Zwei Sonden sehen mehr: Zum ersten Mal ist es Astronomen gelungen, das komplette Magnetfeld eines Sonnenflecks allein auf Basis von Beobachtungsdaten zu vermessen. Möglich wurde dies erst durch die Kombination zweier Sonnensonden, des Solar Orbiter und des Solar Dynamics Observatory. Weil beide unseren Stern aus verschiedenen Richtungen betrachten, konnte das Forschungsteam auch bisher nicht messbare Magnetfeldkomponenten bestimmen. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten der Sonnenforschung.
Das solare Magnetfeld ist ein wichtiger Einflussfaktor auf das Verhalten unserer Sonne. Die regelmäßigen Umpolungen des Magnetfelds bestimmen den elfjährigen Sonnenzyklus, seine Feldlinien bilden das Gerüst für riesige Schleifen solaren Plasmas und auch Sonnenflecken, solare Ausbrüche und der Sonnenwind gehen auf das Magnetfeld und Wechselwirkungen der magnetischen Feldlinien zurück.
„Damit wir das Verhalten unseres Sterns verstehen können, müssen wir daher sein Magnetfeld so genau wie möglich kennen“, erklärt Erstautor Gherardo Valori vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen.
Das Problem des Blickwinkels
Doch an diesem Punkt hapert es bisher: Zwar haben gleich mehrere Weltraumobservatorien und erdbasierte Sonnenteleskope unseren Stern im Blick. Doch sie blicken fast alle aus der gleichen Richtung auf die Sonne und können die Parameter des solaren Magnetfelds daher nur in einer Blickrichtung eindeutig bestimmen. Verlaufen die Magnetfeldlinien jedoch senkrecht dazu, kann man zwar die Stärke der Magnetfeldkomponente ermitteln, nicht aber seine genaue Orientierung. Denn dabei sind theoretisch zwei um 180 Grad verschiedene Interpretationen möglich.
Daher konnte das Sonnenmagnetfeld bisher nie bis ins letzte Detail vermessen werden. Doch das hat sich nun geändert – dank der im Februar 2020 gestarteten ESA-Raumsonde Solar Orbiter. Anders als bisherige Sonnensonden umkreist sie unseren Stern auf elliptischen, immer stärker polwärts geneigten Umlaufbahnen. Dadurch kann die Raumsonde erstmals auch Daten aus den Polarregionen der Sonne sammeln – und betrachtet sie aus einem ganz neuen, einzigartigen Blickwinkel.
Sonnenfleck aus zwei Richtungen anvisiert
Damit ermöglicht es der Solar Orbiter jetzt erstmals, auch das Magnetfeld der Sonne aus einer neuen Perspektive zu vermessen – und in Stereo. Dies belegt nun die erste vollständige Vermessung des solaren Magnetfelds über einer aktiven Sonnenfleckenregion. Valori und sein Team haben dafür die Daten zweier Raumsonden miteinander kombiniert: des Solar Orbiter und des im hohen Erdorbit stationierten Solar Dynamics Observatory der NASA.
Der Blickwinkel beider Sonden auf die aktive Sonnenregion unterschied sich bei diesen Messungen um 27 Winkelgrad. „Die Messdaten der einen Sonde können so den blinden Fleck der anderen ausgleichen – und andersherum“, erklärt Koautor Sami Solanki vom MPS. Auf diese Weise konnte das Forschungsteam erstmals alle Komponenten des Magnetfeldes allein aus Beobachtungsdaten ermitteln.
Erste beobachtungsbasierte Magnetkarte eines Sonnenflecks
Das Ergebnis ist die erste vollständig beobachtungsbasierte Karte, die die Vektoren des solaren Magnetfelds für einen Sonnenfleck zeigt. Das Magnetogramm der aktiven Region AR12965 zeigt sowohl die Richtung und Stärke der Magnetfeldkomponente in der Beobachtungsrichtung als auch transversal dazu. „Damit haben wir erfolgreich die bisherige Zwiespältigkeit bei der transversalen Komponente von solaren Magnetogrammen entfernt“, konstatieren die Forscher.
Allerdings erfordert auch diese Kombination zweier Sichtwinkel einiges an Berechnungen. „Beide Instrumente hatten nicht nur verschiedenen Blickwinkel, sondern auch sehr verschiedene Abstände zur Sonne. Auch die Auflösung der Messdaten unterscheidet sich deshalb deutlich“, erklärt Valori. Zudem sind beide Instrumente verschieden kalibriert. Das Team hat jedoch Gleichungen entwickelt, durch die sich diese Abweichungen und Unterschiede herausrechnen lassen.
Damit ist es nun möglich, auch andere Bereiche des solaren Magnetfelds künftig genauer zu kartieren. Valori und seine Kollegen sind optimistisch, dass sich ihre Methode auch auf Regionen mit schwächeren Magnetfeldern anwenden lässt. (Astronomy & Astrophysics, 2023; doi: 10.1051/0004-6361/202345859)
Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung