Astronomen haben festgestellt, dass die Galaxien im frühen Universum eher weidenden Kühen ähnelten als hungrigen Tigern: Die meisten Sternenansammlungen wuchsen allmählich, durch Gasaufnahme über lange Zeiträume hinweg. Dies widerspricht der gängigen Theorie von nur kurzzeitig anhaltenden Phasen explosionsartiger Sternbildung – ausgelöst durch die Kollision und Verschmelzung von Galaxien.
„Wir stellen fest, dass diese Art des galaktischen Kannibalismus sehr selten war. Stattdessen sehen wir Belege für ein Galaxienwachstum, bei dem sich eine typische Galaxie von einem stetigen Strom an Gas ernährte und dabei Sterne mit einer sehr viel schnelleren Rate bildete als zuvor gedacht“, sagen die Forscher. Mit Hilfe des NASA-Weltraumteleskops Spitzer untersuchten sie 70 mehr als zehn Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxien erstmals im Infrarotbereich. Das auch Staubwolken durchdringende Infrarotlicht enthüllte eine sechsfach höhere Sternenbildungsrate bei diesen Galaxien, als in früheren Untersuchungen ermittelt. Eine hohe Gasmenge, wie für Verschmelzungen typisch, fehlte jedoch.
Rätsel um Galaxienwachstum im frühen Kosmos
Galaxien sind gewaltige Ansammlungen aus Sternen, Gas und Staub. Das Wasserstoffgas bildet dabei den Rohstoff für die heute eher gemächlich ablaufende Sternbildung: Nur rund zehn neue Sterne pro Jahr entstehen beispielsweise in unserer Milchstraße. Im frühen Universum dagegen müssen sich in kürzester Zeit sehr viel mehr Sterne gebildet haben, um die ersten Galaxien zu bilden.
Woher aber nahmen sie ihren Rohstoff? Der gängigsten Theorie nach wuchsen Galaxien in den ersten Milliarden Jahren nach dem Urknall vor allem durch Kollisionen. Dabei wurde das in ihnen enthaltene Wasserstoffgas verdichtet. Dies führte zu einer explosionsartigen Zunahme der Sternbildung.
Langsames Wachstum statt abrupter Sprünge
Die neuen Daten des Spitzer-Teleskops zeichnen nun ein ganz anderes Bild: Die aus der Zeit von „nur“ einer bis zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall stammenden Galaxien wuchsen offenbar nicht in abrupten Sprüngen. Stattdessen zeigten sie über hunderte Millionen Jahre eine relativ konstante Rate der Sternbildung. Diese lag rund hundertfach höher als in der Milchstraße und anderen nahe liegenden Galaxien.
„Dies ist das erste Mal, dass wir Galaxien identifiziert haben, die wachsen indem sie ‚weiden‘“, sagt der Astronom Hyunjin Shim vom Spitzer Science Center der NASA. „Unsere Studie zeigt, dass das Verschmelzen massereicher Galaxien nicht die dominante Methode des Galaxienwachstums im fernen Universum war“, ergänzt sein Kollege Ranga-Ram Chary, der Hauptautor der Studie. (Astrophysical Journal)
(NASA, 05.07.2011 – NPO)