Astronomie

Erstes wanderndes Schwarzes Loch entdeckt

Linseneffekt verrät isoliert im All flotierendes stellares Schwarzes Loch

Schwarzes Loch
Astronomen haben erstmals ein stellares Schwarzes Loch nachgewiesen, das isoliert und unsichtbar durch die Milchstraße wandert. © FECYT, IAC

Dunkler Vagabund: Astronomen haben erstmals ein frei im All umherwanderndes Schwarzes Loch entdeckt. Das stellare Schwarze Loch liegt rund 5.100 Lichtjahre entfernt und hat sich durch seinen Gravitationslinsen-Effekt verraten: Seine Schwerkraft verzerrte und verstärkte das Licht eines Hintergrundsterns. Nach Schätzungen der Forschenden könnte es in der Milchstraße 200 Millionen solcher verborgenen stellaren Schwarzen Löcher geben, das nächstgelegene könnte rund 80 Lichtjahre entfernt liegen.

Wenn ein massereicher Stern in einer Supernova explodiert, kollabiert sein Kern ab einer bestimmten Masse zu einem Schwarzen Loch. Angesichts der enormen Zahl von massereichen Sternen im All müsste es demnach Millionen solcher stellaren Schwarzen Löcher allein in unserer Milchstraße geben. Doch weil sie jede Strahlung schlucken, bleiben sie dunkel und unsichtbar.

Aufgespürt wurden bisher nur die Schwarzen Löcher, die sich durch Wechselwirkungen mit anderen Objekten verraten. Dazu gehören Schwarze Löcher, die bei Kollisionen Gravitationswellen freisetzen oder aber solche, die durch ihre Schwerkraft die Bewegungen eines Partnersterns verändern. In einem Supernova-Überrest könnten Forschende vor einigen Jahren ein frei flotierendes Schwarzes Loch gefunden haben, eine Bestätigung blieb aber aus.

MIcrolensing
Microlensing: Die Dauer des Linseneffekts und das Ausmaß der scheinbaren Verschiebung des Hintergrundsterns verrät die Masse und Natur des Vordergrundobjekts.© NASA/ ESA, STScI, Joseph Olmsted

Gravitationslinsen-Effekt als Fahndungshelfer

Doch jetzt haben Astronomen erstmals eindeutig ein isoliertes stellares Schwarzes Loch aufgespürt und seine Masse bestimmt. Dies gelang gleich zwei Forschungsteams, die unabhängig voneinander dieselben Daten des Hubble-Weltraumteleskops ausgewertet hatten. Im Fokus standen dabei sogenannte Microlensing-Ereignisse – die Verzerrung und Verstärkung des Lichts eines fernen Sterns durch die Schwerkraft eines Vordergrundobjekts.

Ein solcher Gravitationslinsen-Effekt kann im Prinzip durch ein beliebiges massereiches Objekt verursacht werden – vom Exoplaneten bis zur ganzen Galaxie. Ein stellares Schwarzes Loch verrät sich jedoch dadurch, dass es einen lokal begrenzten, aber mehr als 200 Tage lang anhaltenden Linseneffekt auslöst. Weil das Loch selbst kein Licht abgibt, wird dabei die Lichtfarbe des Hintergrundsterns nicht verändert – bei einem massereichen Stern als Linse würde sich das Licht beider hingegen mischen.

Für ihre Studie haben die beiden Teams – eines um Casey Lam von der University of California in Berkeley und eines um Kailash Sahu vom Space Telescope Science Institute in Baltimore – mehrere vom Hubble Weltraumteleskop detektierte Microlensing-Ereignisse ausgewertet und dabei Dauer, Lichtspektrum und die scheinbare Verschiebung des Hintergrundsterns analysiert.

Verdächtiges Ereignis in rund 5.100 Lichtjahre Entfernung

Dabei fiel beiden Astronomenteams ein Ereignis auf, dass alle Merkmale eines dunklen, frei im All flotierenden stellaren Schwarzen Lochs aufwies: Das Licht des rund 19.000 Lichtjahre entfernten Hintergrundsterns wurde mehr als 270 Tage lang verstärkt und verzerrt. Das dafür verantwortliche Vordergrundobjekt – die Gravitationslinse – ist nach Schätzungen von Lam und ihrem Team 2.280 bis 6.260 Lichtjahre entfernt, Sahu und seine Kollegen ermittelten einen etwas genaueren Wert von 5.153 Lichtjahren.

