Uralte Balken: Mithilfe des James-Webb-Teleskops haben Astronomen die bisher fernsten und frühesten Balkengalaxien aufgespürt. Schon vor mehr als zehn Milliarden Jahren gab es demnach im Kosmos Galaxien, die wie unsere Milchstraße einen zentralen Sternenbalken besaßen. Das widerlegt Annahmen, nach denen solche Balken ein Symptom alternder, wenig produktiver Galaxien sind. Stattdessen könnten diese Strukturen die Sternbildung junger Galaxien sogar entscheidend fördern, wie die Forschenden erklären.
Unsere Milchstraße zählt zu den Balkenspiralen: Durch ihr Zentrum verläuft eine gerade Struktur erhöhter Sternendichte, an der die Spiralarme ansetzen. Dieser Balken bildet einen wichtigen Transportweg für Material und fördert die Sternbildung im inneren Bereich der Galaxie. Ähnlich wie die Dichtewellen der Spiralarme rotiert auch er langsam um das galaktische Zentrum. Resonanzeffekte lassen sein Tempo dabei periodisch schwanken.
Wann entsteht ein Balken?
Wann und warum eine Galaxie einen Balken ausbildet, ist jedoch strittig. So sprechen einige Modelle dafür, dass Spiralgalaxien solche Strukturen nur vorübergehend ausbilden – möglicherweise unter dem Einfluss von Schwerkraftturbulenzen durch nahe Nachbargalaxien oder interne Resonanzeffekte. Demnach könnte auch unsere Milchstraße ihren Balken eines Tages wieder verlieren. Anderen Annahmen zufolge sind Balken ein Symptom von alten, nur noch relativ wenige Sterne bildenden Spiralgalaxien – quasi der Anfang vom Ende.
Das Problem: Bisher fehlte den Astronomen die Möglichkeit, auch das Balkenvorkommen junger Galaxien im frühen Kosmos zu untersuchen. Selbst das Hubble-Weltraumteleskop konnte nur wenige Balkengalaxien in Entfernungen von bis rund acht Milliarden Lichtjahren abbilden – und dies nur sehr unscharf. Eine neue Chance, die galaktische Balkenevolution zu erforschen, bietet nun das James-Webb-Weltraumteleskop.
Astronomen um Yuchen Guo von der University of Texas in Austin haben deshalb frühe Galaxien aus den ersten Aufnahmen der Near Infrared Camera (NIRCam) des Teleskops auf Balken hin untersucht.
Früheste bekannte Balkenspiralen
Das Team wurde mehrfach fündig: „Die in den Hubble-Bildern kaum sichtbaren Strukturen stachen in den Webb-Aufnahmen geradezu hervor“, berichtet Guos Kollegin Shardha Jogee. Sechs der neu aufgespürten Balkengalaxien haben sich die Astronomen daraufhin näher angeschaut. Es handelt sich dabei um elliptische Galaxien, die in ihrem Zentrum einen klar erkennbaren, geraden Balken aus dichterem Gas und Sternen aufweisen. Alle sechs Balkengalaxien haben eine aktive Sternbildung und produzieren im Schnitt 21 bis 295 Sonnenmassen an neuen Sternen pro Jahr.
Das Entscheidende jedoch: Diese frühen Balkengalaxien existierten bereits vor acht bis elf Milliarden Jahren. Dies erweitert den Nachweis solcher galaktischen Strukturen in die Vergangenheit. „Zwei Balkengalaxien in unserer Pilotstudie haben Rotverschiebungen von Z=2,13 und z=2,31. Unseres Wissens nach sind damit die bislang ältesten quantitativ identifizierten und charakterisierten Balkengalaxien „, so Guo und seine Kollegen. Trotz ihres Bestehens schon im noch relativ frühen Universum sind die Balken dieser Galaxien schon zwischen 5.400 und 14.000 Lichtjahren lang.
Triebkraft für schnelle Sternbildung
Nach Ansicht der Astronomen bestätigen diese Beobachtungen, dass Balken nicht erst bei alten, heutigen Galaxien auftreten. „Unser Nachweis von Balken in dieser frühen Epoche demonstriert das frühen Auftreten solcher Instabilitäten und stützt Simulationen, nach denen Balken sich in massereichen, langsamen Scheiben schon früh bilden“, erklären Guo und sein Team. Die Balken könnte damit sogar eine entscheidende Rolle für das Heranwachsen junger Galaxien spielen.
„Balken lösen das Nachschubproblem in Galaxien „, erklärt Jogee. „So wie wir Rohmaterialien von den Häfen in die Fabriken im Landesinneren transportieren, bringen die Balken Gas aus den Außenbereichen der Galaxie in den Zentralregion, wo es als Rohstoff für die Sternbildung dient.“ Dadurch kann der innere Bereich einer solchen Galaxie eine zehn bis hundertfach höhere Sternbildungsrate aufweisen als die galaktischen Außenbezirke. „Dies beschleunigte die Sternbildung früher Galaxien“, so Jogee.
Umfassende Bestandsaufnahme folgt
Wie die Astronomen betonen, stellen ihre sechs frühen Balkengalaxien nur einen kleinen Ausschnitt der wahren Häufigkeit dieser galaktischen Strukturen im frühen Kosmos dar. Sie sind bereits dabei, eine umfassendere Bestandsaufnahme früher Balkengalaxien durchzuführen. Dies könnte klären, wie oft junge Galaxien solche Balken ausbilden – und welche Faktoren dies fördern. (The Astrophysical Journal Letters, in press; doi: 10.48550/arXiv.2210.08658)
Quelle: University of Texas at Austin