Sonnensystem

Eisriesen: Rätsel des Inneren gelöst?

Nicht mischbare Schichten könnten vielpolige Magnetfelder von Uranus und Neptun erklären

Innenleben eines Eisplaneten
Wie ist das Innere der Eisriesen Uranus und Neptun aufgebaut? Bisher ist dies ungeklärt. © University of California – Berkeley/ Courtesy of Quanta magazine

Warum haben Uranus und Neptun ein so ungewöhnliches, vielpoliges Magnetfeld? Sind exotische Materialien in ihrem Inneren schuld? Oder ein Diamantregen? Eine neue Antwort lautet jetzt: weder – noch. Stattdessen könnten die beiden Eisriesen eine Abfolge nicht miteinander mischbarer Schichten ihrem Inneren verbergen, wie nun Planetenforscher berichten. Ein Teil dieser Schichten besteht aus Wassereis und Ammoniak, die anderen jedoch aus stickstoffhaltigen Kohlenwasserstoffen, die einen tieferreichenden Magnetdynamo verhindern.

Die beiden Eisriesen Uranus und Neptun sind ebenso exotisch wie unerforscht. Denn bis auf Voyager 2 ist noch keine Raumsonde näher an diese beiden Außenplaneten des Sonnensystems herangekommen – entsprechend spärlich sind die Daten. So können Planetenforscher bisher nur spekulieren, was sich unter der sturmdurchtosten Gashülle der beiden Eisriesen verbirgt. Ungeklärt ist auch, warum sich das Magnetfeld von Uranus und Neptun von dem anderer Planeten unterscheidet: Es hat keine zwei Pole, sondern mindestens vier.

Aber wie kommt dieses exotische Magnetfeld der Eisriesen zustande? Das typisch zweipolige Magnetfeld der Erde entsteht durch Konvektionsströmungen im flüssigen äußeren Erdkern – gemeinsam mit dem festen inneren Eisenkern wirken sie als Geodynamo. Ein solches Dipolfeld erfordert aber eine gewisse Mindestdicke der konvektiven Schicht. Diese scheint bei Uranus und Neptun demnach zu fehlen.

Superionisches Wasser? Diamantregen?

„Modelle zeigen, das ein nicht-zweipoliges Magnetfeld dann entstehen kann, wenn die auslösenden Strömungen auf eine dünne, relativ weit außen liegende Schichte begrenzt sind“, erklärt Burkhard Militzer von der University of California in Berkeley. Bekannt ist außerdem, dass das Innere der Eisriesen aus einem festen Kern und einer Mischung aus Wassereis, Ammoniak und Methan besteht. Diese Mischung ist potenziell leitfähig und eignet sich daher als konvektiver Magnetdynamo.

Unbekannt ist jedoch, wie die tieferen Schichten der Eisplaneten aussehen und was die Strömungen in diesen Tiefenzonen blockieren könnte. Einer Theorie zufolge nimmt Wasser dort einen exotischen superionischen Zustand ein. Bei diesem bilden die Sauerstoffatome der Wassermoleküle ein festes Gitter, in dem sich die Wasserstoff-Ionen frei umherbewegen. Eine zweite Theorie postuliert hingegen einen Diamantregen im Planeteninneren, der ungeordnete Strömungen verursacht.

Inneres von Uranus und Neptun
So könnten die inneren Schichten von Uranus und Neptun aussehen. Die unteren Kohlenwasserstoff-Schichten hemmen dabei eine tiefe Konvektion. © Burkhard Militzer/ UC Berkeley

Blockadeschicht in der Tiefe

Jetzt gibt es einen neuen, dritten Erklärungsansatz. Militzer hat dafür hochaufgelöste Computersimulationen genutzt, die das Verhalten von Methan, Wassereis und Ammoniak unter den Bedingungen des Uranus- und Neptun-Inneren nachbilden. Das Neue daran: Der Planetenforscher konnte dank eines lernfähigen Algorithmus erstmals die Vorgänge atomgenau simulieren.

Dabei zeigte sich Überraschendes: „Als ich mir das Modell anschaute, hatte sich das Wasser vom Kohlenstoff und Stickstoff getrennt“, berichtet Militzer. Dadurch bilden sich mehrere nicht miteinander mischbare Schichten. Oben liegt eine beim Uranus rund 8.000 Kilometer dicke, leitfähige, wasser- und ammoniakhaltige Schicht, die in Teilen flüssig oder zumindest zähflüssig sein könnte. In ihr finden konvektive Strömungen statt, die das mehrpolige Magnetfeld antreiben.

Darunter liegt eine ebenso dicke Zone aus stickstoffhaltigen Kohlenwasserstoffen. Deren Wasserstoffgehalt nimmt mit dem Druck und der Tiefe ab, so dass mehrere immer dichtere Schichten dieser Kohlenstoff-Stickstoff-Wasserstoff-Verbindungen aufeinanderfolgen. „Die Gradienten in Zusammensetzung und Dichte verhindern eine vertikale Strömung, so dass diese Schichten nicht nennenswert zum Magnetfeld beitragen können“, schreibt Militzer.

„Wie Öl und Wasser“

„Damit haben wir nun eine gute Theorie, warum Uranus und Neptun so exotische Magnetfelder besitzen – und warum diese sich von denen der Erde, des Jupiter oder Saturn unterscheiden“, sagt der Forscher. „Das Innere der Eisriesen ist wie Öl und Wasser. Diese Trennung in zwei nicht mischbare Schichten erklärt die Beobachtungen.“

Ob das Innere von Uranus und Neptun wirklich so aussieht wie in Militzers Modell, könnten Laborversuche unter Hochdruck klären helfen. Auch künftige Missionen zu den fernen Eisriesen könnten mehr Aufschluss liefern. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2403981121)

Quelle: University of California – Berkeley

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Innenleben eines Eisplaneten

Eisriesen: Rätsel des Inneren gelöst?

Das sind die aktuell gefährlichsten Viren und Bakterien

Was beim Hineindenken in unserem Gehirn passiert

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Ausflug ins äußere Sonnensystem - von Michael Moltenbrey

Im Fokus: Sonnensystem - Eine Reise durch unsere kosmische Heimat Von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Top-Clicks der Woche