Ausnahme-Erscheinung oder Regelfall? Eine Nova sorgte mit einem Gammastrahlen-Ausbruch vor einigen Jahren für Überraschung unter Astronomen. Nun zeigt sich: Die Gammastrahlen-Nova ist gar nicht so außergewöhnlich. Gleich drei weitere Sternenexplosionen dieser Art schickten die hochenergetische Strahlung ebenfalls ins All, berichten Astronomen im Journal „Science“. Damit könnte diese Sorte Strahlung ein normaler Bestandteil der klassischen Novae sein.
Vom lateinischen „Stella nova“ – neuer Stern – leitet sich die Bezeichnung „Nova“ ab: Ein Stern, der plötzlich neu am Himmel auftaucht. Dabei handelt es sich jedoch nicht tatsächlich um neue Sterne: Eine klassische Nova ensteht, wenn ein Weißer Zwergstern in einem Doppelsternsystem ausreichend Materie von seinem Begleitstern abzieht, um eine neue thermonukleare Explosion auf seiner Oberfläche zu zünden. Die Helligkeit des Sterns nimmt dabei für einen Zeitraum von einigen Tagen oder Wochen deutlich zu, so dass manchmal auch zuvor unsichtbare Sterne plötzlich hell erstrahlen. Solche astronomischen Ereignisse sind gar nicht so selten: Pro Jahr kommen sie etwa 30 bis 50 Mal in unserer Milchstraße vor.
Überraschende Hoch-Energie Nova
Da die Novae so häufig sind, sind sie recht gut untersucht – dachte man bislang. Bereits vor etwa vier Jahren sorgten Messungen mit dem Fermi-Weltraumteleskop jedoch für eine Überraschung: Das Doppelsternsystem V407 Cygnus sandte bei einem Nova-Ausbruch neben dem normalen Licht auch hochenergetische Gammastrahlung aus. Es stellte damit zunächst eine weitere rätselhafte Gammastrahlen-Quelle dar. „Bis dahin hatte niemand die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass auch Novae Teilchen in den Gigaelektronenvolt-Bereich beschleunigen könnten und damit im Lichte der Gammastrahlung sichtbar sein würden“, sagt Olaf Reimer von der Universität Innsbruck.
Dass solche Gamma-Ausbrüche bei Novae keine Ausnahme sind, bestätigten nun weitere Daten des Fermi-Teleskops. Drei weitere Gammastrahlen-Nova ereigneten sich in den Jahren 2012 und 2013. Diese Bestätigung ist vor allem wichtig, weil die Nova von V407 Cygnus selbst ein Ausnahmefall zu sein scheint: Die beiden Partnersterne umkreisen sich hier viel enger als bei klassischen Novae. Außerdem ist der Materiespender ein Roter Riese, von dem ausgesprochen viel Material zu seinem Partnerstern fließt. Dadurch kommt es zu wesentlich häufigeren Ausbrüchen im Bereich von Jahrzehnten statt Jahrhunderten.
Die drei neueren beobachteten Novae V1324 Sco, V959 Mon, und V339 Del jedoch gehören alle zum ansonsten vergleichsweise unspektakulären klassischen Typ. Sie fanden in den Sternbildern Skorpion, Einhorn und Delphin statt. Bemerkenswerterweise ähneln sie sich in vielerlei Hinsicht: Die beobachteten Spektren und Energien der Gammastrahlung sind sehr ähnlich. Bei allen Strahlungsausbrüchen hielt die Gammastrahlenemmission zwei bis drei Wochen an, begann aber erst einige Tage, nachdem die Novae im sichtbaren Licht bereits sichtbar waren.
Gammastrahlen bei allen klassischen Novae?
„Wir können nun die Hypothese wagen, dass alle klassischen Novae mit hochenergetischer Gammastrahlenemission einhergehen“, so Reimer. Der große Unterschied zwischen den zahlreichen Beobachtungen im sichtbaren Licht und den vier Novae im Gammastrahlenbereich über einen Zeitraum von etwa fünf Jahren erklärt sich aus der Empfindlichkeit der Teleskope bei verschiedenen Wellenlängen. So werden die Novae im Gammastrahlenbereich nur aus dem vergleichsweise geringen Abstand von neun- bis fünfzehntausend Jahre Lichtjahren zu unserer Erde beobachtet. Die typischen Raten von mehreren Dutzend Novae pro Jahr ereignen sich jedoch über die ganze 100.000 bis 120.000 Lichtjahre durchmessende Milchstraße verteilt.
Welche physikalischen Prozesse die Gigaelektronenvolt-Gammastrahlung in Novae produzieren, können die Wissenschaftler noch nicht eindeutig sagen. „Leider kennen wir die Bedingungen aber nicht gut genug oder beobachten noch nicht präzise genug, um dies bereits entscheiden zu können“, sagt Reimer. Mit den jüngsten Beobachtungen des Fermi Gammastrahlen-Teleskops hat allerdings der exklusive Klub der extremen Hochenergiequellen im All gleich mehrere neue Mitglieder erhalten.
(Science, 2014; doi: 10.1126/science.1253947)
(Universität Innsbruck, 01.08.2014 – AKR)