Geowissen

Gammastrahlenausbruch veränderte die Erdatmosphäre

Explosion in zwei Milliarden Lichtjahren Entfernung hatte Folgen für die Ionosphäre

Gammastrahlenausbruch
Im Oktober 2022 traf einer der stärksten je detektierten Gammastrahlenausbrüche die Erde – mit Folgen für die irdische Ionosphäre. © ESA/ATG Europe, CC-by-sa 3.0 IGO

Von wegen sichere Distanz: Selbst eine kosmische Explosion in zwei Milliarden Lichtjahren Entfernung kann messbare Effekte auf die Erdatmosphäre haben, wie Astronomen festgestellt haben. Als der Gammastrahlenausbruch GRB 221009A im Oktober 2022 die Erde traf, war er nicht nur das hellste jemals detektierte Ereignis dieser Art, er verursachte auch messbare Veränderungen in der irdischen Ionosphäre – trotz der enormen Entfernung des Ereignisses. Dies demonstriert, dass selbst weiter entfernte Supernovae und andere kosmische Explosionen Auswirkungen auf die Erde haben können.

Eine Supernova in unmittelbarer Nähe unseres Sonnensystems könnte für die irdische Lebenswelt dramatische Folgen haben: Die energiereiche Strahlung einer solchen Sternexplosion würde die Ozonschicht zerstören, das Klima verändern und ein Massenaussterben verursachen. Allerdings müsste die Supernova uns dafür näher als 150 Lichtjahre sein. Größere Störungen der Atmosphäre und Lebenswelt wären wahrscheinlich noch bis in rund 300 Lichtjahren Entfernung zu erwarten, wie Studien nahelegen.

Elektronendichte
Elektronendichte der Ionosphäre über Europa vor (oben) und während des Gammastrahlenausbruchs. © Piersanti et al./ Nature Communications, CC-by 4.0

Ein rekordträchtiger Gammastrahlenausbruch

Doch wie sich nun zeigt, kann auch eine viel weiter entfernte Explosion messbare Auswirkungen auf die Erdatmosphäre haben. Demonstriert hat dies ein Gammastrahlenausbruch, der am 9. Oktober 2022 die Erde traf. GRB 221009A hielt zwar nur rund 13 Minuten an, seine energiereiche Strahlung war aber so stark, dass sie Detektoren weltweit übersättigte. „Dies war wahrscheinlich der hellste Gammastrahlenausbruch, den wir jemals detektiert haben“, sagt Erstautor Mirko Piersanti von der Universität von Aquila.

Nähere Analysen ergaben, dass sich dieser Gammastrahlenausbruch in einer zwei Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie ereignete. Weil aber der Strahlenkegel der kosmischen Explosion direkt auf das Sonnensystem zeigte, war er beim Eintreffen an der Erde noch immer ungewöhnlich energiereich. Die Ursache dieses rekordträchtigen Ausbruchs ist jedoch noch immer unbekannt.

Spurensuche in der Ionosphäre

Piersanti und sein Team sind jedoch einer ganz anderen, weit irdischeren Frage nachgegangen: Sie haben untersucht, ob GRB 221009A trotz der enormen Entfernung vom Ausgangsort Folgen für die Erdatmosphäre und im Speziellen die Ionosphäre hatte. Diese in 50 bis 950 Kilometer Höhe liegende Schicht ist von geladenen Teilchen geprägt und spielt eine wichtige Rolle auch für Satelliten- und Funkverkehr. Denn die Dichte der Ionosphäre beeinflusst unter anderem die Laufzeit von GPS-Signalen und dient als Reflektor für irdischen Funkwellen.

Die Astronomen um Piersanti haben nun untersucht, ob sich der Gammastrahlenausbruch GRB 221009A auf die Ionosphäre ausgewirkt hat. Ein solcher Effekt wird schon länger vermutet, eindeutig nachgewiesen werden konnte er jedoch bisher nicht – möglicherweise weil vergangene Ausbrüche nicht stark genug waren. Das Team wertete dafür Daten verschiedener Satelliten und des europäischen Weltraumteleskops Integral aus

Drastischer Anstieg der Ionisierung

Und tatsächlich: „GRB 221009A hatte tiefgreifenden Einfluss auf die Leitfähigkeit der irdischen Ionosphäre“, berichten die Astronomen. „Das Ereignis erzeugte eine starke Störung sowohl in der unteren Ionosphäre als auch in rund 500 Kilometer Höhe.“ Konkret verursachte der Einstrom der energiereichen Strahlung einen drastischen Anstieg der ionisierten Teilchen und löste dadurch starke Veränderungen im elektrischen Feld dieser Atmosphärenschicht aus.

„Bemerkenswert daran ist, dass diese Störung selbst die untersten Schichten der Ionosphäre traf, nur wenige Dutzend Kilometer über der Erdoberfläche“, kommentiert die nicht an der Stude beteiligte Physikerin Laura Hayes von der Europäischen Weltraumagentur ESA. „Der Ausbruch hinterließ eine Störung, die mit der eines starken Strahlenausbruchs auf der Sonne vergleichbar ist.“ Während jedoch solche solaren Flares nur rund acht Lichtminuten zur Erde zurücklegen, war die Strahlung von GRB 221009A zwei Milliarden Lichtjahre zu uns unterwegs.

Selbst entfernte kosmische Ereignisse können Folgen haben

Nach Ansicht der Astronomen bestätigt dies, dass selbst weit entfernte kosmische Ereignisse Auswirkungen auf die Erde haben können. „Es gibt eine große Diskussion darüber, welche möglichen Folgen ein Gammastrahlenausbruch in unserer eigenen Galaxie haben könnte“, sagt Piersanti. Die Auswirkungen von GRB 221009A zeigen, dass eine solche Explosion die Erdatmosphäre heftig treffen könnte, selbst wenn es sich am anderen Ende der Milchstraße ereignet. Im schlimmsten Fall wäre dann nicht nur die Ionosphäre betroffen, sondern auch die für den UV-Schutz wichtige Ozonschicht.

Tröstlich immerhin: Gammastrahlenausbrüche von der Intensität des Ereignisses im Oktober 2022 kommen nach Schätzungen von Astronomen nur rund einmal alle 10.000 Jahre vor. Noch nähere und stärkere kosmische Explosionen ereignen sich nur alle paar Millionen Jahre. (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-42551-5)

Quelle: Nature Communications, European Space Agency

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