First Light: Die europäische Weltraumagentur ESA hat die ersten fünf Aufnahmen des neuen Weltraumteleskops Euclid veröffentlicht – sie sind spektakulär. Denn das Teleskop kann große Himmelsausschnitte auf einmal bis in die feinsten Details abbilden. Im Laufe seiner sechsjährigen Mission soll Euclid ein Drittel des gesamten Himmels bis in eine Entfernung von zehn Milliarden Lichtjahren im Infrarot und sichtbaren Licht kartieren, und so Diskrepanzen in der Verteilung der Dunklen und normalen Materie und in der Expansion des Kosmos klären helfen.
Hauptaufgabe des im Juli 2023 in All gestarteten Weltraumteleskops Euclid ist es, mehr Licht in das Rätsel um die beiden „dunklen“ Komponenten des Kosmos – Dunkle Materie und Dunkle Energie – zu bringen. Denn ihre Natur, Wirkungsweise und Verteilung sind bisher weitgehend ungeklärt. Hinzu kommt, dass sowohl bisherige Kartierungen der Materieverteilung als auch Messungen der kosmischen Expansion schwer erklärbare Diskrepanzen zu gängigen kosmologischen Modellen ergeben haben.
Die Mission des Euclid-Teleskops
An diesem Punkt setzt die Euclid-Mission an. „Euclid wird es Kosmologen erstmals ermöglichen, die beiden konkurrierenden dunklen Mysterien zusammen zu untersuchen“, sagt ESA-Wissenschaftsdirektorin Carole Mundell. Dafür soll das Teleskop im Laufe der nächsten sechs Jahre Euclid die Expansionsrate und die Massenverteilung im Kosmos über die letzten zehn Milliarden Jahren hinweg kartieren. Dabei nutzt es zwei wissenschaftliche Instrumente, das Visible Instrument VIs und dem Nahinfrarot Spektrograf und Photometer NISP.
Die Besonderheit von Euclid gegenüber anderen Teleskopen ist seine Fähigkeit, einen großen Himmelsausschnitt in nur einem Durchgang scharf und mit hoher Auflösung abzubilden. Dadurch ist dieses Teleskop besonders gut für eine detailreiche und dennoch umfassende Kartierung geeignet. Am Ende der Mission soll Euclid ein Drittel des gesamten Himmels untersucht haben. In Kombination mit Bilddaten von bodengebundenen Teleskopen soll so der größte und präziseste Multiwellenlängenkatalog der extragalaktischen Astronomie entstehen.
Die ersten fünf Aufnahmen
Jetzt hat das Euclid-Teleskop, nach einer mehrmonatigen Test- und Kalibrierungsphase die ersten fünf wissenschaftlichen Aufnahmen erstellt und zur Erde gesendet. Sie demonstrieren, dass das Teleskop die in es gesetzte Erwartungen vollauf erfüllt: „Wir haben noch nie zuvor astronomische Aufnahmen so detailreich wie diese gesehen“, sagt Euclid-Projektwissenschaftler René Laureijs von der ESA. „Sie sind sogar noch schöner und schärfer als wir gehofft haben und zeigen uns viele zuvor unerkannte Merkmale in wohlbekannten Gebieten des nahen Universums.“
Eine dieser Aufnahmen zeigt den rund 240 Millionen Lichtjahre entfernten Perseus-Galaxienhaufen, eine der massereichsten Strukturen im gesamten Universum. Mit nur einem Blick hat das Euclid-Teleskop tausend der zum Perseus-Cluster gehörenden Galaxien abgebildet und zeigt darüber hinaus noch 100.000 weitere Galaxien aus dem Umfeld dieses Haufens. „Mit Euclids riesigem Bildfeld und seiner hohen Empfindlichkeit lassen sich die Galaxien im Perseus-Galaxienhaufen bis an ihre äußersten und leuchtschwächsten Regionen vermessen“, sagt Matthias Kluge vom Max Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching.
Kugelsternhaufen, Galaxien und der Pferdekopfnebel
Eine weitere Aufnahme zeigt den rund 7800 Lichtjahre entfernten Kugelsternhaufen NGC 6397. Diese Gebilde aus tausenden durch Schwerkraft aneinander gebundenen Sternen gehören zu den ältesten Objekten im Kosmos. „Euclid ist zurzeit das einzige Teleskop, das einen gesamten Kugelsternhaufen auf einmal aufnehmen und trotzdem noch selbst die schwachleuchtenden Sterne in dessen Außenbereichen scharf darstellen in vom kosmischen Hintergrund trennen kann“, erklärt Davide Massari vom Nationalen Institut für Astrophysik in Italien.
Die Interaktion von Kugelsternhaufen mit ihren Galaxien und ihre Bewegungen können mehr über die Verteilung und Einflüsse der Dunklen Materie verraten. Interessant sind Kugelsternhaufen aber auch, weil sie als Bausteine für frühe, noch unregelmäßig geformte Galaxien gelten. Eine solche irreguläre Galaxie, NGC 6822, ist daher das dritte Bild von Euclid. Außerdem hat das Teleskop noch die rund elf Millionen Lichtjahre entfernte Spiralgalaxie IC 342 und den berühmten Pferdekopfnebel im Sternbild Orion aufgenommen.
„Atemberaubende Aufnahmen“
„Die frühen Daten von Euclid sind atemberaubend!“, kommentiert Koshy George von der LMU München. „Mit dem großen Gesichtsfeld, der Klarheit und der Empfindlichkeit der VIS- und NISP-Instrumente können wir viele neue Details um die Galaxien herum über einen weiteren Bereich entdecken, als es bisher möglich war.“ Damit hat das Euclid-Teleskop schon in seinen ersten Bildern bewiesen, dass es die in ihn gesetzten hohen Erwartungen mehr als erfüllt.
Wie die ESA mitteilt, werden nun noch einige letzte Justierungen am Weltraumteleskop vorgenommen, bevor dann Anfang 2024 der wissenschaftliche Routinebetrieb beginnt. Im Verlauf der Mission sollen dann einmal im Jahr neue Datensätze veröffentlicht werden.
Quelle: European Space Agency (ESA), Max-Planck-Institut für Astronomie