Astronomie

Exoplanet auf spiraligem Todeskurs

Astronomen beobachten erstmals einen heißen Jupiter kurz vor dem Ende in seinem Stern

WASP-12b
Der heiße Jupiter WASP-12b ist seinem Stern schon gefährlich nahe – und kommt ihm allmählich immer näher. © NASA/ESA, G. Bacon/ STScI

Fatale Anziehung: Der heiße Gasriese WASP-12b umkreist seinen Stern in einer immer enger werdenden Spirale – er ist damit auf tödlichem Kurs. Denn schon in wenigen Millionen Jahren werden die Gezeitenkräfte des Sterns diesen Planeten zerreißen, wie Berechnungen der Astronomen nahelegen. WASP-12b ist der erste „heiße Jupiter“, für den Forscher eine solche „Todesspirale“ nun eindeutig nachgewiesen haben.

In rund 600 Lichtjahren Entfernung umkreist ein heißer Gasriese seinen Stern in extremer Nähe – WASP-12b ist ein sogenannter heißer Jupiter. Für einen Umlauf um seinen Stern benötigt der Exoplanet nur 26 Stunden, sein Abstand zum Stern liegt bei gerade einmal 3,4 Millionen Kilometer – ein 44stel der Entfernung Erde-Sonne. Das hat Folgen, wie Astronomen 2013 herausfanden: WASP-12b verliert große Mengen an Gas, die ihm von seinem Stern abgesaugt werden. Zudem ist seine Oberfläche ungewöhnlich dunkel gefärbt.

WASP-12b Orbit
Schon im Jahr 2013 haben Astronomen erste Anzeichen dafür gefundne, dass der Stern WASP-12 seinem Planetne Gas absaugt und ihn immer näher heranzieht. © NASA/STScI, Ann Feild

Wird der Orbit von WASP-12b kleiner?

Doch WASP-23b hat noch eine Besonderheit: Seine Transitzeit – die Zeit, die er für das Vorbeiziehen vor seinem Stern benötigt – hat sich seit seiner Entdeckung im Jahr 2008 schon um 29 Millisekunden verkürzt. Das könnte darauf hindeuten, dass sich sein Orbit allmählich in einer Spirale immer weiter verengt – bis er dann irgendwann von seinem Stern zerrissen und verschlungen wird. Dieses Szenario sagen Astronomen schon länger für solche heißen Jupiter in engen Orbits voraus.

„Schon seit der Entdeckung des ersten ‚heißen Jupiters‘ im Jahr 1995 haben wir uns gefragt, wie lange solche Planeten dies wohl überstehen können“, sagt Koautor Joshua Winn von der Princeton University. „Wir waren uns ziemlich sicher, dass die Schwerkraft-Wechselwirkungen zwischen Stern und Planet diesen in einer Spirale nach innen lenken müssten und letztlich zerstören.“ Doch bisher ist es nie gelungen, diese „Todesspirale“ bei einem heißen Jupiter eindeutig nachzuweisen.

Okkultation als entscheidendes Indiz

Jetzt aber könnte dies den Astronomen erstmals gelungen sein. Denn ein Team um Winn und Erstautor Samuel Yee von der Princeton University hat nun WASP-12b noch einmal untersucht. Dafür werteten sie mehrere Transitereignisse des Planeten aus, beobachteten aber zusätzlich auch fünf Okkultationen – Phasen, in denen der Planet hinter seinem Stern vorbeizieht und dabei von ihm verdeckt wird. Der Grund dafür: Theoretisch kann auch die langsame Verschiebung eines exzentrischen Planetenorbits um den Stern die Transitzeiten vorübergehend verkürzen – ganz ohne dass der Planet sich in einer „Todesspirale“ befindet.

Welches der beiden Szenarien vorliegt, lässt sich aber anhand der Okkultationszeiten unterscheiden: „Handelt es sich um den Fall eines enger werdenden Orbits, müssten sich die Okkultationsintervalle um das gleiche Maß verringern wie die Transitintervalle“, erklären die Forscher. Liegt dagegen eine Präzession des Orbits vor, müssten die Okkultationszeiten länger werden. Genau dies haben Yee und seine Kollegen nun für WASP-12b überprüft.

Erster Nachweis einer orbitalen „Todesspirale“

Das Ergebnis: Beim Gasriesen WASP-12b verkürzen sich sowohl die Transit- als auch die Okkulationszeiten. „Auf Basis dieser Daten können wir nun zuverlässig sagen, dass dieser Planet sich tatsächlich in einer Spirale auf seinen Stern zubewegt“, sagt Yee. „Obwohl dieses Phänomen für solche sternennahen Gasriesen wie WASP-12b schon länger vorhergesagt wurde, ist dies das erste Mal, dass wir diesen Prozess in Aktion sehen.“

Nach Schätzungen der Forscher könnte der heiße Jupiter schon in wenigen Millionen Jahren den Punkt erreichen, an dem ihn die Gezeitenkräfte des Sterns zerreißen. „Bisher konnte niemand einschätzen, wie lange dieser Prozess dauert – ob Millionen oder Milliarden Jahre, so Yee. Jetzt gibt es dank WASP-12b einen ersten Anhaltspunkt über die Lebensdauer von Gasriesen in solchen „Todesspiralen“.

Viele weitere todgeweihte“ Planeten im All

Die neuen Ergebnisse klären nicht nur das Rätsel um die Transitzeiten von WASP-12b, sie liefern auch generelle Einblicke in die Entwicklung von heißen Jupitern. „Die eher schnelle orbitale Degradation bedeutet, dass es im Weltall viele heiße Jupiter geben muss, die diesen Prozess bereits durchlaufen haben“, kommentiert der nicht an der Studie beteiligte Astronom Frederic Rasio von der Northwestern University.

Von solchen todgeweihten Planeten könnte man sogar noch Reste finden. Denn wenn die Gezeitenkräfte einen solchen Gasriesen zerreißen, geht als erstes nur seine Gashülle verloren. Übrig bleibt dann der feste Planetenkern, der als Supererde inmitten einer Gasscheibe um den Stern kreist. Tatsächlich haben Astronomen vor kurzem einen solchen Planetenkern in der Trümmerscheibe eines Weißen Zwergs entdeckt. (Astrophysical Journal Letters, 2020; doi: 10.3847/2041-8213/ab5c16)

Quelle: Princeton University

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