900.000 Röntgenquellen und exotische Objekte: Astronomen haben den ersten Datenkatalog des eROSITA-Röntgentelekops veröffentlicht – es ist die größte jemals veröffentlichte Sammlung an hochenergetischen kosmischen Röntgenquellen. Das auf den energiereichsten Anteil kosmischer Röntgenemissionen spezialisierte Teleskop hat in seinen ersten sechs Monaten schon mehr Röntgenstrahler im All kartiert als die gesamte Röntgenastronomie der letzten 60 Jahren – und weitere Kataloge kommen noch.
Das Röntgenteleskop eROSITA startete im Juli 2019 mit der russisch-deutschen Raumsonde Spektrum-RG (SRG) und hat seitdem seinen Beobachtungsposten am Lagrange-Punkt 2, rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Ziel der Mission war es, mithilfe der sieben Teleskopmodule von eROSITA besonders detailreiche und gleichzeitig breitbandige Aufnahmen des Röntgenhimmels zu erstellen. Die Aufnahmen sollen zudem dabei helfen, die kosmische Expansion und den Effekt der Dunklen Energie genauer zu vermessen als je zuvor.
Röntgenquellen und diffuse Himmelsstrahlung
Jetzt hat das deutsche eROSITA-Konsortium einen ersten Datenkatalog für die erste Messkampagne des Röntgenteleskops veröffentlicht. Der eROSITA-All-Sky-Survey-Katalog (eRASS1) enthält die Daten der ersten sechs Monate und liefert Informationen zu rund 900.000 einzelnen Röntgenquellen am Himmel. Allein im empfindlichsten Bereich der Röntgendetektoren zwischen 0,2 und zwei Kiloelektronenvolt registrierten die Detektoren rund 170 Millionen Röntgenphotonen und identifizierten Herkunft, Energie und Ankunftszeit.
Schon dieser erste Katalog ist die größte jemals veröffentlichte Sammlung an Röntgenquellen, wie die Astronomen erklären. Der Röntgenkatalog deckt die Hälfte des Himmels ab und umfasst Daten zu rund 710.000 aktiven supermassereichen Schwarzen Löchern in fernen Galaxien, mehr als 180.000 aktiven Sternen in der Milchstraße, rund 12.000 Galaxienhaufen sowie anderen Quellen wie röntgenstrahlenden Doppelsternen, Supernova-Relikten oder Pulsaren.
Die erste eRASS-Datenveröffentlichung macht nicht nur den Katalog der Quellen öffentlich, sondern auch Bilder des Röntgenhimmels bei verschiedenen Energien und sogar Listen der einzelnen Photonen.
Mehr Daten zum „heißen“ Röntgenhimmel als je zuvor
„Das sind überwältigende Zahlen für die Röntgenastronomie“, sagt der leitende eROSITA-Wissenschaftler Andrea Merloni vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching. „Wir haben in sechs Monaten mehr Quellen entdeckt als die großen Flaggschiff-Missionen XMM-Newton und Chandra in fast 25 Jahren.“ Insgesamt lieferte eROSITA schon nach der ersten Beobachtungszeit mehr Daten zum „heißen“ Röntgenhimmel als 60 Jahre der Röntgenastronomie davor.
Zeitgleich mit der Datenfreigabe reichte das deutsche eROSITA-Konsortium fast 50 neue Publikationen bei Fachzeitschriften ein, zusätzlich zu den mehr als 200 bereits erschienenen. Zu den beschriebenen Entdeckungen gehören unter anderem ein riesiges Filament von warm-heißem, reinem Gas zwischen zwei Galaxienhaufen, zwei neue „quasi-periodisch ausbrechende“ Schwarze Löcher und eine Vermessung der heißen Gashülle unserer Milchstraße. Auch wie sich die Röntgenstrahlung eines Sterns auf Atmosphäre und Wasser von Exoplaneten auswirken oder eine statistische Analyse von flackernden Schwarzen Löchern umfassen die Veröffentlichungen.
„Der Umfang der wissenschaftlichen Ergebnisse und die Bedeutung der Durchmusterung sind ziemlich überwältigend und lassen sich nur schwer in Worte fassen“, sagt Mara Salvato, Sprecherin des deutschen eROSITA-Konsortiums. Für viele Arten von Quellen wurden auch zusätzliche Daten aus anderen Wellenbereichen in sogenannte „Mehrwert“-Kataloge aufgenommen, die über die reine Röntgeninformation hinausgehen.
Dies ist erst der Anfang…
Doch das ist noch nicht alles: Das Röntgenteleskop hat nach seinem ersten Beobachtungsabschnitt noch drei weitere vollständige Durchmusterungen des gesamten Himmels abgeschlossen. Sie wurden zwischen Juni 2020 und Februar 2022 durchgeführt. Auch diese Daten sollen in naher Zukunft veröffentlicht werden. Schon in zwei Wochen folgen zudem die ersten wissenschaftlichen Auswertungen zur kosmischen Expansion, die auf einer eingehenden Analyse der eRASS1-Galaxienhaufen basieren.
„Es wird noch viel mehr von uns geben und wir sind gespannt darauf, was der Rest der Welt mit den nun veröffentlichten Daten tun wird“, sagt Kirpal Nandra vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. (Astronomy & Astrophysics, 2024; doi: 10.1051/0004-6361/202347165)
Quelle: Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik