Wider die Theorie: Astronomen haben einen Exoplaneten entdeckt, der weit schwerer und dichter ist als er sein dürfte. Der neptungroße Planet TOI-1853b wiegt 73 Erdmassen und ist damit doppelt so schwer wie jeder andere bekannte Planet seiner Größe. Seine Dichte ist so hoch, dass in seinem Inneren schwere Elemente metallisch werden und sein Mantel Wasser in superkritischer Hochdruck-Form enthält. Wie ein solcher Planet zustande kommt, ist rätselhaft, denn er passt zu keinem gängigen Planetenbildungsszenario, wie das Team in „Nature Astronomy“ berichtet.
Ob riesige Wasserwelten, glühende Planeten mit Metallwolken oder „fluffige“ Gasriesen, die sogar auf Wasser schwimmen würden: Unter den Exoplaneten gibt es weit mehr Vielfalt als in unserem Sonnensystem. Einige von ihnen sind so exotisch, dass Astronomen nicht erklären können, wie sie einst zustande kamen – die fremden Welten sprengen alle bisherigen Theorien zur Planetenbildung.
Neptungroße Welt um fremde Sonne
Einen solchen Fall haben nun auch Astronomen um Luca Naponiello von der Universität Rom entdeckt. Der vom NASA-Weltraumteleskop TESS aufgespürte Exoplanet TOI-1853b liegt rund 544 Lichtjahre von uns entfernt und umkreist einen ruhigen, sonnenähnlichen Stern von rund 80 Prozent der Größe und Masse unserer Sonne. Aus dem Transit dieses Planeten vor seinem Stern war schon bekannt, dass es sich um eine etwa neptungroße Welt mit dem 3,4-fachen Erdradius handelt. Unklar war jedoch, welche Masse der Exoplanet hat und wie er beschaffen ist.
Um das zu klären, haben Naponiello und sein Team den Exoplaneten mit mehreren erdbasierten Teleskopen und Spektroskopen anvisiert. Aus dem Lichtspektrum von TOI-1853b und subtilen Verschiebungen im Spektrum seines Muttersterns konnten sie seine Masse ermitteln. Masse und Radius ermöglichten dann die Berechnung der Dichte – das wiederum gibt erste Hinweise auf die innere Zusammensetzung des Exoplaneten.
Doppelt so dicht wie die Erde und dichter als Stahl
Die Beobachtungen ergaben Überraschendes: TOI-1853b ist zwar nur so groß wie der Neptun, aber mit mehr als 73 Erdmassen unerwartet schwer. „Das ist fast doppelt so schwer wie jeder andere neptungroße Exoplanet, den wir bisher kennen“, erklären die Astronomen. „Planeten mit dieser Masse haben normalerweise einen mindestens doppelt so großen Radius.“
Erstaunlich auch: TOI-1853b hat eine ungewöhnlich hohe Dichte von rund 9,74 Gramm pro Kubikzentimeter, wie die spektralen Messungen ergaben. Der Exoplanet ist damit dichter als Stahl und fast doppelt so dicht wie die Erde. Im Vergleich zum Neptun und anderen primär aus Eis und einer dichten Gashülle bestehenden Planeten ist er sogar sechsmal so dicht. „Normalerweise erwarten wir, dass Planeten mit einer so großen Masse zu jupiterähnlichen Gasriesen werden“, sagt Koautor Jingyao Dou von der University of Bristol. „Dieser Planet ist sehr überraschend!“
Hochdruck-Eis und schwere Elemente
Anders als für einen Exo-Neptun erwartet kann TOI-1853b kein Gasplanet sein – dafür ist er viel zu dicht. Stattdessen muss er primär aus massivem Gestein kombiniert mit Metallen und verdichtetem Eis bestehen. „Die Daten sprechen dafür, dass schwere Elemente seine Masse dominieren“, erklären die Astronomen. Seine Atmosphäre, falls der Exoplanet eine besitzt, kann dagegen höchstens ein Prozent der Planetenmasse ausmachen – auch dies ist für einen Planeten dieser Größe eine Seltenheit.
Durch die hohe Dichte von TOI-1853b ist auch die Schwerkraft dieses Planeten enorm. Sie liegt bei 60,1 Meter pro Quadratsekunde und entspricht damit mehr als dem Sechsfachen der Erdschwerkraft. Dies hat auch Konsequenzen für das Innere des Exoplaneten: „Der Druck in seinem tiefen Inneren dürfte rund 5.000 Gigapascal erreichen – das ist das 50-Fache des Drucks an der Kern-Mantel-Grenze der Erde“, erklären Naponiello und sein Team. „Unter einer so hohen Kompression werden die meisten Elemente und ihre Verbindungen metallisch.“
Die Forschenden gehen davon aus, dass TOI-1853b aus einem großen metallischen Kern besteht, der von einem Mantel aus extrem komprimierten Hochdruck-Eis oder superkritischem fluidem Wasser umgeben ist.
Planet passt nicht zu Planetenbildungs-Theorien
Mit diesen Eigenschaften ist TOI-1853b nicht nur ein Exot unter den Exo-Neptunen – er passt auch in keines der gängigen Planetenbildungsszenarien. Wenn ein Planet durch allmähliche Akkretion von Staub und kleineren Brocken heranwächst, bricht dieser Prozess normalerweise ab, sobald der Planetenkern eine bestimmte Masse erreicht hat. An diesem Punkt hat der Protoplanet seine Umgebung in der Urwolke soweit leergefegt, dass kein Material mehr übrig ist, wie die Astronomen erklären. Auch ein Auskondensieren von Gas auf seiner Oberfläche wäre beim jungen TOI-1853b unwahrscheinlich.
Stattdessen vermuten die Forschenden, dass der Exoplanet aus einer Art Massenkarambolage hervorgegangen sein könnte. In einem der denkbaren Szenarien entstanden um den Stern zunächst mehrere, dicht beieinanderliegende kleinere Planeten, die dann miteinander kollidierten. Aus diesen Zusammenstößen entstanden zwei große Gasriesen, die dann ihrerseits miteinander kollidierten. „Durch diese Kollisionen verloren die Planeten den größten Teil ihrer Gashüllen“, sagt Dou.
In einem zweiten Szenario könnten zwei bis drei Exoplaneten in größerer Entfernung vom Stern entstanden sein. Auch dort kommt es zur Kollision und um den Stern bildet sich eine Trümmerwolke. Einer der verbliebenen Planeten entwickelt einen stark exzentrischen Orbit, durch den er immer wieder nah am Stern vorbeizieht und durch diese Trümmerwolke wandert. Dabei verliert er den größten Teil seiner Atmosphäre, sammelt aber durch Kollisionen mit den Trümmern gleichzeitig mehr Masse an.
Welches dieser Szenarien zutrifft und wie TOI-1853 tatsächlich entstanden ist, können die Astronomen aber bislang nur vermuten. „Der Planet stellt ein Rätsel dar und ist mit gängigen Theorien nur schwer zu erklären“, so Naponiello und seine Kollegen. Sie hoffen, dass künftige Beobachtungen des planetaren Schwergewichts, beispielsweise mit dem James-Webb-Teleskop, mehr Aufschluss über seine Eigenschaften und Bildung bringen werden. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06499-2)
Quelle: Nature, University of Bristol