Der Countdown läuft: Heute Nachmittag soll die ESA-Landesonde Schiaparelli auf dem Mars landen. Gelingt ihr dies, wäre dies die erste weiche Landung einer europäischen und russischen Raumsonde auf dem Roten Planeten – und die erste inmitten der Staubsturm-Saison. Die heiße Phase der Marslandung beginnt heute um 16:42 Uhr unserer Zeit, wenn der Lander in die Marsatmosphäre eintritt.
Auf dem Roten Planeten zu landen ist schwerer als man glaubt. Denn die dünne Atmosphäre des Roten Planeten erfordert eine komplizierte Abfolge von Bremshilfen, um eine größere Sonde sicher und vor allem weich aufsetzen zu lassen. Der NASA gelang eine Marslandung zwar schon sieben Mal, aber nur der Marsrover „Curiosity“ setzte wirklich weich auf dem Marsuntergrund auf. Ihm gelang dies durch eine neue Landetechnologie, die so exotische Hilfsmittel wie einen Kran, Miniatur-Guillotinen und 76 Sprengladungen umfasste.
Jetzt soll die im März 2016 gestartete ExoMars-Mission beweisen, dass auch die ESA und die russische Raumfahrtagentur Roscosmos die Technik der weichen Marslandung beherrschen. Die Mission besteht aus dem „Trace Gas Orbiter“ (TGO), die vom Marsorbit aus nach den Quellen des Methans in der Marsatmosphäre suchen soll und der knapp 600 Kilogramm schweren Landesonde Schiaparelli.
Heiße Phase beginnt heute um 16:42 Uhr
Den ersten Schritt für die Marslandung hat die Landesonde Schiaparelli bereits erfolgreich bewältigt: Am 16. Oktober, pünktlich um 16.42 Uhr deutscher Zeit trennte sich der Lander von seiner Muttersonde TGO. Seither ist er auf Kollisionskurs mit dem Roten Planeten – und das im Tiefschlaf. Denn um Energie zu sparen, ist Schiaparelli zurzeit abgeschaltet. Er wird erst 75 Minuten vor dem Eintritt in die Marsatmosphäre aufgeweckt.
Die heiße Phase der Landung beginnt heute um 16:42 Uhr unserer Zeit. Schiaparelli ist dann noch rund 121 Kilometer von der Marsoberfläche entfernt und tritt mit rund 21.000 Kilometern pro Stunde in die Atmosphäre ein. Ab diesem Zeitpunkt ist die Sonde auf sich allein gestellt, denn jeder Befehl von der Erde braucht rund neun Minuten zum Mars – bis dahin ist die Sonde längst gelandet – oder abgestürzt.
Hitzeschild als Bremshilfe
In den folgenden drei bis vier Minuten sorgt der tellerförmige Hitzeschild der Landesonde, der Aeroshield, für eine erste Bremswirkung. Die Reibung der Gaspartikel an diesem Schild soll das Tempo von Schiaparelli bis auf 1.700 km/h absenken. Um der Hitze standzuhalten, ist der Hitzeschild mit Kacheln bedeckt, die Temperaturen von bis zu 1750 Grad standhalten können.
„Wie sich dabei die Hitze auf der Rückseite der Landekapsel entwickelt – das hat bisher noch niemand im Flug detailliert gemessen“, erläutert der Ingenieur Ali Gülhan vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Drei Sensoren und ein Radiometer werden daher messen, wie groß die aerothermalen Lasten sind, die der Hitzeschild aushalten muss.
Mit Fallschirm und Düsen
Klappt diese erste Bremsphase, dann folgt in nur noch elf Kilometern Höhe über dem Mars der nächste Schritt: Die Sonde setzt um 16:45 Uhr einen Überschall-Fallschirm frei. 40 Sekunden danach wird der vordere Hitzeschild abgesprengt und eine Kamera macht nur alle 1,5 Sekunden eine Aufnahme der unter der Sonde liegenden Marsoberfläche. Während dieser Zeit verringert sich die Geschwindigkeit von Schiaparelli weiter auf nur noch 240 km/h.
Um 16:47 Uhr ist Schiaparelli nur noch 1,3 Kilometer von der Marsoberfläche entfernt. Jetzt sprengt sie auch den hinteren Hitzeschild und den Fallschirm ab. Eine Sekunde später folgt der letzte Schritt: Neun mit dem Treibstoff Hydrazin angetriebene Bremsdüsen springen an und bremsen die Sonde bis auf nur noch rund vier km/h ab. Zwei Meter über dem Grund schalten die Düsen nach einem kurzen Schwebezustand ab und Schiaparelli fällt den Rest des Weges nach unten.
Die Landung
Geht das alles glatt, sollte die Landesonde um 16:47 Uhr auf der Marsoberfläche stehen und ihr erstes Signal zur Erde senden. Der Landeplatz von Schiaparelli liegt in der Ebene Meridiani Planum. Sie wurde ausgewählt, weil sie relativ flach ist und wenig größere Hindernisse aufweist, denn der Lander kann bei seinem abschließenden Fall keine Ausweichmanöver durchführen.
Ein weiterer Vorteil: Die Landestelle vom Schiaparelli liegt in der Nähe des Gebietes, in dem der NASA-Rover Opportunity eine besondere Art von Hämatit, Eisenoxid, entdeckt hat. „Diese Form des Eisenoxids bildet sich eigentlich nur in stehenden Gewässern – in der Meridiani Planum könnte es in der Vergangenheit also einmal größere Wassermengen gegeben haben“, erklärt Planetenforscher Ralph Jaumanns vom DLR.
Auswirkungen von Wind und Staub
Mit der Landung hat Schiaparelli im Prinzip seine Hauptaufgabe erfüllt. Die Daten, die seine Sensoren während des Fluges durch die Marsatmosphäre sammeln, liefern nicht nur wertvolle Aufschlüsse über die Gashülle des Roten Planeten. Sie helfen auch dabei, künftige Landungen noch sicherer und „maßgeschneiderter“ zu machen.
Ein Faktor dabei sind die sich verändernden Winde und Staubstürme auf dem Mars: „Zurzeit gibt es starken Wind und viel Staub auf dem Mars, und die Staubpartikel werden mit hoher Geschwindigkeit auf den Hitzeschutz prasseln“, erklärt Gülhan. „Dass das einen Effekt haben wird, ist klar – aber wie sich Wind und Staubpartikel beim Eintritt in die Atmosphäre genau auswirken, ist bisher nicht ausreichend erforscht.“
Nach der Landung wird Schiaparelli noch einige Tage lang Windgeschwindigkeit, Feuchtigkeit, Druck, Strahlung und Temperatur messen, bis seine Batterien leer sind. Im Gegensatz dazu wird die Muttersonde TGO erst im Dezember 2017 mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit beginnen. Erst dann wird sie endgültig in ihren Orbit 400 Kilometer über der Marsoberfläche eingeschwenkt sein.
Die ESA sendet heute ab 17:44 Uhr einen Livestream zur Marslandung.
(ESA/ DLR, 19.10.2016 – NPO)