Astronomie

Frühestes Schwarzes Loch entdeckt

Supermassereiches Schwarzes Loch existierte schon 570 Millionen Jahre nach dem Urknall

CEERS 1019
Das zentrale Schwarze Loch der Galaxie CEERS 1019 existierte schon 570 Millionen Jahre nach dem Urknall, war aber schon damals rund neun Millionen Sonnenmassen schwer. © NASA/ESA/CSA, Leah Hustak (STScI)

Saat kosmischer Riesen? Astronomen haben das früheste massereiche Schwarze Loch aufgespürt – es existierte schon 570 Millionen Jahre nach dem Urknall, wie Daten des James-Webb-Teleskops belegen. Dieser aktive Galaxienkern war schon neun Millionen Sonnenmassen schwer und damit gut doppelt so massereich wie das zentrale Schwarze Loch unserer Milchstraße – aber eigentlich zu schwer für diese frühe Ära. Wie dieses Schwarze Loch so früh so viel Masse ansammeln konnte, ist rätselhaft.

Sie sind die Giganten des frühen Kosmos – und geben Astronomen Rätsel auf: Beobachtungen zeigen, dass es schon knapp 700 Millionen Jahre nach dem Urknall Quasare gab, deren Schwarze Löcher mehr als 1,5 Milliarden Sonnenmassen schwer waren. Doch wie konnten sie so schnell heranwachsen? Gängiger Theorie zufolge entstehen solche supermassereichen Riesen aus stellaren Schwarzen Löchern, die durch das Verschlingen von Materie und Verschmelzungen allmählich größer werden.

Doch die frühen Quasare hatten für diesen langsamen Prozess nicht genügend Zeit. Wie aber können die frühen Massegiganten dann entstanden sein? Darüber können Astronomen bisher nur spekulieren.

Entstanden die Vorläufer durch direkten Kollaps?

Einem Szenario zufolge könnten solche supermassereiche Schwarzen Löcher durch den Kollaps dichter Plasmawolken gebildet worden sein. Wenn sie unter ihrer eigenen Schwerkraft in sich zusammenfallen, würden daraus direkt massereiche Schwarze Löcher von zehntausenden bis einigen Millionen Sonnenmassen entstehen, so die Annahme. „Diese nach der ersten Generation der Sterne gebildeten massereichen Schwarzen Löcher könnten die Keime der beobachteten frühen Quasarpopulation gewesen sein“, erklären Rebecca Larson von der University of Texas und ihre Kollegen.

Doch wenn dieses Szenario stimmt, dann müssten sich schon im frühen Universum solche „Saat-Löcher“ finden lassen. An diesem Punkt kommt das James-Webb-Weltraumteleskop ins Spiel: Eine seiner Hauptaufgaben ist es, mehr über die Entstehung und das Wachstum früher Galaxien und ihrer Schwarzen Löcher herauszufinden. Die hochauflösenden Infrarot-Optiken des Teleskops können weiter ins frühe Universum zurückblicken als jedes andere Instrument vor ihm und erstmals spektrale Informationen früher Galaxien und anderer Objekte liefern.

Spektrum von CEERS 1019
Die spektrale Breite der von der Galaxie CEERS 1019 eingefangenen Strahlung (weiße Kurve) spricht dafür, dass neben Sternen auch ein aktives Schwarzes Loch zu dieser Strahlung beiträgt. © NASA/ESA/CSA, Leah Hustak (STScI)

„Quasar-Keim“ schon 570 Millionen Jahre nach dem Urknall

Jetzt haben Larson und ihr Team mithilfe des Webb-Teleskops das bisher fernste und damit älteste aktive Schwarze Loch im frühen Kosmos entdeckt. Durch Infrarot-Daten aller vier Teleskop-Instrumente identifizierten die Astronomen eine Galaxie, CEERS 1019, die bereits 570 Millionen Jahre nach dem Urknall existierte. Das Strahlungsspektrum dieser Galaxie spricht dafür, dass in ihrem Zentrum ein aktiver Galaxienkern (AGN) sitzt – ein aktiv Materie verschlingendes massereiches Schwarzes Loch.

