Physik

Forscher simulieren Gasriesen-Innenleben

Röntgenlaser-Experiment liefert wichtige Daten für Planetenmodelle

Der Gasplanet Jupiter, aufgenommen von der europäisch-amerikanischen Raumsonde "Cassini-Huygens" © NASA/JPL/Space Science Institute

Wirbelnde Stürme, gewaltiger Druck und eine undurchdringliche Suppe aus kondensierendem Gas: So sehen die unteren Atmosphärenschichten der großen Gasplaneten wie Jupiter und Saturn aus. Deutsche Wissenschaftler haben im Experiment die vermuteten Bedingungen im Inneren dieser Planeten nun teilweise nachgestellt. Mit einem Röntgenlaser zeichneten sie diese in Superzeitlupe auf. Mit ihren im Fachjournal „Physical Review Letters“ veröffentilchten Ergebnissen hoffen sie, existierende Modelle der Gasplaneten zu verbessern.

Die Atmosphäre von Gasplaneten wie dem Jupiter besteht zum großen Teil aus Wasserstoff, dem häufigsten chemischen Element im Universum. Wie es genau im Inneren der Gasriesen aussieht, ist jedoch immer noch unbekannt, es existieren lediglich Modelle. Wissenschaftler nehmen an, dass der Wasserstoff in den Tiefen des Jupiter durch den gewaltigen Druck zunächst flüssig vorliegt. Noch weiter im Inneren des größten Planeten unseres Sonnensystems könnte sogar metallischer fester Wasserstoff vorhanden sein. Solche Bedingungen sind auf der Erde nur schwer nachzustellen, direkte Vergleichsmessungen fehlen daher.

Wissenschaftler um Ulf Zastrau von der Universität Jena haben in einem aufwändigen Experiment am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg dennoch das Innere der großen Gasplaneten zumindest teilweise nachgestellt.

Wasserstoff kondensiert im Kupferblock

„Man weiß experimentell kaum etwas über den Wasserstoff im Inneren solcher Planeten“, erläutert Zastrau. „Auch wenn die theoretischen Modelle schon sehr gut sind. Flüssiger Wasserstoff hat eine Dichte, wie sie den unteren Atmosphärenschichten großer Gasplaneten entspricht.“ Zunächst benötigten die Forscher also flüssigen Wasserstoff, um die Bedingungen eines Gasriesen zu simulieren.

Dazu pressten sie hochreinen Wasserstoff aus einer handelsüblichen Gasflasche durch einen Kupferblock, welcher mit flüssigem Helium gekühlt wird. In dem Kupferblock wird der Wasserstoff tiefgekühlt, wobei er zur Flüssigkeit kondensiert. „Dabei muss die Temperatur sehr genau kontrolliert werden. Wird der Wasserstoff zu kalt, gefriert er und verstopft die Leitung“, sagt DESY-Forscher Sven Toleikis. Am Ende des Kupferblocks ragt eine Düse wie ein Finger in die Vakuum-Experimentierkammer. Aus ihrer Spitze fließt ein feiner Strahl flüssigen Wasserstoffs, der einen Durchmesser von nur einem fünfzigstel Millimeter hat.

In einer billionstel Sekunde auf 12.000 Grad

„Was wir machen, ist Labor-Astrophysik“, erklärt Zastrau. Die Physiker beschossen den Wasserstoffstrahl mit Röntgen-Pulsen aus DESYs Freie-Elektronen-Laser FLASH. Diese Röntgenlaser-Blitze erhitzen zunächst die Elektronen des Wasserstoffs, die nach und nach diese Energie an die etwa 2.000-mal schwereren Protonen abgeben. Die Bindungen der normalerweise aus zwei Atomen bestehenden Wasserstoffmoleküle brechen auf, und es entsteht ein Plasma aus Elektronen und Protonen. Weil die FLASH-Pulse so energiereich sind heizt sich der flüssige Wasserstoff auf einen Schlag von minus 253 Grad Celsius auf rund 12.000 Grad Celsius auf.

Versuchsaufbau an DESYs Röntgenlaser FLASH. © Ulf Zastrau/Universität Jena

„Für die Untersuchung haben wir die einzigartige Möglichkeit von FLASH benutzt, die einzelnen Blitze aufzuteilen“, erläutert Toleikis. „Die erste Hälfte des Blitzes heizt den Wasserstoff auf, mit der zweiten Hälfte lassen sich dann seine Eigenschaften untersuchen.“ Untersucht man das System auf diese Weise zu leicht unterschiedlichen Zeiten, lässt sich in einer Art Superzeitlupe beobachten, wie sich ein thermisches Gleichgewicht zwischen den Elektronen und den Protonen im Wasserstoff einstellt. Die Experimente zeigten, dass dies bereits innerhalb einer billionstel Sekunde geschieht.

Rechenmodelle verfeinern: Der erste Schritt ist gemacht

Wichtige Parameter für die Rechenmodelle zur inneren Atmosphäre der Gasplaneten sind die sogenannten dielektrischen Eigenschaften des Wasserstoffs. Dazu gehören unter anderem die Wärme- und die elektrische Leitfähigkeit, denn in den großen Gasplaneten findet ein starker Wärmetransport von innen nach außen statt.

„Die Untersuchung verrät uns die dielektrischen Eigenschaften des flüssigen Wasserstoffs“, berichtet Philipp Sperling von der Universität Rostock, Ko-Autor der Veröffentlichung. „Wenn man weiß, welche thermische und elektrische Leitfähigkeit die einzelnen Wasserstoffschichten in der Atmosphäre eines Gasplaneten haben, lässt sich daraus das zugehörige Temperaturprofil berechnen.“ Dies verrät viel über die Vorgänge im Inneren der Gasplaneten und soll die existierenden Modelle verfeinern.

Um ein detailliertes Bild der gesamten Planetenatmosphäre zu erstellen, müssen die Wissenschaftler ihre Versuche allerdings noch bei anderen Drücken und Temperaturen wiederholen. Der wichtige erste Schritt ist jedoch gemacht: „Unser Experiment hat uns die Möglichkeiten gezeigt, wie sich dichte Plasmen mit Röntgenlasern untersuchen lassen“, betont Ko-Autor Thomas Tschentscher, wissenschaftlicher Direktor am Röntgenlaser European XFEL. „Diese Methode öffnet den Weg für weitere Untersuchungen, beispielsweise an dichteren Plasmen schwererer Elemente und Gemische, wie sie im Inneren von Planeten vorkommen.“ Auch die teilweise rätselhaften Eigenschaften von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems hoffen die Forscher bald aufklären zu können.

(Physical Review Letters, 2014)

(Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY, 12.03.2014 – AKR)

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