Eine Sternwarte der besonderen Art: Die All-Sky-Kuppel auf dem Dach der experimenta Heilbronn eröffnet den Besuchern des Science Centers einen himmlischen Panoramablick. Hier können sie die brodelnde Glut der Sonne, aber auch die Wunder des Nachthimmels bestaunen. Auch eine wissenschaftliche Nutzung der Sternwarte ist geplant, berichtet der Astrophysiker David Mülheims von der experimenta.
Wissenschaft zum Anfassen, verknüpft mit Spaß und Spiel: Seit 2009 lockt dieses Konzept große und kleine Besucher in das Science Center am Neckar. Seither wurde die experimenta zum größten Science Center Deutschlands ausgebaut. Seit April 2019 können die Besucher nun in vier Ausstellungswelten über 275 Exponate erleben sowie in neun Laboren experimentieren. Darüber hinaus sorgt der Science Dome für Wow-Effekte: In dem Hightech-Kuppelbau präsentiert die experimenta ihren Besuchern speziell produzierte 360-Grad-Filme, Livexperimente, verschiedene Arten von Shows und Wissenschaftstheater.
Eine Teleskop-Kuppel krönt die experimenta
Seit Juli 2019 hat das Science Center noch eine weitere Attraktion zu bieten: Eine Sternwarte auf dem Dach des Hauptgebäudes eröffnet den Besuchern das Reich der Astronomie. Ihr zentrales Element bildet Deutschlands größte All-Sky-Kuppel. Sie beherbergt ein leistungsstarkes Spiegelteleskop sowie ein Linsenteleskop, das mit speziellen Filtern ausgerüstet ist. „Es handelt sich bei der All-Sky-Kuppel um eine besondere Form einer Teleskop-Kuppel“, erklärt Mülheims: „Normalerweise besitzen diese Anlagen nur einen vergleichsweise kleinen Schlitz, durch den das Fernrohr blickt. Die All-Sky-Kuppel kann sich hingegen wie eine Muschel öffnen, sodass die Besucher der Sternwarte den gesamten Himmel betrachten können“.
Mülheims ist einer der beiden hauptamtlichen „Sternwärter“ der experimenta: Er und sein Kollege Markus Emmerich kümmern sich um die Technik, präsentieren Astro-Shows im Science Dome und betreuen abwechselnd die Gruppen aus jeweils zehn Besuchern in der Sternwarte. Die Astrophysiker geben dort Informationen, leisten Hilfestellung bei der Bedienung der Teleskope und beantworten Fragen. „Sie umfassen neben der Astronomie natürlich auch die Raumfahrt oder die Möglichkeit der Existenz außerirdischen Lebens“, sagt Mülheims. Bei all diesen Themen haben die Besucher das Gefühl, dem Himmel ganz nah zu sein: Die geöffnete All-Sky-Kuppel ermöglicht denjenigen, die gerade nicht durch ein Teleskop schauen, einen Panoramablick ins Firmament.
Scharfer Blick auf unseren Heimatstern
Man kann sich allerdings fragen, was es denn bei Tageslicht während der Öffnungszeiten der experimenta in der Sternwarte zu sehen gibt. „Am Tag lässt sich der hellste Stern am Himmel ideal beobachten: die Sonne“, sagt Mülheims. „Unser Heimatstern dient uns dabei auch als Beispiel für die fernen Sterne, die wir nachts nur als Punkte am Firmament erkennen können. Denn bei vielen spielt sich das gleich ab, was wir in unserer Sternwarte auf der Sonnenoberfläche beobachten können“.
Der Blick geht dabei durch das große Linsenteleskop der All-Sky-Kuppel: Die Besucher können abwechselnd die Sonne ins Visier nehmen, während das Gesehene für alle sichtbar auf einem Bildschirm dargestellt wird. „Auch die flach über dem Horizont stehende Wintersonne können wir noch erfassen“, sagt Mülheims. Wie er erklärt, ermöglichen es spezielle Sonnenfilter, gefahrlos in das blendende Licht zu blicken und die lebhaften Strukturen der Sonne zu beobachten. Bestimmte Vorrichtungen ermöglichen außerdem verschieden Darstellungen der Sonne sowie Untersuchungen ihres Lichtspektrums, berichtet der Astrophysiker.
