Verborgener Gigant: Astronomen haben erstmals einen Staubring um ein aktives Schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie nachgewiesen – und damit eine 30 Jahre alte Theorie bestätigt. Nach dieser haben solche supermassereichen Schwarzen Löcher trotz aller Unterschiede in Helligkeit und Verhalten die gleiche Grundstruktur. Je nach Blickrichtung wird ihr Innenleben aber von einem Staubring verdeckt. Über den ersten Nachweis eines solchen Rings berichtet das Forschungsteam nun in „Nature“.
Aktive Galaxienkerne (AGN) gehören zu den hellsten und gleichzeitig rätselhaftesten Objekten im Kosmos. Klar scheint, dass sich ihrem Inneren ein supermassereiches Schwarzes Loch verbirgt, das aktiv Materie verschlingt. Dies setzt die enorme Energiemengen in Form von Strahlung frei, die teilweise über Milliarden Lichtjahre hinweg als Quasare sichtbar ist. Gleichzeitig hat das Verhalten der Galaxienkerne entscheidenden Einfluss auf Wachstum und Sternbildung der sie umgebenden Galaxie.
Warum sind die Galaxienkerne so unterschiedlich?
Das Merkwürdige jedoch: Während einige aktive Galaxienkerne in nahezu allen Wellenlängen hell strahlen, sind andere weit gedämpfter. Ihrem Spektrum fehlt eine charakteristische Signatur sogenannter breiter Emissionslinien, die von den heißen, dichten Gaswolken nah am Schwarzen Loch ausgehen. Aber warum? Schon vor rund 30 Jahren vermuteten Astronomen, dass dies weniger auf die Schwarzen Löcher selbst zurückgeht als vielmehr auf unsere Sichtweise.
Nach diesem sogenannten „vereinheitlichten Modell“ gehen die Unterschiede zwischen den beiden Typen von AGNs auf unseren Blickwinkel und einen dicken, verhüllenden Staubgürtel um die Schwarzen Löcher zurück: „In Typ-1-Systemen ist der helle Kern sichtbar, weil wir frontal auf den Torus blicken. In Typ-2-Systemen verdeckt dagegen der dicke, von der Seite gesehene Torus den zentralen Motor“, erklären Violeta Gámez Rosas von der Universität Leiden und ihre Kollegen das Modell.
Bisher allerdings fehlte der wichtigste Beweis für dieses Modell: ein Nachweis des Staubrings. Zwar hatten Astronomen Hinweise auf Staubwolken um einige aktiven Galaxienkerne gefunden, andere Beobachtungen schienen aber darauf hinzudeuten, dass dieser Staub zu dünn und zu weit weg ist, um den hellen Schein des Schwarzen Lochs zu verhüllen.
Typ-2-Galaxienkern im Visier
Doch jetzt ist der Nachweis gelungen: Das Team um Gámez Rosas hat erstmals den Staubring um einen aktiven Galaxienkern beobachtet und die Lage des darin verborgenen Schwarzen Lochs kartiert. Beobachtungsobjekt war das Zentrum der 47 Millionen Lichtjahre entfernten Typ-2-Galaxie NGC 1068 (Messier 77). Dieses nahmen die Astronomen mit dem MATISSE-Spektrografen am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarten in Chile ins Visier.
„MATISSE ist in der Lage, ein breites Spektrum an Infrarot-Wellenlängen zu erfassen, wodurch wir durch den Staub hindurchsehen und die Temperaturen genau messen können“, erklärt Koautor Walter Jaffe von der Universität Leiden. Das Instrument nutzt dafür die mittels Interferometrie zusammengeschalteten Infrarotaufnahmen aller vier großen Teleskope des Observatoriums und erreicht so eine besonders hohe Auflösung. Ergänzend zog das Team auch Daten der Radioteleskope von ALMA in Chile und des Very Long Baseline Array in den USA hinzu.
Erster Nachweis eines dichten Staubrings
Die Aufnahmen enthüllten: Das Schwarze Loch der Galaxie NGC 1068 ist tatsächlich von einem dicken, dichten Staubring umgeben – und dieser reicht aus, um die eher gedämpfte Strahlung dieses aktiven Galaxienkerns zu erklären. Anhand der vom umgebenden Staub veränderten und gestreuten Strahlung gelang es den Astronomen zudem erstmals, einen solchen Torus und seine Lage im Verhältnis zum zentralen Schwarzen Loch genauer zu kartieren.
„Unsere Kartierung lokalisiert das zentrale Loch, das unter dem Staubring liegt und durch eine dicke, fast genau von der Seite gesehene Scheibe verdeckt ist – wie vom vereinheitlichten Modell vorhergesagt“, schreiben Gámez Rosas und ihr Team. Die Aufnahmen zeigen zudem, dass der breite Staubring innen dicht und dicker ist, im Abstand von 32 Lichtjahren vom Schwarzen Loch hingegen deutlich dünner. Damit bestätigt dies die 30 Jahre alte Theorie über die Natur aktiver Galaxienkerne und die Ursache ihres scheinbar so unterschiedlichen Aussehens.
Offene Fragen bleiben
„Die tatsächliche Natur der Staubwolken und ihre Rolle bei der Versorgung des Schwarzen Lochs und bei der Bestimmung seines Aussehens von der Erde aus waren in den letzten drei Jahrzehnten zentrale Fragen in der AGN-Forschung“, erklärt Gámez Rosas. „Auch wenn kein einzelnes Ergebnis alle Fragen klären kann, haben wir einen wichtigen Schritt zum Verständnis der Funktionsweise von AGN gemacht.“
Noch allerdings sind einige Fragen offen. So konnten die Astronomen herausfinden, dass der kalte Staub im Außenbereich des Torus aus submillimeter-kleinen Staubkörnern von magnesiumreichem Olivin mit Kohlenstoff besteht. „Diese Merkmale des kalten Staubs scheinen sich demnach ziemlich von denen des normalen interstellaren Staubs der Milchstraße zu unterscheiden“, so das Team. Wie der heiße Staub in den inneren Bereichen aussieht, ist zudem noch offen. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-021-04311-7)
Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie, Max-Planck-Institut für Radioastronomie