Astronomie

Erste Hinweise auf einen Mega-Neutronenstern

Kurzlebiger Riese entsteht vor Kollaps von verschmolzenen Neutronensternen zum Schwarzen Loch

Mega-Neutronenstern
Wenn Neutronensterne kollidieren, könnte vor dem Kollaps zum Schwarzen Loch ein Mega-Neutronenstern entstehen. © NASA/GSFC, STAG Research Centre/ Peter Hammond

Kurzlebiger Gigant: Astronomen könnten erstmals Hinweise auf einen Mega-Neutronenstern gefunden haben – ein kurzlebiges Zwischenstadium bei Neutronensternkollisionen. Diese bisher nur theoretisch postulierten Riesen kollabieren schon nach Millisekunden zum Schwarzen Loch. Jetzt liefern verräterische Oszillationen in Gammastrahlenausbrüchen ein erstes Indiz für ihre Existenz. Dies eröffnet neue Chancen, die Vorgänge bei diesen Verschmelzungen aufzuklären, wie das Team in „Nature“ berichtet.

Wenn zwei Neutronensterne miteinander kollidieren, setzt dies enorme Energien in Form von Gravitationswellen und meist auch Gammastrahlen frei. Dieser kurze Gammastrahlenausbruch ist zwar weniger als zwei Sekunden lang, kann aber so viel Strahlungsenergie freisetzen wie alle Sterne einer Galaxie zusammen. „Wir wissen, dass kurze Gammastrahlenausbrüche entstehen, wenn Neutronensterne kollidieren und wir wissen auch, dass das Ganze am Ende zu einem Schwarzen Loch kollabiert“, sagt Coleman Miller von der University of Maryland.

Neutronensternkollision
Was passiert direkt nach der Verschmelzung der Neutronensterne? © NASA/GSFC, STAG Research Centre/ Peter Hammond

Mega-Neutronenstern als Zwischenstadium

Doch wie entsteht dabei das Schwarze Loch? Und was passiert davor mit den verschmolzenen Neutronensternen? Bislang ist dies unklar. Modelle legen jedoch nahe, dass die verschmelzenden Neutronensterne nicht direkt zum Schwarzen Lochen werden, sondern zunächst einen kurzlebigen Mega-Neutronenstern bilden. „Er existiert nach der Verschmelzung nur rund zehn bis 300 Millisekunden lang, bevor er zu einem Schwarzen Loch kollabiert“, erklären Miller und seine Kollegen.

Der Theorie zufolge sind solche kurzlebigen Mega-Neutronensterne fast doppelt so groß wie ihre normalen „Artgenossen“ und ihre Masse liegt gut 20 Prozent über der Maximalgrenze für Neutronensterne. Sie können nur deshalb überhaupt existieren, weil sie extrem schnell rotieren – mit fast 78.000 Umdrehungen pro Minute. Die dabei erzeugten Fliehkräfte verzögern den unausweichlichen Schwerkraftkollaps dieser kosmischen Riesen, wie die Astronomen erklären.

Fahndung nach subtilen Oszillationen

Das Problem jedoch: Ob bei Neutronensternkollisionen tatsächlich vorübergehend ein Mega-Neutronenstern entsteht, konnten Astronomen bisher nicht belegen. Die wenigen mittels Gravitationswellen und Strahlungsausbrüchen detektierten Kollisionen lagen viel zu weit weg, um direkte Nachweise zu liefern. Zwar müsste sich der Mega-Neutronenstern in den Gravitationswellen durch einen abrupten Frequenzsprung und spezielle Oszillationen verraten, doch die aktuellen Detektoren sind dafür nicht leistungsfähig genug.

Das Team um Miller und seine Kollegin Cecilia Cilenti hat daher in den Gammastrahlen nach einem vergleichbaren Signal gesucht. Wie sie erklären, müssten die Umwandlungsprozesse beim Verschmelzen der Neutronensterne auch in diesen energiereichen, kurzen Strahlenpulsen ein Signal in Form von quasiperiodischen Oszillationen hinterlassen. Nach diesen durchsuchten die Astronomen daher die Daten von 700 kurzen Gammastrahlenausbrüchen, die von drei Gammastrahlenobservatorien aufgezeichnet worden waren.

Wenn zwei Neutronensterne verschmelzen, wechselt die Frequenz der Gravitationswellen auf eine höhere Frequenz und springt dann mehrfach zwischen beiden Ebenen hin und her. Diese Oszillationen gelten als mögliches Signal eines Mega-Neutronensterns.© NASA/GSFC, STAG Research Centre/ Peter Hammond

Zwei potenzielle Signale entdeckt

Tatsächlich stieß das Team auf zwei Ereignisse im Juli 1991 und im November 1993, die die verräterischen Oszillationen aufwiesen. Diese GRB 910711 und GRB 931101B getauften Strahlenausbrüche wurden von dem im Jahr 2000 ausgemusterten Compton-Gammastrahlenteleskop detektiert. „Dass die Signale beide vom BATSE-Instrument dieses Teleskops stammen, ist nicht überraschend, da dieses einen größeren Detektor hatte als die anderen neueren Observatorien“, erklären die Astronomen. „Dadurch konnte es Modulationen besser entdecken.“

Nähere Analysen ergaben: Beide Strahlenausbrüche hatten eine ähnliche Struktur mit Intensitäts-Peaks bei rund 1.000 und 2.600 Hertz, wie Cilenti und ihre Kollegen feststellten. Die Lichtkurven zeigen zudem quasiperiodische Oszillationen, die zu einem kurzlebigen Mega-Neutronenstern passen würden. Leider waren die Daten aber nicht präzise genug, um Näheres über die Größe, Masse und Existenzdauer dieses Objekts zu erfahren.

Erster Schritt zu neuen Einblicken

Dennoch werten auch andere Astronomen diese Ergebnisse als vielversprechenden ersten Schritt: „Auch wenn Cilenti und ihre Kollegen noch keine festen Aussagen über den Zustand der Materie bei diesen Kollisionen machen können, sind ihre Resultate spannend“, schreibt der nicht an der Studie beteiligte Astronom Paul Lasky in einem begleitenden Kommentar. „Denn sie könnten unser Wissen über die Physik der extremsten Regionen unseres Universums erweitern.“

Hinzu kommt: Gravitationswellen-Detektoren könnten bis in die 2030er Jahre sensitiv genug geworden sein, um die subtilen Oszillationen von Mega-Neutronensternen auch in den Raumzeitschwingungen von Neutronensternkollisionen zu detektieren. Bis dahin bleiben allerdings Gammastrahlenausbrüche die einzige Möglichkeit, sie aufzuspüren. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-022-05497-0)

Quelle: NASA/ Goddard Space Flight Center

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