Extragalaktischer Ursprung: Ein Großteil des Goldes in unserer Milchstraße könnte ursprünglich woanders entstanden sein – in uralten Zwerggalaxien, die später von der Milchstraße verschluckt wurden. Vor mehr als zehn Milliarden Jahren fanden demnach in diesen Zwerggalaxien Neutronensternkollisionen statt, in denen Gold, Platin und andere schwere Metalle entstanden. Aus diesem Material bildeten sich wiederum goldreiche Sterne und Planeten, die heute Teil unserer Milchstraße sind, wie Astronomen berichten.
Die Bildung von Gold, Platin und anderen schweren Elementen gibt schon länger Rätsel auf. Denn Atome schwerer als Eisen können meist nicht in normalen Sternen und Supernovae entstehen, sondern erfordern einen schnellen Neutroneneinfang, den sogenannten r-Prozess. Dabei werden Atome in extrem energiereichen, neutronendichten Umgebungen so durch schnelle Neutronen bombardiert, dass die Atomkerne heranwachsen und Protonen entstehen. Als Folge bildet sich ein neues, schweres Element.
Rätsel um Urheber des Goldes
Das Problem jedoch: Wo dieser r-Prozess stattfindet, ist bisher erst in Teilen geklärt. Theoretische Modelle legen zwar nahe, dass Gold, Platin und Co vornehmlich bei der Kollision von Neutronensternen entstehen. In den Strahlungsspektren der einzigen bisher direkt beobachteten Neutronensternkollision ließen sich aber kaum Signaturen schwerer Elemente finden. Zudem gibt es in unserer Galaxie fünfmal mehr Gold als allein durch die relativ seltenen Neutronensternkollisionen erklärt werden kann.
Hinzu kommt: Viele alte Sterne aus der Anfangszeit der Milchstraße sind goldreich, obwohl damals nur wenige Neutronensterne und noch weniger Kollisionen dieser Sternrelikte existierten. Wie diese größtenteils im Halo der Milchstraße liegenden Sterne zu ihren schweren Metallen kamen, ist daher ebenso rätselhaft wie umstritten. Einige Astronomen vermuten, dass auch bestimmte superleuchtstarke Supernovae, explodierende Weiße Zwerge oder vielleicht das Umfeld Schwarzer Löcher die schweren Atome produziert haben.
Chemische Geschichte der Milchstraße rekonstruiert
Jetzt könnten Astrophysiker um Shinya Wanajo vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik die Herkunft der goldreichen Sterne geklärt haben. Für ihre Studie hatten sie die chemische Entwicklung der Milchstraße, ihres Halo und ihrer Satellitengalaxien auf Basis astronomischer Daten und einer aufwendigen numerischen Simulation rekonstruiert. „Unser Ziel war es herauszufinden, ob Neutronensternkollisionen die einzigen r-Prozess-Orte in den verschiedenen Teilen der Milchstraße sein können“, so das Team.
Die mehrere Monate lang auf einem leistungsstarken Supercomputer in Japan gerechnete Simulation rekonstruiert die Elemententwicklung der Milchstraße und ihrer Begleiter vom Urknall bis heute. Dank ihrer hohen zeitlichen Auflösung kann sie die Kreisläufe der in Sternen und ihren Relikten gebildeten Elemente präzise nachvollziehen. Die Astronomen testen dabei gezielt, welche Beiträge Hypernovae, Supernovae-Typ1a und Neutronensternkollisionen dazu geleistet haben können.
Gold entstand in galaktischen Nachbarn
Das überraschende Ergebnis: Die alten, goldreichen Sterne der Milchstraße kommen gar nicht aus unserer eigenen Galaxie. Sie entstanden ursprünglich in kleinen, benachbarten Zwerggalaxien. Dort gab es schon vor mehr als zehn Milliarden Jahren genügend Neutronensternkollisionen, um schwere Atome wie Gold, Platin und andere Elemente zu erzeugen. Diese schweren Elemente reicherten sich dann im interstellaren Medium der Zwerggalaxien an und ermöglichen die Bildung goldreicher Sterne.
Erst als dann die heranwachsende Milchstraße mit diesen Zwerggalaxien kollidierte und sie in sich aufnahm, gelangten diese Sterne und mit ihnen die schweren Elemente in unsere Heimatgalaxie. „Wir haben festgestellt, dass die meisten goldreichen Sterne der Milchstraße vor mehr als zehn Milliarden Jahren in Zwerggalaxien gebildet wurden“, berichtet Koautor Yutaka Hirai von der Tohoku Universität in Japan. „Diese uralten Zwerggalaxien waren die Bausteine der Milchstraße.“
Neutronensternkollision als vorherrschende Quelle
Diese Ergebnisse könnten einige Eigenheiten in der Elementzusammensetzung der alten Sterne im Milchstraßen-Halo erklären. Gleichzeitig sprechen sie nach Ansicht der Forscher dafür, dass exotische Supernovae nur eine untergeordnete Rolle für die Bildung der schweren Elemente in diesen goldreichen Sternen gespielt haben. „Auf Basis unserer Resultate argumentieren wir, dass Neutronensternkollisionen die vorherrschende Quelle der r-Prozess-Elemente in der Geschichte der Milchstraße und ihrer Satelliten gewesen sind“, konstatieren Wanajo und seine Kollegen.
Allerdings räumen die Wissenschaftler auch ein, dass ihre Rekonstruktion auf einer Reihe von vereinfachenden Vorannahmen beruht. „Wir brauchen daher weitere Fortschritte sowohl in theoretischen Studien wie bei den astrophysikalischen Beobachtungen, um die Herkunft der r-Prozess-Elemente eindeutig zu bestimmen.“ (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2022; doi: 10.1093/mnras/stab1655)
Quelle: Royal Astronomical Society