Lunare Kartierung: Künftige Mondmissionen haben jetzt eine neue Orientierungshilfe – den ersten vollständigen, hochaufgelösten geologischen Atlas des Mondes. Er zeigt Topografie, Gesteinstypen und andere Merkmale der Mondoberfläche im Maßstab 1:1,25 Millionen und ist die erste umfassende Kartierung dieser Art seit der Ära der Apollo-Missionen. Erstellt wurde der lunare Atlas auf Basis von Daten der chinesischen Chang’e-Mondsonden, aber auch Orbitern anderer Nationen.
Der Mond erlebt eine Renaissance: Gut 50 Jahre nach der letzten Apollo-Mission sollen in naher Zukunft wieder Menschen auf dem Erdtrabanten landen. Den Anfang macht Artemis-Programm der NASA, in wenigen Jahren wollen auch China, Indien, Russland und die Europäische Weltraumagentur ESA folgen. Für die Planung dieser Missionen werden allerdings genaue Karten und Sondenaufnahmen benötigt, um geeignetes Terrain, nutzbare Ressourcen oder als Unterkunft geeignete Lavahöhlen zu finden.
Bisher nutzten die Raumfahrtorganisationen dafür vorwiegend Karten aus der Apollo-Ära, ergänzt durch aktuelle Aufnahmen lunarer Orbitersonden. „Doch die alten Karten reichen für die Anforderungen der künftigen Forschung und lunaren Erkundungen nicht länger aus“, erklärt Liu Jianzhong vom Institut für Geochemie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Im Jahr 2020 veröffentlichten deshalb US-Forscher eine neue geologische Mondkarte. Sie zeigte Lage und Ausdehnung von 43 geologischen Einheiten in einem Maßstab von 1: 5 Millionen.
„Alle Erkenntnisse der Post-Apollo-Ära“
Jetzt haben Liu und sein Team einen neuen Mondatlas erstellt, der die Geologie des Erdtrabanten in noch höherer Auflösung zeigt. Die Karten bilden die gesamte Mondoberfläche und ihre Topografie und Geologie im Maßstab 1:1,25 Millionen ab – so hoch auflösend wie nie zuvor. Sie zeigen unter anderem 12.341 lunare Einschlagskrater, 81 Einschlagsbecken, 17 Gesteinsarten und 14 geologische Strukturformen. Die Darstellungen umfassen sowohl Globus-Darstellungen als auch Kartenblätter. Weitere Karten zeigen die geologische Entwicklung des Mondes und seiner Landschaften und Gesteinsformen.
„Dieser Atlas ist die erste globale Mondkarte, die alle Erkenntnisse und Daten der Post-Apollo-Ära verwertet. Sie beruht auf den Errungenschaften der internationalen Forschungsgemeinschaft der letzte Dekaden“, kommentiert der Astrophysiker Gregory Michael von der Freien Universität Berlin.
Daten von Chang’e und Co
Basis des neuen Mondatlas bilden vor allem die Aufnahmen und Spektrometerdaten der chinesischen Chang’e-Mondsonden. „Die Kamera von Chang’e-1 lieferte Aufnahmen der lunaren Topografie und Landschaftsformen, während ihr Interferenz-Imaging-Spektrometer eine Schlüsselrolle für die Identifizierung der verschiedenen Gesteinsarten spielte“, erklärt Liu. Daten von Landesonden wie Chang’e-3 und 4 dienten dazu, die orbitalen Daten zu kalibrieren und zu überprüfen.
Aber auch Daten der NASA-Sonden GRAIL und Lunar Reconnaissance Orbiter sowie der indischen Mondsonde Chandrayaan-1 wurden für den lunaren Atlas verwertet. „Die Daten von GRAIL trugen beispielsweise dazu bei, alle tiefen Spalten auf der Mondoberfläche zu identifizieren“, sagt Liu.
Basis für künftige Forschung und Missionen
„Der neue geologische Atlas des Mondes ist von großer Bedeutung für die Mondforschung, aber auch für die Auswahl geeigneter Landestellen und Standorte für lunare Forschungsstationen sowie die Nutzung lunarer Ressourcen“, sagt Ziyuan Ouyang von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Dies gelte auch für die nächste Landesonde, Chang’e-6, die Gesteinsproben aus dem Aitken-Becken am lunaren Südpol sammeln soll. „Unsere Karten können die Effizienz solcher Probennahmen erhöhen“, so der Forscher.
Auch Michael wertet den neuen Mondatlas als wichtigen Fortschritt für die weitere Erforschung Erkundung des Erdtrabanten. „Er wird als Startpunkt für jede neue Frage der lunaren Geologie dienen und eine primäre Ressource für Wissenschaftler sein, die verschiedenste lunare Prozesse untersuchen“, so der Forscher.
Quelle: Chinese Academy of Sciences