Die ersten supermassiven Schwarzen Löcher sind weitaus früher und schneller entstanden als bisher angenommen. Sie bildeten sich vermutlich bereits kurz nach dem Urknall, vor 13 Milliarden Jahren durch die Kollision von Galaxien. Das zeigt eine jetzt in „Nature“ veröffentlichte Studie, in der Forscher mit Computersimulationen die Entstehung von Galaxien und Schwarzen Löchern während der ersten Milliarden Jahre nach dem Urknall modellierten. Die neuen Erkenntnisse können auch dazu beitragen, auch die Entstehung der Gravitation und kosmologischer Strukturen zu verstehen.
Nach aktuellem Kenntnisstand ist das Universum rund 14 Milliarden Jahre alt. Während mehr als zwei Jahrzehnten ging die Wissenschaft davon aus, dass Galaxien hierarchisch wachsen, also durch die Gravitation zuerst kleine Massen zusammengezogen werden und aus diesen dann schrittweise größere Strukturen entstanden sind. Kürzlich fanden Forscher jedoch heraus, dass Galaxien wesentlich früher als bisher angenommen – nämlich bereits innerhalb der ersten Milliarde Jahre – entstanden sind.
Verschmelzung am Beginn des Universums
Jetzt hat ein Forscherteam um Lucio Mayer von der Universität Zürich in Computersimulationen belegt, dass auch die allerersten supermassiven Schwarzen Löcher anders entstehen als bisher angenommen: durch Kollision und Verschmelzung früher Galaxien. Die Wissenschaftler begannen ihre Simulation mit zwei großen primären Galaxien, die aus Sternen bestanden, wie sie für den Beginn des Universums charakteristisch waren. Anschließend simulierten sie die Kollision und das Verschmelzen der Galaxien.
Dank dem Supercomputer «Zbox3» der Universität Zürich und dem «Brutus Cluster» der ETHZ konnten die Forscher in bis jetzt nie gekannter Hochauflösung beobachten, was als nächstes geschah: Zuerst kondensierten Gase und Staub im Zentrum der neuen Galaxie und formten dort eine dichte Scheibe. Diese wurde instabil, so dass die Gase und der Staub erneut kontrahierten und eine noch dichtere Region bildeten. Aus dieser entstand schließlich ein supermassives Schwarzes Loch ohne zuerst einen Stern zu bilden.
Nicht-hierarchische Bildung von Großstrukturen
«Unser Resultat zeigt, dass große Strukturen wie Galaxien und massive Schwarze Löcher in der Geschichte des Universums schnell entstanden sind“, erklärt Mayer. „Auf den ersten Blick erscheint dies als Widerspruch zur Standardtheorie mit kalter Dunkler Materie, welche die hierarchische Bildung von Galaxien beschreibt.» Das scheinbare Paradox ist jedoch laut Mayer erklärbar: «Normale Materie, aus welcher der sichtbare Teil der Galaxien und supermassive Schwarze Löcher aufgebaut sind, kollabiert stärker als Dunkle Materie. Sie formt schnell supermassive Galaxien in den dichtesten Regionen des Universums, wo die Gravitation zuerst Strukturen bildet. Dies ermöglicht die scheinbar nicht- hierarchische Bildung von Galaxien und Schwarzen Löchern.»
Milchstraße entstand anders
Kleine Galaxien jedoch – wie beispielsweise unsere eigene Galaxie, die Milchstraße, und ihr vergleichsweise kleines Schwarze Loch im Zentrum – sind langsamer entstanden. Dieses ist mit etwa einer Million Sonnenmassen deutlich kleiner als die eine Milliarde Sonnenmasse, welche die simulierten Schwarzen Löcher wiegen. Wie Mayer erläutert, würden die Galaxien ihrer Simulation in der Realität zu den größten heute bekannten Galaxien zählen, sie wären rund hundertmal größer als die Milchstraße. Um eine solche aus einer Kollision hervorgegangene Riesengalaxie handelt es sich wahrscheinlich bei unserer Nachbargalaxie M87 im Virgo-Galaxienhaufen, rund 54 Millionen Lichtjahre von uns entfernt.
Wellen im Raum-Zeit-Gefüge
Für die Kosmologie haben die neuen Erkenntnisse Konsequenzen: Die Annahme, dass die Eigenschaften von Galaxien und die Masse des Schwarzen Lochs miteinander in Beziehung stehen, weil sie parallel wachsen, wird revidiert werden müssen. In Mayers Modell wächst das Schwarze Loch viel schneller als die Galaxie. Es ist somit denkbar, dass das Schwarze Loch nicht durch das Wachstum der Galaxie reguliert wird. Vielmehr könnte sein, dass die Galaxie durch das Wachstum des Schwarzen Lochs reguliert wird.
Mayer und seine Kollegen vermuten, dass ihre Forschung auch für die Physiker nützlich sein wird, die Gravitationswellen nachweisen und damit den direkten Beweis von Einsteins Relativitätstheorie liefern wollen. Gemäß Einstein muss die Verschmelzung von supermassiven Schwarzen Löchern massive Gravitationswellen verursacht haben, Wellen im Raum-Zeit-Kontinuum, deren Überreste noch heute messbar sein sollten. Die Projekte LISA und LISA Pathfinder der ESA und NASA, an denen auch Physiker der Universität Zürich beteiligt sind, wollen solche Gravitationswellen nachweisen. Um die künftigen Messresultate korrekt interpretieren zu können, ist es wichtig, die Entstehung von supermassiven Schwarzen Löchern in der Frühzeit des Universums zu verstehen.
(Universität Zürich, 26.08.2010 – NPO)