Orbitaler Extremist: Astronomen haben einen Exoplaneten mit der exzentrischsten je beobachteten Umlaufbahn entdeckt. Der 1.100 Lichtjahre entfernte Gasriese TIC 241249530b umkreist seinen Stern in einem gurkenförmigen Orbit und noch dazu falsch herum: Er kreist entgegen der Rotationsrichtung des Sterns. Diese ungewöhnliche Bahn könnte verraten, wie kalte Gasriesen zu nahe um ihren Stern kreisenden „heißen Jupitern“ werden – und theoretische Modelle bestätigen, wie das Team in „Nature“ erklärt.
„Hot Jupiter“ sind die Extremisten unter den Planeten – und ein Rätsel der Planetenforschung. Denn diese extrasolaren Gasriesen umkreisen ihren Stern so eng, dass sie nur wenige Tage für einen Umlauf benötigen. Oft kommen sie ihrem Stern so nahe, dass ihre heiße Gashülle sich aufbläht oder zu einem Schweif ausgezogen ist. Einige dieser „heißen Jupiter“ werden sogar Opfer der enormen Gezeitenkräfte ihres Sterns und bewegen sich auf einem spiraligen Todeskurs ihrem feurigen Ende entgegen.
Zwischenstadium gesucht
Das eigentliche Problem jedoch: Diese massereichen Exoplaneten können nicht vor Ort entstanden sein. Denn gängiger Theorie nach bilden sich solche Gasriesen nur weiter außen in der protoplanetaren Scheibe eines Sterns. Diese Planeten müssen demnach irgendwann nach innen gewandert sein. Den Modellen zufolge durchlaufen solche Vorläufer der heißen Jupiter dabei ein Stadium, in dem ihre Umlaufbahn zwischen Sternennähe und ihrem ursprünglichen Außen-Orbit pendelt.
„Astronomen suchen schon seit mehr als zwei Jahrzehnten nach Exoplaneten, die solche Vorläufer von heißen Jupitern sein könnten und die ein Zwischenstadium des Migrationsprozesses demonstrieren“, sagt Erstautor Arvind Gupta vom National Optical-Infrared Astronomy Research Laboratory (NOIRLab) in Tucson.
Neu entdeckter Gasriese im Visier
Jetzt haben die Astronomen einen solchen Vorläufer aufgespürt. Es handelt sich dabei um den rund 1.100 Lichtjahre entfernten Exoplaneten TIC 241249530b, der bereits 2020 vom NASA-Weltraumteleskop TESS bei einem Transit vor seinem Stern „erwischt“ wurde. Um Näheres über diesen etwa jupitergroßen Planeten herauszufinden, haben Gupta und sein Team ihn mit mehreren Spektrometern des Kitt Peak National Observatory (KPNO) ins Visier genommen.
Ziel war es, sowohl die Masse des fernen Gasriesen als auch seinen Orbit genauer zu erforschen. Beides ist über die Messung der Radialgeschwindigkeit möglich – dem leichten Taumeln des Zentralsterns durch die Schwerkraft des ihn umkreisenden Planeten. Diese subtilen Schwankungen werden im Spektrum des Sternenlichts als Verschiebungen sichtbar.
So exzentrisch war bisher keiner
Die Analysen enthüllten Überraschendes: Der Planet TIC 241249530b bewegt sich auf einem extrem exzentrischen Orbit um seinen Stern – seine Bahn ähnelt eher einer Gurke als einem Kreis. Konkret ermittelten die Astronomen eine Exzentrizität von 0,94 – bei diesen Werten gilt Null als perfekt kreisförmig, 1 als maximal exzentrisch. Der hochgradig elliptische Orbit des Pluto um die Sonne hat beispielsweise eine Exzentrizität von 0,25, die nur leicht elliptische Umlaufbahn der Erde entspricht einem Wert von 0,02.
„TIC 241249530b ist damit ist der exzentrischste Orbit aller bisher bekannten Transit-Exoplaneten“, sagt Koautor Jason Wright von der Pennsylvania State University. Würde man die ungewöhnliche Bahn dieses rund fünf Jupitermassen schweren Planeten auf das Sonnensystem übertragen, würde er der Sonne bis auf ein Zehntel des Merkurabstands nahekommen, um dann bis jenseits der Erdbahn nach außen zu wandern und wieder zurück.
Das lange gesuchte Bindeglied
„Solche hochgradig exzentrischen Planeten sind unglaublich selten“, betont Wrights Kollege Suvrath Mahadevan. Bisher kennen Astronomen nur einen extrasolaren Gasriesen, HD 80606b, der mit einer Exzentrizität von 0,93 dem nun entdeckten nahe kommt. Hinzu kommt: TIC 241249530b umkreist seinen Stern auch noch retrograd – entgegen der Rotationsrichtung seines Sterns. Auch dies ist bei Planeten sehr selten und zeugt meist von katastrophalen Ereignissen oder starken Störungen in ihrer Entwicklung.
Nach Ansicht der Astronomen spricht der extreme Orbit dieses Gasriesen dafür, dass sie hier endlich das lange gesuchte Übergansstadium zum heißen Jupiter gefunden haben. „Wir können zwar die Zeit nicht zurückdrehen, um die Planetenmigration in Echtzeit mitzuverfolgen. Aber dieser Exoplanet liefert uns einen Schnappschuss dieses Wanderungsprozesses“, erklärt Gupta. Demnach ist TIC 241249530b bereits dabei, sich einer sternennahen Bahn anzunähern.
Vom eisigen zum heißen Jupiter
Wie der Wandel dieses Exoplaneten vom frostigen, weit außen kreisenden Gasriesen zum Hot Jupiter vonstattengehen wird, rekonstruierten die Astronomen mithilfe einer Simulation. „Als sich dieser Planet bildete, war er eine frostige Welt“, beschreibt Koautorin Sarah Millholland vom Massachusetts Institute of Technologx (MIT) die Ursprünge des Gasriesen. Aus seiner Bahn geworfen wurde er wahrscheinlich, weil der zweite, kleinere Stern in diesem Doppelsternsystem Störeffekte verursachte.
Als Folge dieses Ereignisses pendelt TIC 241249530b nun zwischen extremer Sternennähe und dem äußeren Bereich des Planetensystems hin und her – noch. Denn bei jeder Passage an seinem Stern bremsen ihn dessen Anziehungskraft leicht ab. Im Laufe der Zeit wird sich dadurch der Orbit des Gasriesen immer weiter verkürzen und kreisförmiger werden. „In rund einer Milliarde Jahren wird er dann zum heißen Jupiter werden“, so Millholland. Dann wird der Exoplanet seinen Stern so dicht umkreisen, dass er nur wenige Tage für einen Umlauf braucht. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07688-3)
Quelle: National Optical-Infrared Astronomy Research Laboratory (NOIRLab), Massachusetts Institute of Technology, Penn State