Astronomie

Exoplanet ist zu groß für seinen Stern

Jupitergroßer Gasriese um kleinen Roten Zwerg widerspricht Modellen der Planetenbildung

TOI-5205
Der Rote Zwerg TOI-5205 ist selbst nur viermal so groß wie Jupiter, wird aber von einem jupitergroßen Planeten umkreist. © Katherine Cain/ Carnegie Institution for Science

„Unmöglicher“ Planet: Ein rund 285 Lichtjahre entferntes Duo aus jupitergroßem Exoplaneten und Rotem Zwergstern gibt Astronomen Rätsel auf. Denn der Planet ist viel zu groß für seinen Stern – die protoplanetare Scheibe um den nur 0,39 Sonnenmassen schweren Zwergstern TOI-5205 hätte nicht genug Rohmaterial für einen solchen Gasriesen gehabt. Nach gängigen Modellen der Planetenbildung dürfte der Planet daher gar nicht existieren. Warum es ihn trotzdem gibt, ist unklar.

Planeten entstehen in derselben Wolke aus Staub und Gas, in der auch ihre Muttersterne heranwachsen. Die Materialmenge in dieser Scheibe bestimmt daher, wie viel Rohmaterial für den Stern und seine Begleiter zur Verfügung steht. Kann sich ein massereicher Stern bilden, bleibt meist auch genug Material für große Gasriesen übrig. Rote Zwerge entstehen dagegen meist in massearmen Urwolken, deren Rohstoff dann nur für Gesteinsplaneten reicht. Typische Beispiele dafür sind die Planeten um unseren Nachbarstern Proxima Centauri oder die „sieben Zwerge“ um TRAPPIST-1.

TRAPPIST-1
Typisch für Rote Zwerge sind eigentlich Gesteinsplaneten wie hier die sieben erdgroßen Planeten um TRAPPIST-1. © ESO/ N. Bartmann, spaceengine.org, CC-by 4.0

Schon bei größeren Roten Zwergen ab der halben Sonnenmasse sind Gasriesen sehr unwahrscheinlich, erst rund zehn Exemplare sind bisher entdeckt und genauer beschrieben worden. Als fast unmöglich gelten große Gasplaneten jedoch bei noch kleineren Zwergsternen: „Die Skalierungsgesetzmäßigkeiten für protoplanetare Scheiben und die Planetenmigration können die Existenz von Gasriesen bei Sternen von weniger als 0,5 Sonnenmassen nicht reproduzieren“, erklären Shubham Kanodia von der Pennsylvania State University und sein Team.

Planetenfahndung bei einem Roten Zwerg

Umso überraschender ist nun die Entdeckung eines solchen „unmöglichen“ Planeten. Für ihre Studie haben Kanodia und seine Kollegen den rund 285 Lichtjahre entfernten Roten Zwerg TOI-5205 mit mehreren Teleskopen ins Visier genommen. Das TESS-Weltraumteleskop der NASA hatte bei diesem nur rund 0,39 Sonnenmassen schweren Stern bereits eine Abschattung der Lichtkurve gezeigt, die auf einen Exoplaneten hindeutete.

Um was für einen Planeten es sich dabei handelt, haben die Astronomen nun mithilfe weiterer Transitbeobachtungen und mit der Messung der Radialgeschwindigkeit näher untersucht. Bei dieser Methode verrät sich der Schwerkrafteinfluss eines Planeten durch ein leichtes, im Lichtspektrum erkennbares „Taumeln“ seines Sterns. Während der Transit die Größe des Planeten verrät, gibt die Radialgeschwindigkeit Aufschluss über die Planetenmasse.

Kleinster Stern mit einem Gasriesen

Die Beobachtungen enthüllten: Der Rote Zwergstern TOI-5205 wird von einem Planeten umkreist, der so groß und schwer ist wie der Jupiter – er ist eindeutig ein Gasriese. „Das ist ziemlich überraschend, denn der Zentralstern ist selbst nur rund viermal so groß wie Jupiter. Dennoch hat er es irgendwie geschafft, einen jupitergroßen Planeten zu bilden!“, sagt Kanodia. Beim Transit verdeckt der Planet sieben Prozent der Fläche seines Sterns – das ist mehr als bei fast allen anderen bekannten Exoplaneten.

