Erster Schritt zu einer Mondbasis: Die europäische Raumfahrtagentur ESA hat im niederländischen Nordwijk den Prototyp einer lunaren „Sauerstoff-Fabrik“ installiert – einer Anlage, die Sauerstoff aus Mondgestein gewinnt. Bei diesem Verfahren wird der Regolith zusammen mit einem Salz erhitzt und unter Strom gesetzt. Dadurch wird der in den Mineralen gebundene Sauerstoff frei. Praktischer Nebeneffekt: Dabei entstehen auch nutzbare Metalle.
Es geht zurück auf den Mond: Sowohl die USA als auch die europäische Raumfahrtagentur ESA haben den Erdtrabanten als Ziel für die bemannte Raumfahrt wiederentdeckt. Die NASA plant im Rahmen der Mission Artemis schon für 2022 die Anfänge einer lunaren Orbitalstation, gefolgt von einer Landung von Astronauten im Jahr 2024. Die ESA hat schon vor einigen Jahren Pläne für ein internationales Monddorf vorgestellt.
Sauerstoff aus dem Mond-Regolith
Doch wenn Menschen in Zukunft länger auf dem Mond leben und arbeiten sollen, benötigen sie vor alle eines: Sauerstoff. Er könnte aus lunarem Wassereis, aus gebundenem Wasser und auch aus dem Mond-Regolith gewonnen werden. Denn seine Minerale sind größtenteils Oxide, wie Mondproben der Apollo-Missionen zeigen. Sie enthalten 40 bis 45 Prozent Sauerstoff – allerdings in chemisch gebundender Form.
Jetzt hat die ESA den Prototyp einer lunaren „Sauerstoff-Fabrik“ entwickelt, die das Atemgas aus dem Regolith extrahieren kann. Das Verfahren beruht auf der Schmelzflusselektrolyse, einem Prozess, mit dem sonst Metalle und Legierungen aus Erzen gewonnen werden. „Der bei diesem Prozess entstehende Sauerstoff ist ein unerwünschtes Nebenprodukt und wird als Kohlenmonoxid oder CO2 freigesetzt“, erklärt Beth Lomax von der University of Glasgow.
Mit Hitze und elektrischem Strom
Für die „lunare Fabrik“ mussten die Forscher den Prozess daher so abwandeln, dass der Sauerstoff nicht mit Kohlenstoff reagiert und aufgefangen werden kann. Dafür wird das Gesteinsmaterial zunächst zusammen mit Calciumchloridsalz auf 950 Grad erhitzt – auf dem Mond könnte dies beispielsweise durch konzentriertes Sonnenlicht eines Sonnenofens geschehen. Das Salz wird dabei schmelzflüssig, der Regolith bleibt zunächst fest.
Dann wird mithilfe von Elektroden elektrischer Strom durch das Gemisch geleitet, das flüssige Salz dient dabei als Elektrolyt. Dies löst eine elektrochemische Reaktion aus, in deren Verlauf der Sauerstoff aus den Oxiden des Regoliths herausgelöst wird. Er wandert durch das flüssige Salz, sammelt sich an der Anode des Reaktors und kann dort aufgefangen und abgeleitet werden.
Nutzbare Metalle als „Nebenprodukt“
Wie viel Sauerstoff bei diesem Prozess frei wird und wie sich der Prozess optimieren lässt, testen die Forscher zurzeit in der neuen Prototyp-Anlage des ESA-Forschungszentrums in Nordwijk. Als Ausgangsmaterial für ihren Sauerstoff-Reaktor dient ihnen ein Regolith-Analog – eine Mineralmischung, die dem lunaren Gestein relativ nahekommt. „Mithilfe dieser Anlage können wir den Prozess anpassen, beispielsweise durch Veränderung der Betriebstemperatur“, erklärt Lomax.
Positiver Nebeneffekt des Verfahrens: Durch die Schmelzflusselektrolyse wird nicht nur Sauerstoff frei, sie reduziert auch die im Mondregolith enthaltenen Metalle. „Wir wollen herausfinden, welche nutzbaren Legierungen sich damit herstellen lassen und für welche Anwendungen sie geeignet wären“, erklärt Alexandre Meurisse von der ESA. Die genaue Kombination der entstehenden Metalle wird jedoch auch davon abhängen, wo auf dem Mond die „Fabrik“ später steht – denn der Regolith ist regional leicht unterschiedlich zusammengesetzt.
Erste Mondfabrik bis 2025?
Bis etwa 2025, so der Plan der ESA, soll das Verfahren so weit ausgereift sein, dass eine einsatzfähige Pilotanlage für den lunaren Einsatz bereitsteht. „ESA und NASA kehren mit bemannten Missionen zum Mond zurück und dieses Mal wollen wir dort bleiben“, betont Tommasio Ghidini, Leiter der ESA-Materialforschung. „Deshalb legen wir unseren Fokus auf die systematische Nutzung der lunaren Ressourcen vor Ort.“
Lomax ergänzt: „Sauerstoff aus den Ressourcen vor Ort zu gewinnen, wäre natürlich enorm vorteilhaft für zukünftige Bewohner einer Mondstation, sowohl für das Atmen als auch für die lokale Herstellung von Raketentreibstoff.“ Die Kombination aus flüssigem Wasserstoff und Sauerstoff sind gängige Treibstoffe für Trägerraketen wie die Ariane-5, gaben aber auch den Space-Shuttles der NASA oder der Apollo-Rakete Saturn-V ihren Schub.
Quelle: European Space Agency (ESA)