Unscharf und in 18 Versionen gleichzeitig – so sieht die erste Aufnahme eines Sterns aus, die das neue James-Webb-Weltraumteleskop zur Erde geschickt hat. Das ist jedoch kein Fehler, sondern gewollt: Erst anhand dieser Aufnahme kann das Bodenteam nun beginnen, die 18 Spiegelsegmente des Teleskops und ihre Krümmung nanometergenau auszurichten. Gleichzeitig hat das Teleskop auch ein erstes „Selfie“ zur Erde geschickt.
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das größte, komplizierteste und teuerste Instrument, das je in den Weltraum gebracht wurde. Allein für die Entfaltung des tennisplatzgroßen Sonnenschirms und der Spiegel waren fast 300 Bolzen, Seile, Klappmechanismen und andere Prozesse nötig. Doch es gelang: Nach dem Start am 25.Dezember 2021 und 29 „Tagen des Bangens“ hat das Teleskop seinen Einsatzort am Lagrangepunkt 2 erreicht.
Feinjustierung bis auf Nanometer
Jetzt folgt die für die Astronomie wichtigste Phase: die Ausrichtung der 18 Spiegelsegmente. „Webb ins All zu bringen, war ein aufregender Moment. Aber für Wissenschaftler und Optik-Ingenieure kommt das Entscheidende, wenn das Licht eines Sterns zum ersten Mal erfolgreich seinen Weg durch das System bis zum Detektor findet“, erklärt Michael McElwain vom Goddard Space Flight Center der NASA.
Erst dann kann die Kalibrierung beginnen. Im Rahmen dieser monatelangen Feinjustierung wird die Neigung und Krümmung der 18 Spiegelsegmente so angepasst, dass sie wie eine einzige ununterbrochene Spiegelfläche zusammenwirken. Dafür trägt jedes Segment sechs Aktuatoren auf seiner Rückseite, die die Form des aus Beryllium und Gold bestehenden Spiegels verändern. Nur wenn alle Segmente fast nanometergenau aufeinander abgestimmt sind, sieht das Infrarot-Teleskop auch scharf.
Ein Stern in 18 Segmenten
Die wichtigste Voraussetzung für diese Kalibrierung hat das Teleskop nun erfüllt: Zum ersten Mal haben der Primärspiegel, der Sekundärspiegel und die Near Infrared Camera (NIRCam) zusammengearbeitet, um das Licht von Sternen einzufangen – und erste Bilder zu erzeugen. Ziel war es dabei, das Bild desselben Sterns mit allen 18 Spiegelsegmenten abzubilden. Das Team wählte dafür den Stern HD 84406 im Sternbild Großer Bär, weil dieser hell, leicht zu erkennen und relativ entfernt von gleichhellen Sternen ist.
Für die Aufnahmen wurde das Webb-Teleskop auf 156 Positionen rund um die errechnete Position des Sterns gerichtet. Über 25 Stunden hinweg zeichneten die zehn Detektoren der NIRCam das Gesehene auf. Mit Erfolg: Schon in den ersten Stunden gelang es dem NASA-Team, den Zielstern mit allen 18 Spiegelsegmenten zu erfassen.
Restwärme erzeugt Unschärfe
Das Ergebnis ist ein aus hunderten Einzelbildern zusammengefügtes Mosaik, das alle Versionen des Zielsterns in einer Abbildung zeigt. Insgesamt umfasst das gesamte Mosaik mehr als zwei Milliarden Pixel, ist aber noch ziemlich unscharf. Doch genau dieses Bild ist notwendig, um nun die Spiegelsegmente allmählich zu einem gemeinsamen Fokus zu bringen, wie die NASA-Wissenschaftler erklären. Aus den verschwommenen 18 Lichtpunkten wird im Verlauf diese Feinjustierung dann nach und nach ein einziger, scharfer Punkt.
„Dies ist ein großartiger Startpunkt für die Ausrichtung der Spiegel“, sagt Marshall Perrin vom Space Telescope Science Institute in Baltimore. Wie er erklärt, stammt ein Teil der Unschärfe auch daher, dass das Teleskop noch nicht genügend abgekühlt ist. Die optischen Instrumente und Spiegel arbeiten erst dann sauber, wenn sie ihre Arbeitstemperatur von minus 220 bis minus 243 Grad erreicht haben – und das ist noch nicht der Fall.
Eine Aufnahme in diesem zu warmen Zustand ist daher überhaupt nur mit der NIRCam möglich, weil diese auch oberhalb ihrer Optimaltemperatur funktioniert. Dieses Instrument wird nun in den nächsten Monaten der Kalibrierung immer wieder Aufnahmen erstellen, um die Veränderungen und Fortschritte abzubilden. Die restlichen drei Instrumente des Teleskops bleiben hingegen so lange abgeschaltet, bis das Webb-Teleskop kalt genug ist.
Erstes Selfie vom Primärspiegel
Sogar ein erstes Selfie hat das Webb-Teleskop schon zur Erde geschickt. Es wurde mit einer speziellen Linse des NIRCam-Instruments erstellt, die eigens dafür ausgelegt ist, Bilder von den Segmenten des Primärspiegels zu erstellen. Weil das Teleskop keine „normalen“ Foto- oder Videokameras an Bord hat, ist sie die einzige Möglichkeit, überhaupt einen optischen Eindruck vom Zustand der Spiegel zu erhalten.
Das Selfie zeigt – noch relativ unscharf – die Umrisse der Spiegelsegmente im Nahinfrarot. Das hell erscheinende Spiegelsegment ist zu diesem Zeitpunkt gerade direkt auf den Zielstern ausgerichtet und spiegelt sein Licht. Auch das werten die NASA-Wissenschaftler als großen Erfolg. „Das gesamte Webb-Team ist geradezu ekstatisch glücklich darüber, wie gut die ersten Schritte der Aufnahme und der Ausrichtung funktioniert haben“, sagt die leitende Wissenschaftlerin für NIRCam, Marcia Rieke von der University of Arizona.
Wenn alles weiterhin so reibungslos läuft wie bisher, dann ist das neue Weltraumteleskop auf gutem Weg, im Sommer seinen Betrieb aufzunehmen. Die Astronomie kann sich dann auf einzigartige und nie zuvor gesehene Einblicke in das nahe und ferne Universum freuen.
Quelle: NASA/ Webb Blog