Ein Jahr dauert nur 16 Stunden: Astronomen haben einen extrasolaren Gasriesen entdeckt, der seinen Stern näher umkreist als jeder andere. Der „heiße Jupiter“ ist nur 2,6 Millionen Kilometer von seinem Stern entfernt und braucht für einen Umlauf nur 0,6 Tage. Diese Nähe hat Folgen: TOI-2109b ist der zweitheißeste je entdeckte Planet und seine Umlaufbahn schrumpft durch die stellare Anziehung schneller als bei jedem anderen bekannten Exoplaneten.
Heiße Jupiter sind die Extremisten unter den Exoplaneten: Diese Gasriesen umkreisen ihre Muttersterne so nah, dass auf ihnen höllische Bedingungen herrschen. Bei Oberflächen-Temperaturen von bis zu 4.000 Grad verdampfen selbst Metalle wie Eisen oder Titan und Moleküle werden in ihre atomaren Bestandteile zerrissen. Einige dieser Planeten sind durch die Anziehungskraft ihres Sterns aufgebläht und ausbeult, auch der Orbit einiger dieser Gasriesen verkürzt sich durch die Sternenschwerkraft zusehends.
Verräterische Abschattungen
Einen besonders höllischen Vertreter dieser Extremisten haben nun Astronomen um Ian Wong vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) entdeckt. Bei Beobachtungen eines rund 860 Lichtjahre entfernten sonnenähnlichen Sterns mit dem TESS-Weltraumteleskop, fielen ihnen periodische Schwankungen in der Helligkeit des Sterns auf – Hinweise auf den Transit eines Planeten vor dem Stern. Ergänzende Beobachtungen mit erdbasierten Teleskopen bestätigten dies: Der Stern TOI-2109 hat einen Planeten.
„Wir merkten aber, dass wir es hier mit etwas sehr Spannendem und relativ Seltenem zu tun hatten“, sagt Koautor Avi Shporer vom MIT. Die Lichtkurven legten nahe, dass dort ein Gasriese von etwa der 1,3-fachen Größe des Jupiter und der fünffachen Jupitermasse seinen Stern sehr eng umkreist – es handelte sich demnach um einen heißen Jupiter.
Kürzester Orbit und zweithöchste Temperatur
Außergewöhnlich ist jedoch, wie eng der Gasriese seinen Mutterstern umkreist: Für einen Umlauf benötigt er nur 0,6 Tage – ein Jahr dauert bei ihm nur rund 16 Stunden. „TOI-2109b hat damit die kürzeste Umlaufzeit aller bisher entdeckten Gasriesen“, berichten die Astronomen. Kein anderer Exoplanet dieser Größe kommt seinem Stern bis auf nur 2,6 Millionen Kilometer nahe. Dies entspricht gerade einmal 0,017 astronomischen Einheiten und damit nicht einmal zwei Prozent der Entfernung zwischen Erde und Sonne.
Das hat Folgen: Weil der nahe Stern rund 50 Prozent größer und massereicher ist als unsere Sonne, bekommt TOI-2109b entsprechend viel Strahlung und Hitze ab. Die Astronomen ermittelten, dass die Temperatur auf der Tagseite des gebunden rotierenden Planeten bei rund 3.650 Kelvin liegt – rund 3.350 Grad Celsius. Er ist damit nach KELT-9b der zweitheißeste jemals entdeckte Exoplanet.
„Ultraheiße Jupiter wie TOI-2109b bilden die extremste Unterklasse der Exoplaneten“, erklärt Wong. „Wir beginnen gerade erst zu verstehen, welche einzigartigen chemischen und physikalischen Prozesse in ihren Atmosphären ablaufen. Denn in unserem eigenen Sonnensystem gibt es nichts Vergleichbares.“
Planet spiralt immer näher zum Stern
Die große Nähe zum Stern hat aber noch weitere Konsequenzen: Die Forscher vermuten, dass die starke Anziehungskraft des Sterns den Planeten bereits deutlich verformt und seine Gashülle vor allem entlang des Äquators ausbeult. Ohne seine hohe Dichte wäre TOI-2109b möglicherweise schon längst von den extremen Kräften zerrissen worden. „Die große Masse des Planeten sorgt dafür, dass er trotz seines extrem engen Orbits nicht unmittelbar von einer Gezeiten-Disruption bedroht ist“, erklären Wong und sein Team.
Dafür droht TOI-2109b eine andere Gefahr: Die enorme Anziehungskraft seines Sterns zieht den Planeten immer näher heran und verkürzt so seine Umlaufbahn um bis zu 740 Millisekunden pro Jahr. Das klingt zwar nicht viel, ist aber die höchste Rate des orbitalen Verfalls, die je bei einem Exoplaneten gemessen wurde, wie die Astronomen berichten. Selbst der 2020 entdeckte Gasriese WASP-12b spiralt langsamer auf seinen Stern zu.
„In unserer Lebenszeit werden wir zwar nicht erleben, wie TOI-2109b in seinen Stern fällt“, sagt Wong. „Aber in zehn Millionen Jahren könnte der Planet schon verschwunden sein.“
Noch immer rätselhaft
Die Astronomen hoffen, dass weitere Beobachtungen noch mehr über die Merkmale und das Schicksal des ungewöhnlichen Exoplaneten TOI-2109b verraten werden. Diese Chance könnten unter anderem die leistungsstarken Optiken des Hubble-Weltraumteleskops bieten, aber auch künftige Weltraumteleskope wie das im Dezember 2021 startende James Webb Space Telescope.
Möglicherweise liefern diese Beobachtungen dann auch weitere Hinweise darauf, wie die heißen Jupiter überhaupt so nah an ihre Sterne herankamen. Denn gängiger Annahme nach bilden sich große Gasplaneten eher in den Außenbereichen der protoplanetaren Scheiben. „Von Beginn der Exoplaneten-Forschung an waren die heißen Jupiter Sonderlinge“, erklärt Shporer. Denn es ist noch völlig unklar, wie diese so massereichen und großen Planeten in ihre jetzigen Orbits gelangt sind. (The Astronomical Journal, 2021; doi: 10.3847/1538-3881/ac26bd)
Quelle: Massachusetts Institute of Technology