Näheren Analysen zufolge ist dieses Schwarze Loch rund neun Millionen Sonnenmassen schwer. Damit ist es nur wenig schwerer als das zentrale Schwarze Loch der Milchstraße und weit kleiner und leichter als die bisher beobachteten frühen Quasare. „Unsere Messungen legen nahe, dass der aktive Galaxienkern in CEERS 1019 von dem masseärmsten Schwarzen Loch angetrieben wird, das bisher aus der Epoche der Reionisierung des Kosmos bekannt ist“, schreiben Larson und ihre Kollegen. Damit haben sie erstmals einen möglichen Quasar-Vorläufer aufgespürt.

„Wissenschaftler wissen schon lange, dass es auch weniger massereiche Schwarze Löcher im frühen Universum gegeben haben muss“, sagt Koautor Dale Kocevski vom Colby College in Maine. „Webb ist das erste Observatorium, dass sie so scharf abbilden kann. Denn mit anderen Teleskopen sehen sie aus wie normale sternbildende Galaxien.“

Wie konnte CEERS 1019 so schnell wachsen?

Das Problem nur: Obwohl das Schwarze Loch von CEERS 1019 im Vergleich zu späteren Quasaren eher schmächtig ist, ist auch seine Masse zu hoch für diese frühe Ära. „Wir stellen fest, dass es ziemlich schwer zu erklären ist, wie ein supermassereiches Schwarzes Loch dieser Masse damals aus einem stellaren Vorläufer herangewachsen sein kann“, konstatieren die Astronomen.

Zwar könnte ein Teil des raschen Wachstums von CEERS 1019 und seines zentralen Schwarzen Lochs auf eine Galaxienverschmelzung zurückgehen: Die Aufnahmen des Webb-Teleskops zeigten in dieser Galaxie nicht nur eine helle Scheibe, sondern gleich drei hellere Klumpen – möglicherweise Relikte einverleibter Nachbarn. Für eine solche Verschmelzung spricht auch die relativ hohe Sternbildungsrate dieser Galaxie, wie das Team erklärt.

Frühe Schwarze Löcher
Neben CEERS 1019 hat das Webb-Teleskop noch zwei weitere frühe Schwarze Löcher ähnlicher Masse entdeckt. © NASA/ESA/CSA, Leah Hustak (STScI)

„Exotische Szenarien“

Doch auch diese Verschmelzung reicht nicht aus, um die Masse des zentralen Schwarzen Lochs von CEERS 1019 zu erklären. Selbst mit genügend „Futter“ müsste es zeitweise mehr Materie verschlungen haben als nach der sogenannten Eddington-Grenze möglich. Denn ab einer bestimmten Menge angesaugter Materie erzeugt diese so viel Strahlung, dass dies das Verschlingen weiteren Materials verhindert – das Schwarze Loch „überfrisst“ sich gewissermaßen.

Möglicherweise könnte das Schwarze Loch in CEERS 1019 daher durch einen direkten Kollaps entstanden sein – konkrete Belege dafür gibt es aber bisher nicht. „Beide Szenarien sind relativ exotisch“, erklären Larson und ihr Team. Sie hoffen nun, dass das James-Webb-Teleskop in naher Zukunft noch weitere Exemplare solcher frühen massereichen Schwarzen Löcher aufspüren wird.

Tatsächlich hat das Teleskop neben CEERS 1019 bereits zwei weitere, von ihrer Masse her sehr ähnliche Schwarze Löcher entdeckt. Allerdings sind diese fast 500 Millionen Jahre jünger. Dennoch sehen die Astronomen dies als gutes Zeichen: Ihrer Ansicht nach ist es nur eine Frage der Zeit, bis das James-Webb-Teleskop noch weitere frühe Quasar-Vorläufer findet und dann mehr über ihre Eigenschaften und mögliche Entstehung verraten kann. (The Astrophysical Journal Letters, 2023, accepted; doi: 10.48550/arXiv.2303.08918)

Quelle: Space Telescope Science Institute

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