Microlensing
Diese Hubble-Aufnahmen zeigen, wie der Hintergrundstern (Pfeil) durch das im Vordergrund unsichtbar vorbeiziehende Schwarze Loch erst größer und heller wurde, dann nahm er wieder seine ursprüngliche Helligkeit und Größe an. © NASA/ ESA, Kailash Sahu (STScI); Joseph DePasquale (STScI)

Doch war dieses unsichtbare, aber massereiche Objekt wirklich ein Schwarzes Loch? Um das herauszufinden, mussten die Astronomen aufwendige astrometrische Messungen durchführen, die ihnen genau verrieten, wie stark das Vordergrundobjekt die scheinbare Position des Hintergrundsterns verschob. Dank der scharfen „Augen“ des Hubble-Teleskops und mehreren Jahren der wiederholten Beobachtungen ermittelten sie eine Verschiebung von rund einer Millibogensekunde – das entspricht der Breite einer Centmünze in New York, die von Los Angeles aus betrachtet wird.

Erstes isoliert wanderndes dunkles Sternenrelikt

Das Ergebnis: Das dunkle Vordergrundobjekt ist nach Messungen von Sahu und seinem Team 7,1 Sonnenmassen schwer. Das Team ist sich daher sicher: Das muss ein Schwarzes Loch sein. „Wir berichten damit über die erste eindeutige Entdeckung und Massenbestimmung eines isolierten stellaren Schwarzen Lochs“, schreiben die Astronomen. Dafür spreche die große Masse und die Tatsache, dass das Objekt kein eigenes Licht aussende.

Etwas vorsichtiger sind Lam und ihr Team: Sie kommen in ihren Messungen auf eine Masse von 1,1 bis 4,4 Sonnenmassen und können daher nicht sicher ausschließen, dass es nicht doch ein Neutronenstern ist. „Dies ist das erste frei flotierende Schwarze Loch oder Neutronenstern, der mithilfe der Gravitationslinsen-Methode aufgespürt wurde“, sagt Lams Kollegin Jessica Lu.

Ebenfalls nicht ganz einig sind sich die beiden Teams in Bezug auf die Geschwindigkeit, mit der sich das „dunkle“ Objekt mit dem sperrigen Doppelnamen MOA-2011-BLG-191 und OGLE-2011-BLG-0462 bewegt. Sahu und seine Kollegen ermittelten ein relativ hohes Tempo von rund 45 Kilometern pro Sekunde, Lam und ihr Team kamen dagegen auf eher gemächliche 30 Kilometer pro Sekunde. Woher diese Abweichungen kommen, muss nun weiter untersucht werden.

Spitze eines „dunklen“ Eisbergs

Einigkeit herrscht aber darüber, dass es sich um eine wichtige Entdeckung handelt – und möglicherweise nur um die Spitze eines „dunklen“ Eisbergs. „Was immer es ist, mit diesem Objekt haben wir das erste dunkle Sternenrelikt entdeckt, das unbegleitet durch die Galaxie wandert“, sagt Lam. Der Fund bestätigt damit die Modelle, nach denen es Millionen isoliert umher wandernder Schwarzer Löcher in der Milchstraße geben muss.

Nach Berechnungen vom Lam und ihrem Team könnte es in der Milchstraße rund 200 Millionen stellarer Schwarzer Löcher geben – ein Großteil davon wären isolierte, unsichtbare Wanderer. Der uns nächstgelegenen Vertreter dieser dunklen Einzelgänger könnte sich in nur rund 80 Lichtjahren Entfernung verbergen. „Mit dem Microlensing haben wir ein neues Fenster zu diesen dunklen Objekten geöffnet, die auf andere Weise nicht aufzuspüren sind“, sagt Lu. (The Astrophysical Journal, accepted, arXiv:2201.13296; The Astrophysical Journal Letters, accepted, arXiv:2202.01903)

So haben die Astronomen das isoliert umherwandernde Schwarze Loch aufgespürt . © NASA/ Goddard

Quelle: Space Telescope Science Institute (STScI), University of California – Berkeley

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