Raumfahrt

Erster Flug durch die solare Korona

Parker Solar Probe überschreitet als erste Raumsonde die Grenze zur Sonnenatmosphäre

Parker Solar Probe
Die NASA-Raumsonde Parker Solar Probe hat erstmals die Grenze zur solaren Korona durchflogen. © NASA/GSFC

Meilenstein der Sonnenforschung: Zum ersten Mal hat eine Raumsonde die Grenze der solaren Korona durchflogen – der oberen Atmosphäre der Sonne. Die NASA-Sonde Parker Solar Probe kam dabei unserem Stern bis auf 13 Millionen Kilometer nahe und konnte erstmals die genaue Lage und Form der Koronagrenze ermitteln. Die Daten könnten erste Hinweise darauf liefern, wo die erst kürzlich entdeckten „Switchbacks“ des Sonnenwinds entstehen – kurzlebige, rückwärtsgewandte Kehren der Teilchenströme.

Millionen Grad heiß, von energiereicher Strahlung erfüllt und Ausgangsort extrem beschleunigter Partikelströme: Die Korona, die äußere Atmosphäre der Sonne, ist eine ebenso extreme wie rätselhafte Umgebung. Denn woher sie ihre Hitze nimmt, wie sie strukturiert ist und welche Prozesse in ihr ablaufen, sind bisher erst in Teilen geklärt. Antworten liefern soll die 2018 gestartete NASA-Raumsonde Parker Solar Probe, die der Sonne so nahe kommen soll wie kein anderes Instrument vor ihr.

koronare Streamer
Kamerabilder der Parker-Sonde zeigen typische Teilchenströme der solaren Korona. © NASA/Johns Hopkins APL/ Naval Research Laboratory

Grenze der solaren Atmosphäre

Jetzt hat die Sonnensonde einen Meilenstein erreicht: Als erste Raumsonde überhaupt hat sie die Grenze der solaren Korona erreicht und durchflogen. „Das ist ein monumentaler Moment für die Sonnenforschung und eine wirklich bemerkenswerte Leistung“, sagt Thomas Zurbuchen vom NASA-Wissenschaftsdirektorat. Die Messinstrumente der Sonde haben erstmals Umgebungsdaten aufgezeichnet, die für das Innere der Korona typisch sind.

Die Grenze der solaren Korona ist durch den Punkt definiert, an dem die Magnetfelder der Sonne nicht mehr stark genug sind, um die von ihr ausgehenden energiereichen Teilchenströme festzuhalten. Gekennzeichnet ist diese Koronagrenze dadurch, dass dort der Sonnenwind die sogenannte Alfvén-Geschwindigkeit überschreitet – die Energie und damit die Geschwindigkeit der Teilchen übertrifft die bindende Energie der solaren Magnetfelder.

Daten aus dem Inneren der Korona

Doch wo genau diese Alfvén-Oberfläche und damit die Außengrenze der solaren Korona liegt, konnten Sonnenforscher bislang nur schätzen. Demnach müsste sie etwa zehn bis 20 Sonnenradien von der solaren Oberfläche entfernt liegen. Allerdings schwankt ihr Abstand auch in Abhängigkeit davon, wo in ihrem elfjährigen Aktivitätszyklus sich die Sonne gerade befindet. Die Parker Solar Probe sollte daher im Laufe ihrer Sonnenumrundungen immer weiter in dieses potenzielle Grenzgebiet eindringen.

Am 28. April 2021 war es dann soweit, wie nun die Auswertungen der Sondendaten zeigen: Die Parker Solar Probe erreichte bei 18,8 Sonnenradien – rund 13 Millionen Kilometer über der Sonnenoberfläche – die Grenze der Korona. „Wir sehen Belege dafür in den Messdaten zum Magnetfeld, zum Sonnenwind und auch optische in den Kamerabildern“, berichtet Nour Raouafi vom Johns Hopkins Applied Physics Laboratory. „Wir können direkt sehen, wie die Raumsonde durch koronare Strukturen fliegt, die sonst nur während einer totalen Sonnenfinsternis sichtbar sind.“

Ausläufer und Senken

Die Messdaten enthüllten aber auch, dass die Raumsonde die Koronagrenze mehrfach passierte. Insgesamt dreimal tauchte sie in das Innere der Korona ein, einmal über fünf Stunden hinweg. Dieser Wechsel bestätigt, dass die Alvén-Oberfläche der Korona nicht gleichmäßig und glatt ist, sondern lokal Spitzen und Senken aufweist. Dafür spricht auch, dass die Parker Solar Probe nicht am tiefsten Punkt ihres Orbits in die Korona eintauchte, sondern deutlich früher.

Das Auswertungsteam um Justin Kasper von der University of Michigan geht deshalb davon aus, dass die Sonde einen sogenannten Pseudostreamer durchflogen hat – einen der bei einer Sonnenfinsternis sichtbaren Ausläufer der solaren Korona. Typisch für diese strahlenförmigen Ausstülpungen der solaren Atmosphäre sind starke Magnetfeldänderungen auf engem Raum, wie sie die Parker Solar Probe nach Angaben der Forscher auch gemessen hat.

„Wir haben erwartet, dass die Raumsonde früher oder später zumindest kurzzeitig die Korona passieren würde“, erklärt Kasper. „Aber es ist sehr aufregend, dass wir diesen Punkt jetzt schon erreicht haben.“

Der Flug der Parker Solar Probe durch die Korona der Sonne.© NASA/GSFC, Joy Ng

Weitere Flüge durch die Korona folgen

Die Forscher gehen davon aus, dass die Parker Solar Probe auch bei ihrem aktuellen Vorbeiflug im November 2021 wieder durch die solare Korona geflogen ist. Weil aber die Raumsonde ihre Daten erst zur Erde schicken kann, wenn sie sich wieder von der Sonne entfernt hat und ihre Hauptantenne gefahrlos ausfahren kann, werden diese Daten erst Ende Dezember zu empfangen sein. Entsprechend gespannt sind die Wissenschaftler darauf, was dieser und weiter Vorbeiflüge erbringen werden. „Es ist wirklich eine wichtige Region, in der alle möglichen physikalischen Prozesse beginnen“, sagt Kasper. „Umso spannender ist es, dass wir nun dieses Region erreichen und einige dieser Prozesse und Phänomene beobachten können.“

Eine der Fragen, die die Daten beantworten könnten ist, wie und wo die „Switchbacks“ entstehen – abrupte, kurzlebige Kehrtwenden der Teilchenströme im Sonnenwind. Dieses Phänomen wurde erst 2019 auf Basis der Messdaten der Parker Solar Probe entdeckt. Bei ihrer nächsten Annäherung im Januar 2022 wird die Parker Solar Probe sogar nur noch 8,8 Sonnenradien von der Sonnenoberfläche entfernt sein. Sie dürfte damit tief in die Korona eintauchen und könnte einzigartige Daten aus diesem bisher so wenig erforschten Teil unseres Sterns sammeln. (Physical Review Letters, 2021; doi: 10.1103/PhysRevLett.127.255101)

Quelle: NASA, America Physical Society (APS)

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