Wie aus dem kosmischen Staub des frühen Sonnensystems Planeten entstanden, darüber forschen Wissenschaftler seit Jahren. Schwerkraft, sonst immer ein guter Kandidat, wenn es darum geht, Materie zusammen zu halten, scheidet in diesem Fall jedoch aus: Die kosmischen Stürme waren zu stark. Doch was hielt dann die Staubkörner und Gesteinstrümmer zusammen? Amerikanische Forscher könnten jetzt eine „eiskalte“ Antwort darauf gefunden haben.
Wissenschaftler des Pacific Northwest National Laboratory um James Cowin berichten in der aktuellen Ausgabe des Astrophysical Journal von Experimenten, in denen sie die Planetenentstehung im Labor nachvollzogen. Das Ergebnis: Der effektivste Kleber für Mikrometer-kleine Staubpartikel ist ein spezielles, aufgrund seiner Molekülstruktur „klebriges“ Eis. Mit seiner Hilfe erhalten die resultierenden staubigen Schneebälle genügend Festigkeit, um selbst den gewaltigen Kräften der solaren Stürme zu trotzen.
Billardbälle und Flausch-Eis
“Menschen, die das Haftverhalten von Staubteilchen untersucht haben, haben festgestellt, dass die Körner gar nicht kleben”, erklärt James Cowin. „Sie springen auseinander wie zwei Billardbälle nach einem Zusammenstoß. Die Anziehung ist nicht stark genug.“ Cowins Team verbrachte Jahre damit, die chemischen und physikalischen Eigenschaften von atmosphärischem Staub und Wassereis mithilfe verschiedenster Instrumente zu analysieren.
Die Ergebnisse: Die präplanetaren Staubteilchen waren wahrscheinlich entweder von Wassereis bedeckt oder bestanden sogar größtenteils daraus. Das Eis entstand, als Feuchtigkeit bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt kondensierte. „Dieses Eis unterscheidet sich sehr deutlich von Zeug, das wir im Winter von unseren Autoscheiben abkratzen“, erklärt Cowin. „Wir entdeckten, dass das kondensierte Eis bei extrem tiefen Temperaturen spontan elektrische Polarisierungen entwickelt. Durch diese elektrischen Kräfte können die eisigen Körnchen zusammenkleben wie kleine Stabmagneten.“
Klebrigkeit bleibt erhalten
Sein Kollege Martin Iedema stellte fest, dass die hohe Hintergrundstrahlung im frühen Sonnensystem ein solches polarisiertes Eiskörnchen innerhalb von Tagen bis Wochen, vielleicht auch hunderten von Jahren neutralisiert haben müsste – und damit lange bevor sich die Körnchen zu einer für die Planetenentstehung benötigten kritischen Masse zusammenlagern konnten.
Aber auch hier fanden die Forscher eine Antwort: Die Eisteilchen flogen nicht störungsfrei im All herum, sondern kollidierten miteinander, brachen dabei in Stücke und verschmolzen wieder. Dieser Prozess könnte nach Ansicht der Wissenschaftler die Teilchen immer wieder aufgeladen und so ihre „Klebrigkeit“ erhalten haben.
Puffreis im All
Und noch eine Entdeckung unterstützte ihre „Klebeis“-Theorie: „Wir wissen, dass Eis, wenn es bei so kalten Temperaturen entsteht, seine Moleküle nicht in einer wohlgeordneten Art und Weise sortieren kann, es wird auf molekularem Nivea betrachtet eher ‚flauschig’,“ erklärt Cowin und vergleicht die Eiskörner mit Billardbällen aus Puffreis. „Kollidierende Puffreisbälle würden genügend elektrische Kräfte haben, um sie aneinander kleben zu lassen und ihnen ermöglichen, bei Kollisionen in größere Klumpen zu wachsen.“
Um dies zu testen, züchteten die PNNL-Forscher Eis aus Dampf in einer Klimakammer, die urzeitliche Temperaturen und Vakuum lieferte. Mithilfe einer Hochgeschwindigkeitskamera beobachteten sie, wie stark kleine Keramikbälle von der unter unterschiedlichen Bedingungen gezüchteten Eisoberfläche abprallten. Tatsächlich zeigte sich, dass sie von der „Flausch-Eis“-Oberfläche nur um acht Prozent ihrer Fallhöhe zurücksprangen, während dies bei normalem Eis bis zu 80 Prozent waren.
“Diese große Inelastizität bietet einen idealen Weg für flauschige Eiskörnchen, um zusammenzukleben und dann zu Protoplaneten heranzuwachsen”, erklärt Cowin. Er und seine Kollegen spekulieren zudem, dass elektrische Kräfte, allerdings ohne den „flauschigen“ Puffer, auch in der Kindheit der heißen inneren Planeten des Sonnensystems zu Gange gewesen sein könnten. Dabei könnten Silikatkörner die Rolle des Eises übernommen haben.
(DOE/Pacific Northwest National Laboratory, 10.03.2005 – NPO)