Der Detailblick offenbart dabei spannende Strukturen wie die granulierte Oberfläche unseres Sterns oder die spektakulären Protuberanzen. „Diese Gasauswürfe sind für die Besucher besonders beeindruckend“, sagt Mülheims. Wie er berichtet, gelang am 27. August 2019 die bisher spektakulärste Beobachtung einer Protuberanz: Die Erde hätte fünfmal nebeneinander in die Gaswolke gepasst, die die Sonne über 60.000 Kilometer weit von sich schleuderte.
„Auch Handyfotos können die Besucher als Andenken an ihren persönlichen Blick auf die Sonne mitnehmen“, sagt Mülheims. Außerdem zeichnet sich die Sternwarte der experimenta durch ein weiteres wichtiges Merkmal aus: Sie ist komplett barrierefrei gebaut: Die Konstruktion verfügt über Lifte und die Teleskope bieten spezielle Vorrichtungen, damit auch Rollstuhlfahrer einen Blick ins Firmament werfen können. „Sogar Menschen mit Sehbehinderung können einen Eindruck von der Sonne gewinnen“, sagt Mülheims: Die Sternwarte bietet Sonnen-Abbildungen in tastbarer Braille-Darstellung.
Möglichkeiten für junge Astronomen
Neben der Sonne stehen auch der Mond, die Planeten und die Sterne im Fokus der Teleskope. Nachtveranstaltungen finden bisher allerdings nur bei speziellen astronomischen Ereignissen statt. So stand etwa im Juli 2019 die partielle Mondfinsternis im Visier. Im Juni 2020 könnte dann die Venusabdeckung durch den Mond ein interessantes Ereignis bilden. „Unsere Sternwarte ist nun erst seit einem halben Jahr in Betrieb – wir befinden uns deshalb noch in einer Entwicklungsphase“, betont Mülheims. „Die Nachfrage ist groß und deshalb wollen wir das Angebot nun nach und nach erweitern. Es ist in dem Zusammenhang auch geplant, unsere Möglichkeiten zur Astro-Fotografie auszubauen“, sagt Mülheims.
Denn das Spiegelteleskop bietet Potenzial für spektakuläre Aufnahmen: Seine Auflösung ermöglicht es etwa, Details der Saturnringe oder der Strukturen der Jupiteratmosphäre abzubilden. Und auch über unser Sonnensystem hinaus kann der Blick schweifen: Gasnebel, Galaxien oder Kugelsternhaufen lassen sich bewundern. „So könnte zukünftig immer mehr Bildmaterial entstehen, das wir in der experimenta präsentieren können“, sagt Mülheims.
Dem „Sternwärter“ des Science Centers zufolge ist langfristig auch geplant, Jugendlichen die Möglichkeit zum eigenständigen Forschen in der Sternwarte zu geben – etwa, um an Wettbewerben wie „Jugend forscht“ teilzunehmen. „Die technischen Möglichkeiten bietet unsere Anlage“, so Mülheims. „Man kann beispielsweise Asteroiden ins Visier nehmen oder erfassen, wie schnell sich die Saturnringe drehen“.
In diesem Zusammenhang betont er noch einmal die buchstäblich grundlegende Bedeutung des astronomischen Angebots der experimenta: „Zu anderen Sternwarten gehen Besucher gezielt und sie besitzen häufig bereits Vorkenntnisse und begeistern sich ohnehin schon für Astronomie“, sagt Mülheims. „Die experimenta-Sternwarte besuchen dagegen auch Menschen, die zuvor noch keine astronomischen Erfahrungen gemacht haben“.
Somit kann ein Besuch zum Zündfunken für astronomische Begeisterung werden: „Möglicherweise können wir in einigen Fällen eine Grundlage für den Einstieg in die Hobbyastronomie oder sogar in eine wissenschaftliche Laufbahn schaffen“, sagt der Astrophysiker.
Quellle: experimenta