Moleküle im Weltall: Astronomen haben erstmals polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) in einer mehr als zwölf Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie nachgewiesen. Es ist der erste Beleg für die Präsenz dieser organischen Moleküle in einer so frühen Galaxie. Aufgespürt wurden sie mit dem James-Webb-Teleskop anhand ihrer Spektralsignatur. Doch die Verteilung der PAKs in dieser Galaxie wirft auch Fragen auf, denn sie weicht von dem Erwarteten ab, wie die Astronomen in „Nature“ berichten.
Astronomen haben schon eine ganze Reihe von organischen Molekülen im Weltraum nachgewiesen, darunter auch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) – komplexe Verbindungen, die Ringe mit delokalisierten Kohlenstoff-Doppelbindungen enthalten. Die Beobachtungen legen nahe, dass diese Aromaten vor allem in kühlen, interstellaren Molekülwolken gebildet werden. Dort dienen sie als Kondensationskeime für interstellaren Staub und spielen damit auch eine wichtige Rolle für die Bildung neuer Sterne und Planeten.
„Diese großen Moleküle sind im Kosmos sogar relativ häufig“, erklärt Erstautor Justin Spilker von der Texas A&M University. „Dort, wo man diese Moleküle gefunden hat, strahlen meist auch junge Babysterne.“
Fahndung nach der 3,3-Mikrometer-Linie
Jetzt haben die Astronomen um Spilker erstmals solche organischen Moleküle auch im frühen Kosmos nachgewiesen. Sie visierten dafür die rund zwölf Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie SPT0418-47 mit dem James-Webb-Teleskop an. Sie bot besonders günstige Bedingungen, weil ihr Licht durch die Schwerkraft einer massereichen Galaxie im Vordergrund verstärkt und vergrößert wird. Durch diesen Gravitationslinsen-Effekt wirkt die Vordergrundgalaxie wie eine Art Lupe.
„Indem wir die Leistungsfähigkeit des Webb-Teleskops mit diesem natürlichen Vergrößerungsglas kombinierten, konnten wir mehr Details erkennen als normalerweise möglich“, erklärt Spilker. Er und sein Team nutzten das im mittleren Infrarot arbeitende MIRI-Spektrometer des Teleskops, um die spektrale Signatur der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe aufzuspüren. Diese hinterlassen typischerweise eine gut sichtbare Spektrallinie im Bereich von 3,3 Mikrometer Wellenlänge.
„Diese 3,3 Mikrometer-Linie – die PAK-Signatur mit der kürzesten Wellenlänge – entsteht durch die Vibrationsmodi der Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen im PAK-Molekül“, erklären die Forscher. „Sie wird nur von kleinen neutralen PAKs mit weniger als 100 Kohlenstoffatomen emittiert.“
Deutliche Signatur komplexer Moleküle
Tatsächlich wurden die Astronomen fündig: Im ringförmig verzerrten Licht der fernen Galaxie SPT0418-47 entdeckten sie eine deutliche, um das 20-Fache aus dem Hintergrundrauschen herausstechende 3,3-Mikrometer-Signatur. Zusätzlich detektierte das MIRI-Spektrometer noch eine schwächere Spektrallinie bei 3,4 Mikrometern, die von PAKs mit ringlosen, aliphatischen Seitenketten stammen könnte, wie die Forschenden berichten. Diese zweite Signatur sei aber zu schwach, um eindeutig zu sein – anders als das klare Signal bei 3,3 Mikrometern.
Damit haben die Astronomen erstmals komplexe aromatische Kohlenwasserstoffe in einer Galaxie des frühen Kosmos nachgewiesen. Sie existierten bereits rund 1,5 Milliarden Jahre nach dem Urknall, als das Universum erst zehn Prozent seines heutigen Alters erreicht hatte. „Es ist erstaunlich, dass wir diese auf der Erde in Rauch und Smog vorkommenden Moleküle sogar in Milliarden Lichtjahren Entfernung identifizieren können“, sagt Koautor Kedar Phadke von der University of Illinois in Urbana-Champaign.
Räumliche Verteilung passt nicht zu Erwartungen
Nähere Analysen bestätigten, dass die PAK-Signatur dieser fernen Galaxie wahrscheinlich in enger Verbindung mit der Sternbildung steht. Allerdings gibt es dabei einige Abweichungen von der erwarteten räumlichen Verteilung. So liegen die Zonen der intensivsten Molekülsignaturen in dieser Galaxie nicht dort, wo auch der meiste Staub vorkommt. „Die Strahlung von PAK-Molekülen, heißem Staub und großen Staubkörnern sowie Sternen ist räumlich unterschiedlich verteilt“, berichten die Astronomen.
Anders ausgedrückt: In einigen Teilen der Galaxie gab es zwar Staub und Sternbildung, aber keine PAKs, in anderen gab es PAKs, aber keine Sternbildung. Nach Ansicht von Spilker und seinem Team könnte dies darauf hindeuten, dass es in solchen frühen Galaxien komplexe lokalisierte Prozesse gab, die bisher noch nicht verstanden sind. Sie könnten zur räumlichen Trennung von grobem Staub und organischen Molekülen geführt haben. Denkbar sei aber auch, dass lokale Unterschiede in der ultravioletten Strahlung diese Unterschiede erzeugten, so die Astronomen.
Weitere Beobachtungen sollen die Antwort liefern
„Entdeckungen wie diese sind genau das, wofür das James-Webb-Teleskop gebaut wurde: Damit wir die frühesten Stadien unseres Universums auf neue und aufregende Weise kennenlernen und verstehen können“, sagt Koautor Kedar Phadke von der University of Illinois in Urbana-Champaign. Die Astronomen wollen nun durch Folgebeobachtungen klären, ob die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe auch in frühen Galaxien eng mit der Staub- und Sternbildung verknüpft waren oder nicht.
„Nachdem wir nun demonstriert haben, dass es möglich ist, diese Signaturen im frühen Kosmos aufzuspüren, wollen wir dieser Frage nun weiter nachgehen“, sagt Spilker. „Der einzige Weg, das herauszufinden ist, sich mehr solcher Galaxien anzuschauen – vielleicht sogar noch weiter entfernte als diese hier.“ (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-05998-6)
Quelle: Nature, Texas A&M University