersonden untersuchen Marsoberfläche und Atmosphäre aus großer Höhe, am Boden liefern Marsrover wie „Perseverance“ und „Curiosity“ sowie stationäre Landesonden Daten. Sogar ein erstes motorisiertes Fluggerät ist auf dem Mars aktiv. Der Mini-Hubschrauber „Ingenuity“ kann allerdings maximal zwölf Meter hoch aufsteigen und nur wenige Minuten am Stück in der Luft bleiben.
„Blinder Fleck“ der Marserkundung
Doch ein Bereich ist bisher kaum erforscht: die untere Atmosphäre des Roten Planeten. „Die ersten Kilometer über der Oberfläche bilden einen entscheidenden Teil der planetaren Grenzschicht“, erklärt Alexandre Kling vom Ames Research Center der NASA. „Hier wirbelt der Staub auf und wird verweht, hier vermischen sich Spurengase und die Landschaft moduliert die großräumigen Winde. Aber genau über diesen Bereich haben wir bisher kaum Daten.“ Es sei daher naheliegend, hierfür fliegende Messinstrumente einzusetzen.
Aber welche? Bei motorisierten Drohnen wie Ingenuity ist die Flugdauer durch ihren Antrieb und die dafür nötige Energie stark begrenzt. Ihre Batterie oder Tank darf nicht viel wiegen, weil das Fluggerät sonst in der dünnen Marsatmosphäre nicht abheben könnte. Eine Alternative wäre jedoch ein unmotorisierter Gleiter, der die Energie für seinen Flug direkt aus seiner Umgebung gewinnt – aus den Winden des Mars. „Die Natur liefert uns mit dem Albatross eine Inspirationsquelle dafür: Er kann tausende von Kilometern über den Ozean hinweggleiten, ohne einmal zu landen“, erklären die Forscher.
Segelgleiter statt Rotordrohne?
Ausgehend von diesem irdischen Vorbild haben Kling, Erstautor Adrien Bouskela von der University of Arizona und ihr Team das Konzept für einen autonomen Marsgleiter entwickelt. Dieser wiegt nur rund fünf Kilogramm und hat Umwelt- und Beschleunigungssensoren, ein automatisiertes Flugkontrollsystem sowie Kameras an Bord. Seine 3,30 Meter langen, leicht schräg nach hinten laufenden Flügel bestehen aus einem ultraleichten Material, das beim Transport zum Roten Planeten eingerollt oder eingefaltet werden kann.
Um zu seinem Einsatzort zu gelangen, könnte der Marsgleiter in einem CubeSat verpackt als sekundäre Nutzlast mit einer größeren Sonde mitfliegen. Zusammengefaltet wäre der Gleiter kaum größer als ein Telefonbuch, wie das Team erklärt. In der Marsatmosphäre wird er abgeworfen und entfaltet dann seine Flügel. „Mit einer solchen Plattform könnte man umherfliegen und die wirklich spannenden Orte besuchen“, sagt Kling. Denn für die gängigen Marsrover und Landesonden sind die riesigen Schluchten, tiefen Krater oder hochaufragenden Vulkane des Mars bisher unzugänglich.
Von marsianischen Aufwinden getragen
Doch könnte ein solcher Gleiter in der dünnen Gashülle des Mars überhaupt fliegen? „Die marsianische Atmosphäre ist 100-mal dünner als die irdische“, erklären Bouskela und seine Kollegen. „Trotz der geringeren Schwerkraft macht dies das Fliegen nicht leicht.“ Der Mars-Hubschrauber Ingenuity kann beispielsweise nur abheben, weil er zwei gegenläufige Rotoren besitzt, die noch dazu schneller drehen als bei irdischen Drohnen üblich.
Doch auch der Marsgleiter wäre flugtauglich, wie die Forscher ermittelt haben: „Mit dem von uns entwickelten Design hätte ein Segelflugzeug von fünf Kilogramm Gewicht auf dem Mars eine Sinkgeschwindigkeit von 6,3 Meter pro Sekunde“, berichten sie. „Das bedeutet, dass für ein statisches Gleiten Aufwinde in mindestens diesem Maß nötig wären.“ Ihrem Modell zufolge werden solche thermischen Aufwinde tagsüber an vielen Schluchten, Vulkanhängen oder Kraterrändern des Mars erreicht.
Dynamisches Gleiten auch ohne Aufwinde
Aber auch ohne thermische Aufwinde könnte der Marsgleiter in der Luft bleiben: „Wenn vertikale Luftströmungen fehlen, können Segelflugzeuge dynamische Gleitmanöver nutzen“, erklären Bouskela und sein Team. „Sie erfordern nur horizontale Winde, die je nach Höhe unterschiedlich schnell wehen.“ Dieser Gradient lässt sich ausnutzen, indem ein Gleiter von tieferen, langsameren Strömungen in die Höhe kurvt, sich dort von den schnelleren Höhenwinden anschieben lässt und wieder abtaucht.
„Unsere Berechnungen zeigen, dass die Energie des Marsgleiters am Ende jedes dieser Zyklen um sieben bis elf Prozent zunehmen würde“, so die Forscher. „In dieser Zeit hätte sich der Segler 2,2 bis 2,4 Kilometer vorwärtsbewegt.“ Messungen des Marsrovers „Perseverance“ im Jezero-Krater haben ergeben, dass es auf dem Mars vor allem nachts ausreichend starke Gradienten horizontaler Winde gibt, um ein solches dynamisches Gleiten zu ermöglichen.
Doch selbst, wenn sich die Marsgleiter nicht mehr in der Luft halten können, wären sie noch nützlich: „Wenn uns die Flugenergie ausgeht, unsere Trägheitssensoren ausfallen oder sonst etwas, können diese Gleiter noch immer Wissenschaft betreiben“, betont Bouskela. Denn nach ihrer Landung am Boden könnten die Gleiter als Wetterstationen dienen.
Nächster Schritt: Test in 15.000 Meter Höhe
Als nächsten Schritt plant das Forschungsteam noch in diesem Sommer Praxistests von Gleiter-Prototypen in der Erdatmosphäre. Auf 15.000 Meter Höhe ist die irdische Lufthülle ähnlich dünn wie die des Mars, so dass sich das Flugverhalten der Marsgleiter gut testen lässt. „Wir können die Erde als Labor nutzen, um das Fliegen auf dem Mars zu erforschen“, sagt Koautor Sergey Shkarayev von der University of Arizona.
Nach Ansicht der Wissenschaftler würde ein solcher Marsgleiter inklusive aller Begleitkosten nur rund 100 Millionen US-Dollar kosten und wäre damit günstig und vielversprechend genug, um das Konzept zumindest einmal auszuprobieren. Sie hoffen, dass ihr Marsgleiter schon bei einer der nächsten größeren Marsmissionen der NASA mitreisen kann. (Aerospace, 2022; doi: 10.3390/aerospace9060306)
Quelle: University of Arizona College of Engineering