Astronomie

Früheste Temperaturmessung des Kosmos

Wärme der Hintergrundstrahlung nur 880 Millionen Jahre nach dem Urknall ermittelt

Hintergrundstrahlung
Als die kosmische Hintergrundstrahlung 880 Millionen Jahren nach dem Urknall durch eine kalte Wasserstoffwolke strahlte, hinterließ dies Absorptionslinien im Spektrum – und sie verraten die Temperatur der Strahlung zu diesem Zeitpunkt. © ESA/ Planck Kollaboration, Dominik Riechers/ Universität zu Köln

Blick zurück: Astronomen haben herausgefunden, wie schnell sich die kosmische Hintergrundstrahlung in der Frühzeit des Universums abgekühlt hat. Ihre Temperaturmessung reicht zurück in eine Zeit nur 880 Millionen Jahre nach dem Urknall – so weit wie nie zuvor. Der ermittelte Wert von rund 20 Kelvin stimmt gut mit den Modellen überein und erlaubt damit Rückschlüsse auf die kosmische Expansion und das Verhalten der noch immer rätselhaften Dunklen Energie.

Rund 380.000 Jahre nach dem Urknall machte der junge Kosmos eine entscheidende Wandlung durch: Erstmals kühlte er so weit ab, dass Atome entstanden und sich Strahlung frei ausbreiten konnte – das erste Licht erstrahlte. Durch die Expansion des Kosmos wurde dieses Licht zur Mikrowellenstrahlung gedehnt und ist heute als kosmischer Mikrowellenhintergrund messbar. Er liefert wertvolle Informationen über die Struktur und Prozesse in der Frühzeit des Universums.

CMB
Wie schnell kühlte sich die kosmische Hintergrundstrahlung ab? © MPIA / Planck, D. Riechers / Universität zu Köln

Wie Abkühlung und Expansion zusammenhängen

Eine dieser fundamentalen Fragen ist die nach dem Tempo, mit der sich das junge Universum ausgedehnt hat. Dies könnte unter anderem verraten, ob unsere kosmologischen Modelle richtig sind. Nach diesen ist die Dunkle Energie der Treiber der beschleunigten Ausdehnung des Kosmos. Wie sie aber wirkt und ob sie immer gleich bleibt, ist noch unbekannt. „Wenn es irgendwelche Abweichungen von den erwarteten Trends gibt, könnte das Rückschlüsse auf die Natur der schwer fassbaren Dunklen Energie erlauben“, erklärt Erstautor Dominik Riechers von der Universität Köln.

An diesem Punkt kommt die Hintergrundstrahlung ins Spiel. Denn die kosmische Expansion und die Abkühlung des Mikrowellenhintergrunds hängen linear zusammen. Wenn man in der Zeit kurz nach Freiwerden der Strahlung immer wieder deren Temperatur misst, kann man daher ermitteln, wie schnell die kosmische Ausdehnung ablief. Und genau dies ist nun dem Forschungsteam um Riechers gelungen. Sie haben die Temperatur der Hintergrundstrahlung zum bisher frühesten Zeitpunkt gemessen.

Kalte Wasserstoffwolke als Messhilfe

Für diese kosmische Temperaturmessung nutzten die Astronomen den Northern Extended Millimeter Array (NOEMA) in den französischen Alpen, das leistungsstärkste Radioteleskop der nördlichen Hemisphäre. Mit ihm visierten sie eine kalte Wasserdampfwolke in der rund 13 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie HFLS3 an. Die kalte Wolke wirft eine Art Schatten auf die kosmische Hintergrundstrahlung, der im Lichtspektrum der Strahlung Absorptionslinien hinterlässt.

Diese Spektrallinien geben Aufschluss über den Energiegehalt und damit die Temperatur der Hintergrundstrahlung zu einer Zeit nur rund 880 Millionen Jahre nach dem Urknall. Es ist das erste Mal, dass die Temperatur des kosmischen Mikrowellenhintergrunds in einer so frühen Epoche des Universums gemessen wurde.

NOEMI
Teleskope des Northern Extended Millimeter Array. © IRAM / A.Rambaud

Temperatur bestätigt Modelle

Die Messungen ergaben: In jener frühen Phase hatte die kosmische Hintergrundstrahlung eine Temperatur von 16,4 bis 30,2 Kelvin. Dies stimmt mit der Temperatur von 20 Kelvin überein, die von den kosmologischen Modellen für die Zeit 880 Millionen Jahre nach dem Urknall vorhergesagt wird, wie das Team erklärt. Seit ihrer Freisetzung hatte sich diese Strahlung demnach etwa um den Faktor 1.000 abgekühlt. Dennoch war sie damals noch rund zehnmal wärmer als ihre heutigen 2,728 Kelvin.

„Das ist ein wichtiger Meilenstein, der nicht nur den erwarteten Abkühlungstrend für eine viel frühere Epoche als bisher möglich bestätigt, sondern auch direkte Auswirkungen auf die Natur der schwer fassbaren Dunklen Energie haben könnte“, sagt Koautor Axel Weiß vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. „Wir sehen ein expandierendes Universum, in dem sich die Dichte der Dunklen Energie nicht ändert.“

Hypothesen zur Dunkle Energie widerlegt

Die neuen Messwerte schließen damit einige Hypothesen zum Verhalten der Dunklen Energie aus. Nach diesen könnte die Dunkle Energie im Laufe der Zeit „zerfallen“ und dabei einen Teil ihres Energiegehalts auf die normale Materie und Strahlung im Universum übertragen. Wäre das jedoch der Fall, müsste dies die Abkühlung der kosmischen Hintergrundstrahlung verlangsamen. Ähnliches gilt für einige Hypothesen zur Dunklen Materie, nach denen Dunkle-Materie-Teilchen in Form leichter Axionen ebenfalls die Abkühlung beeinflussen sollen.

Die Tatsache, dass die nun gemessene Temperatur ziemlich genau mit der vom klassischen Modell prognostizierten übereinstimmt, spricht jedoch gegen diese Hypothesen. Für das Astronomenteam ist dies aber erst der Anfang: Sie wollen nun nach weiteren frühen Galaxien mit kalten Wasserstoffwolken suchen und hoffen, dadurch noch weitere Messwerte aus der Anfangszeit des Universums zu erhalten. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-021-04294-5)

Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie, Universität zu Köln

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