Das große Nichts: Was passiert, wenn alle Sterne im Universum ausgebrannt sind? Einem neuen Szenario zufolge könnte die vom britischen Physiker Stephen Hawking entdeckte Hawking-Strahlung dabei eine entscheidende Rolle spielen. Denn sie wirkt nicht nur am Ereignishorizont Schwarzer Löcher, sondern auch in anderen Regionen mit starker Krümmung der Raumzeit. Im alternden Universum könnten dadurch alle noch verbliebenen massereichen Objekte durch diesen Effekt allmählich zerstrahlen – und der Kosmos endet mit einer großen Leere.
Unser Universum wird nicht unendlich lange bestehen – zumindest nicht in der Form, in der wir es kennen. Denn durch die fortschreitende Expansion kühlt der Kosmos ab und seine Materiedichte verringert sich. Irgendwann ist dann auch das Rohmaterial für neue Sterne aufgebraucht und das Weltall wird dunkel, kalt und leer. Nur noch Schwarze Löcher und ausgebrannte Sternenreste wie die „Schwarzen Zwerge“ bleiben übrig.
Doch was passiert dann? Das ist bisher strittig. Der Theorie des „Big Rip“ zufolge wird die fortschreitende Ausdehnung alle noch bestehenden Strukturen und Objekte in ihre Grundbausteine zerreißen. Die „Big Crunch“-Theorie postuliert dagegen einen Kollaps des Universums in einer Art umgekehrtem Urknall – mit der Option auf eine „Wiedergeburt“. Eine dritte Theorie schließlich geht vom Wärmetod unseres Universums aus, einem Zustand maximaler Entropie, in der das ganze All nur noch eine gleichmäßige, dünne Suppe von Elementarteilchen ist.
Virtuelle Teilchenpaare und die Hawking-Strahlung
Jetzt haben Physiker der Radboud Universität um Michael Wondrak einen Mechanismus entdeckt, der den Zerfall von kosmischen Objekten begünstigen und beschleunigen könnte. Ausgangspunkt dafür ist die Quantenfluktuation. Durch sie entstehen selbst im scheinbar leeren Vakuum des Alls ständig Paare von virtuellen Teilchen und ihren Antiteilchen, die sich aber sofort wieder gegenseitig auslöschen. Unter bestimmten Bedingungen kann diese Annihilation jedoch verhindert werden und die Paare werden real.
Ein Beispiel dafür ist die schon in den 1970er Jahren vom britischen Physiker Stephen Hawking postulierte Hawking-Strahlung an Schwarzen Löchern. Sie entsteht, wenn die virtuellen Teilchenpaare direkt am Ereignishorizont auftauchen und nur eines der beiden Teilchen ins Schwarze Loch gezogen wird. Dann entgeht das andere Teilchen der Auslöschung und wird real. Die übrigbleibenden Partner bilden eine Strahlung, durch die die lokale Raumzeit an Energie verliert und das Schwarze Loch immer kleiner wird – bis es irgendwann komplett verschwindet.
Hawking-Effekt auch ohne Ereignishorizont
An diesem Punkt setzen nun Wondrak und sein Team an. Denn sie haben entdeckt, dass das von Hawking postulierte „Zerstrahlen“ auch ohne Ereignishorizont stattfinden kann – und damit auch bei „normalen“ Himmelskörpern. Ihren Berechnungen zufolge passiert dies überall dort, wo die Gravitation groß genug ist, um auf kleinster Ebene extreme Gezeitenkräfte zu erzeugen. „Die virtuellen Teilchenpaare werden durch diese lokalen Gezeitenkräfte auseinandergerissen und dadurch real“, erklären die Physiker.
Dadurch entsteht an einem Schwarzen Loch nicht nur Hawking-Strahlung direkt am Ereignishorizont, sondern es gibt noch eine weitere Strahlungszone weiter außen. Ihre Lage hängt von der Masse M des Schwarzen Lochs und von der Gravitationskonstante G ab. „Die höchste Produktionsrate entkommender Teilchen findet sich bei rund 2,32 GM“, berichten die Physiker. Diese Zone liegt etwa auf halbem Wege zwischen dem Ereignishorizont und dem Lichtring der um das Schwarze Loch kreisenden Photonen.
Raumzeitkrümmung als trennender Faktor
„Unsere Studie zeigt, dass die Krümmung der Raumzeit auch abseits von Schwarzen Löchern eine große Rolle für die Bildung dieser Strahlung spielt“, sagt Wondraks Kollege Van Suijlekom. Denn überall dort, wo die Raumzeit stark gewölbt ist, können auf kleinstem Raum starke Gezeitenkräfte entstehen, die die virtuellen Teilchenpaare auseinanderreißen. Damit ist die Hawking-Strahlung möglicherweise nur der Spezialfall eines allgemeingültigeren Phänomens.
Denn wie die Physiker erklären, geht dieser neue Effekt auf die gleiche mathematisch-physikalische Basis zurück wie der sogenannte Schwinger-Effekt. Bei diesem – bisher ebenfalls nur theoretisch postulierten Effekt – reißt ein starkes elektromagnetisches Feld das virtuelle Teilchenpaar auseinander und verhindert die Auslöschung. Während dieser Schwinger-Effekt aber nur bei elektrisch geladenen virtuellen Teilchenpaaren und bei extremen elektrischen Feldstärken ab einer Trillion Volt pro Meter funktioniert, gilt dies für den von Wondrak und seinem Team postulierten Effekt nicht.
Die neue Art der „Strahlung aus dem Nichts“ entsteht auch aus nichtgeladenen virtuellen Teilchen und funktioniert auf Basis der Gravitation. „Dieser gravitationsbedingte Gezeiteneffekt wirkt auf alle Arten von Teilchen, inklusive Photonen“, so die Physiker.
Schnellerer Zerfall im alten Universum
Was aber bedeutet dies für das Ende unseres Universums? „Wenn sich dieser Effekt bestätigt, dann würde dies bedeuten, dass auch Materieansammlungen ohne einen globalen Ereignishorizont diese Strahlung erzeugen und schließlich zerfallen“, erklären die Physiker. Massereiche Sternenreste und andere Objekte könnten sich dann im gealterten Universum schneller auflösen als bisher angenommen. „Letztlich würde alles im Universum zerfallen“, sagt Koautor Heino Falcke von der Radboud Universität.
„Dies verändert nicht nur unser Verständnis der Hawking-Strahlung, sondern auch unsere Sicht des Universums und seiner Zukunft“, so der Forscher. (Physical Review Letters, 2023; doi: 10.1103/PhysRevLett.130.221502)