Verborgenes Reservoir: Elf Kilometer unter der Marsoberfläche könnte es ein riesiges Vorkommen flüssigen Wassers geben – genug, um den gesamten Mars ein bis zwei Kilometer hoch zu fluten, wie Daten der NASA-Sonde Mars InSight nahelegen. Das Wasser verbirgt sich in Rissen und Poren des zerbrochenen Krustengesteins und könnte aus dem urzeitlichen Ozean des Mars stammen. Für künftige Marsastronauten ist es zwar nicht erreichbar, theoretisch wäre aber denkbar, dass sich dort unten sogar noch marsianisches Leben verbirgt, wie das Team berichtet.
Der Mars ist heute trocken und kalt, doch bis vor gut drei Milliarden Jahren gab es auf ihm noch Flüsse, Seen und sogar einen flachen, großen Ozean. Doch ein Klimawechsel beendete diese lebensfreundliche Ära es Roten Planeten und die Gewässer verschwanden. Aber wohin? Daten von Marssonden legen nahe, dass die polaren Eiskappen des Mars nicht groß genug sind, um das gesamte Wasser des früheren Ozeans zu speichern. Auch die in mittleren Breiten unter der Marsoberfläche liegenden Wassereisvorkommen reichen dafür nicht aus.
Wo aber ist das Wasser des Marsozeans dann geblieben? Bisher gehen die meisten Planetenforscher davon aus, dass der Mars einen Großteil seines Wassers an das Weltall verlor: Wegen des fehlenden Magnetfelds konnte der Sonnenwind Teile der Marsatmosphäre und mit ihr auch Wasser in den Weltraum hinausreißen.
Wasserfahndung in der mittleren Marskruste
Doch es gibt noch eine andere Möglichkeit, wie nun Vashan Wright von der University of California in San Diego und seine Kollegen entdeckt haben. Sie wollten wissen, ob sich das Wasser des Marsozeans vielleicht in der Tiefe der Marskruste verbirgt. Dafür werteten sie Daten von Marsbeben aus, die das Seismometer der NASA-Landesonde Mars Insight aufgezeichnet hat. Diese seismologischen Daten haben bereits verraten, dass es am Standort von Mars InSight bis in rund 300 Meter Tiefe kaum Wasser in der Marskruste gibt.
Wright und seine Kollegen haben nun jedoch in größere Tiefen geschaut. Ihr Fokus lag auf der mittleren Kruste des Mars in 11,5 bis 20 Kilometer Tiefe. „Die Temperaturen auf dem heutigen Mars sind warm genug, um stabil flüssiges Wasser am oberen Rand der mittleren Kruste zu ermöglichen“, erklären die Forscher. Frühere Analysen hatten zudem ergeben, dass dieser Krustenbereich von reichlich Gesteinsporen durchsetzt sein könnte.
Für ihre Studie haben die Wissenschaftler daher gezielt die seismischen Daten analysiert, die Auskunft über die Beschaffenheit der mittleren Kruste des Mars geben. Sie nutzten dafür ein mathematisches Modell der Gesteinsphysik, das auf der Erde zum Auffinden von Ölvorkommen und Grundwasserreservoiren verwendet wird.
Riesiges Reservoir voller Porenwasser
Und tatsächlich: Die Analysen bestätigten zum einen, dass die mittlere Marskruste porös ist – Hohlräume machen demnach rund 17 Prozent des Gesteins aus. Zum anderen aber legen die seismischen Daten nahe, dass die feinen Risse und Poren im Gestein mit flüssigem Wasser gefüllt sind. „Eine mittlere Kruste aus zerbrochenem magmatischem Gestein, das mit flüssigem Wasser gesättigt ist, erklärt die existierenden Daten am besten“, schreiben Wright und seine Kollegen.
Das aber bedeutet: Tief unter der Marsoberfläche könnte es ein riesiges Reservoir flüssigen Wassers geben – sofern die Resultate nicht nur für den Standort der Marssonde, sondern auch für den Rest des Planeten repräsentativ sind. Dann könnte der Mars ein planetenumspannendes Vorkommen von tiefem, in den Gesteinsporen gespeichertem Grundwasser besitzen.
Genug für einen ganzen Ozean
Nach Berechnungen der Forscher könnte es in der mittleren Marskruste genügend Wasser für einen globalen Ozean geben – das Wasser könnte die gesamte Marsoberfläche ein bis zwei Kilometer hoch mit Wasser fluten. Das tiefe Porenwasser-Reservoir könnte auch erklären, wohin das Wasser des urzeitlichen Marsozeans verschwunden ist: „Der Mars muss sein Wasser demnach nicht durch atmosphärische Ausgasung verloren haben“, schreibt das Team.
Stattdessen könnte ein großer Teil des einstigen Marsozeans in der Tiefe der Marskruste versickert sein – und blieb dann als Porenwasser bis heute erhalten. Zwar wäre dieses tiefe Wasserreservoir für künftige Mars-Astronauten und Marsstationen nicht nutzbar, weil keine Bohrtechnik so weit in die Tiefe reicht. Dennoch sei die Existenz eines solchen Aquifers auf dem Mars potenziell bedeutsam, erklären die Wissenschaftler.
Refugium für marsianisches Leben?
„Die Erkenntnis, dass es dort ein großes Reservoir flüssigen Wassers gibt, eröffnet uns ein Fenster in das vergangene Klima des Mars“, sagt Koautor Michael Manga von der University of California in Berkeley. Gleichzeitig repräsentiere das tiefe Reservoir einen Ort, an dem es vielleicht Leben auf dem Mars geben könnte. Denn auch auf der Erde gibt es Mikroben selbst kilometertief im Krustengestein. Diese Tiefe Biosphäre gedeiht trotz Dauerdunkel und Sauerstoffmangel.
Ähnlich könnte es den Forschern zufolge auf dem Mars sein: „Da Wasser eine Voraussetzung ist für Leben, wie wir es kennen, sehe ich nicht, warum das Untergrund-Reservoir des Mars nicht eine lebensfreundliche Umwelt sein sollte“, sagt Manga. „Wir haben zwar noch keinerlei Belege für Leben auf dem Mars entdeckt, aber wir haben nun zumindest einen Ort, der im Prinzip Leben erlauben würde.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2409983121)
Quelle: University of California – Berkeley, University of California – San Diego