Der Planet TOI-5205b ist damit der erste durch Transit bestätigte extrasolare Jupiter um einen so massearmen Stern. „TOI-5205b hat zudem einen der höchsten Massenanteile aller bekannten M-Zwerg-Systeme“, berichten die Astronomen. Ungewöhnlich ist aber nicht nur die im Verhältnis große Masse des Exoplaneten, er kreist auch näher an seinem Stern als für Gasriesen um Zwergsterne üblich. Für einen Umlauf benötigt er nur 1,6 Tage.

Größenvergleich
Ein jupitergroßer Planet im Vergleich zum Roten Zwerg TOI-5205 und zur Sonne. © Katherine Cain/ Carnegie Institution for Science

Ein „verbotener“ Planet

„Die Existenz von TOI-5205b bringt damit unsere Vorstellungen der Planetenbildung und der protoplanetaren Scheiben an ihre Grenzen“, sagt Kanodia. „Denn nach den gängigen Modellen der Planetenbildung dürfte es TOI-5205b nicht geben – er ist ein ‚verbotener‘ Planet.“ Ausgehend von der geringen Masse seines Sterns dürfte dessen protoplanetare Scheibe eigentlich nur rund vier bis fünf Erdmassen an Staub für die Bildung des Planetenkerns enthalten haben. Ein Gasriesenkern benötigt aber eine Anfangsmasse von mindestens zehn Erdmassen.

„Wenn es am Anfang nicht genug festes Material für die Kernbildung gibt, dann kann der Protoplanet auch nicht genügend Gas an sich ziehen, um zum Gasriesen zu werden“, erklären die Forschenden. Der fertige Gasriese TOI-5205b müsste ihren Berechnungen zufolge sogar rund 60 Erdmassen an schwereren Elementen als Wasserstoff und Helium enthalten – und auch dafür war eigentlich nicht genug Rohmaterial da.

Zu kurz für die Akkretion, zu dünn für den Kollaps

Doch es gibt noch ein zweites Problem: In den massearmen protoplanetaren Scheiben um Rote Zwerge wachsen Planeten langsamer heran als in der höheren Materiedichte um größer Sterne. Gleichzeitig löst sich die Staub- und Gaswolke um junge Sterne aber schon nach wenigen Millionen Jahren auf. Damit bleibt einem Planetenkern um einen Roten Zwerg eigentlich zu wenig Zeit, um erst genug Masse anzusammeln und dann noch seine Gashülle zu bilden – das Gas wäre längst weggeblasen, bevor er soweit ist.

Eine mögliche Alternative wäre die „Kollaps-Geburt“ des Planeten: Modellen zufolge können große Gasriesen auch ähnlich entstehen wie Sterne. In diesem Szenario kollabiert ein Teil der Urwolke durch lokale Verdichtungen unter seiner eigenen Schwerkraft. „Diese Scheiben-Instabilität gilt mit nur rund 1.000 Jahren Dauer als schnellere Alternative zur langsamen Akkretion“, erklären Kanodia und seine Kollegen.

Der Haken jedoch: Diese Form der schnellen Planetenbildung ist nur im Außenbereich protoplanetarer Scheiben möglich. Denn nur weit entfernt vom Stern sind die Gase kalt genug, um beim Kollaps zu fester Materie zu kondensieren. Bei TOI-5205 und seinem Planeten passt aber auch dieses Szenario nicht: Die protoplanetare Scheibe des Roten Zwergs war wahrscheinlich zu klein und massearm, außerdem kreist der Gasriese TOI-5205b sehr nah um seinem Stern.

„Lücken in unserem Verständnis“

Mit den gängigen Szenarien der Planetenbildung ist diese ungewöhnliche Paarung von Zwergstern und Riesenplanet nicht zu erklären. „Aber wir wissen, dass TOI-5205b existiert“, sagt Kanodia. „Daher muss es eine Lücke in unserem Verständnis der Planetenbildung, der protoplantaren Scheiben oder des Planeteninneren geben – wahrscheinlich sogar bei allen dreien.“ Doch wie und warum der Gasriese TOI-5205b entstanden ist, bleibt vorerst offen

Mehr Informationen zur rätselhaften Geschichte des Planetensystems könnten weitere Beobachtungen des Sterns und seines Planeten beispielsweise mit dem James-Webb-Weltraumteleskop liefern. Dieses könnte bei den Transits von TOI-5205b vor seinem Stern spektrale Signaturen der planetaren Gashülle einfangen. Die Zusammensetzung der Atmosphäre des Gasriesen wiederum könnte verraten, wo und wie er sich gebildet hat. (The Astrophysical Journal, 2023; doi: 10.3847/1538-3881/acabce)

Quelle: Carnegie Institution for Science

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