Physik

Gravitation: Alternative zu Einstein?

Physiker testen alternative "Chamäleon"-Theorie erstmals in einer Galaxiensimulation

Galaxie
Diese Galaxie entstand in einer Simulation unter den Bedingungen einer modifizierten Relativitätstheorie, bei der sich die Gravitation mit der Materiedichte verändert (links Aufsicht, rechts Seitenansicht). © Christian Arnold, Baojiu Li/ Durham University

Veränderliche Gravitation? Physiker haben erstmals die Gültigkeit einer alternativen Version der Allgemeinen Relativitätstheorie für die Galaxienbildung getestet. Demnach wäre die Gravitation im Gegensatz zu Einsteins Modell nicht konstant, sondern würde sich je nach Materiedichte verändern. Die neue Simulation belegt, dass selbst unter diesen Umständen die bekannten Galaxienformen und -eigenschaften zustande kommen können, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Astronomy“ berichten.

Die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein bildet bis heute die Grundlage unseres physikalischen Weltbilds. In ihr beschrieb er die Gravitation und ihre Wirkungsweise auf völlig neue Art – als eine direkte Folge der Raumzeit-Geometrie. Seither hat Einsteins Theorie ihre Gültigkeit in unzähligen Tests bewiesen, sei es in der Gravitations-Rotverschiebung, beim Äquivalenzprinzip und auch in extragalaktischen Skalen.

Gravitation als „Chamäleon“

Allerdings gibt es auch Aspekte, die die Allgemeine Relativitätstheorie bisher nicht erklären kann, dazu gehört unter anderem das Phänomen der Dunklen Energie – einer geheimnisvollen Kraft, die das Universum zu immer schnellerer Ausdehnung treibt. Unter anderem deshalb haben Physiker in den letzten Jahren verschiedene Erweiterungen für Einsteins Feldgleichungen entwickelt.

Diese sogenannte f(R)-Gravitation, auch Chamäleon-Theorie genannt, geht im Gegensatz zu Einstein davon aus, dass die Wirkung der Gravitation nicht konstant ist, sondern sich je nach Umgebung ändert. „Dadurch erhöht sich die Gravitation bis zu 4/3 in Umgebungen mit geringer Materiedichte, während Regionen mit hohem Gravitationspotential von dieser Verstärkung abgeschirmt sind“, erklären Christian Arnold von der Durham University und seine Kollegen.

Der Clou dabei: Dieser Mechanismus erlaubt es unter anderem, die beschleunigte Expansion des Universums zu erklären, ohne dass man eine Dunkle Energie benötigt.

Galaxienbildung unter f(R)-Gravitation

Bisher jedoch ließ sich die Gültigkeit der „Chamäleon“-Theorie nur in Bezug auf das Sonnensystem überprüfen – in diesem relativ kleinen Maßstab kann sie die physikalischen Gegebenheiten ebenso gut erklären wie die Allgemeine Relativitätstheorie. Wie es aber in größeren Skalen aussieht, konnten Forscher aufgrund der enormen Komplexität der dafür nötigen Simulationen nicht vollständig ermitteln – es fehlt schlicht an Rechenleistung.

Jetzt haben Arnold und sein Team erstmals eine solche Simulation der Chamäleon-Theorie für einen entscheidenden Prozess im Kosmos durchgeführt – die Entwicklung von Galaxien. Dabei testeten sie, ob sich auch unter zwei verschiedenen Varianten der f(R)-Gravitation die gleichen galaktischen Parameter bilden wie unter Einsteins Relativitätstheorie. In ihren Simulationen berücksichtigten sie dabei auch die komplexe Wechselwirkung der zentralen supermassereichen Schwarzen Löcher mit der umgebenden Galaxie und ihrer Sternbildungsrate.

Test bestanden

Das Ergebnis: „Zum ersten Mal zeigen wir in unseren Simulationen, dass Galaxien mit Spiralarmen sich selbst dann bilden, wenn man die Gravitation verändert“, konstatiert Arnold. Sowohl in Bezug auf die stellaren Massenverhältnisse als auch bei der Sternbildungsrate und der Gasdichte entsprachen die unter f(R)-Gravitation entstandenen Galaxien den typischen, im All beobachteten Parametern und auch denen einer Kontrollsimulation mit Allgemeiner Relativitätstheorie.

„Unsere Ergebnisse besagen damit nicht, dass die Relativitätstheorie falsch ist, aber sie zeigen, dass dies nicht der einzige Weg ist, um die Rolle der Gravitation bei der Entwicklung des Universums zu beschreiben“, sagt Arnold. Demnach könnte sich die Gravitationswirkung durchaus je nach Umgebung leicht verändern – dennoch würde der Kosmos zumindest im Hinblick auf seine Galaxien kaum anders aussehen.

Weitere Studien nötig

Noch allerdings hat die f(R)-Gravitation ihre Gültigkeit damit in nur einem, wenn auch zentralen Aspekt der kosmischen Entwicklung bewiesen, wie auch die Forscher einräumen. „Auch wenn unsere Resultate vielversprechend sind, in einigen Fällen, beispielsweise dem neutralen Wasserstoff, ist die Forschung noch sehr unvollständig – selbst in Bezug auf die Allgemeine Relativitätstheorie“, so Arnold und sein Team. „Wir hoffen deshalb, dass unsere Ergebnisse als Aufforderung zu weiteren detaillierten Studien sowohl der Relativitätstheorie als auch der alternativen Modelle dienen.“ (Nature Astronomy, 2019; doi: 10.1038/s41550-019-0823-y)

Quelle: Durham University

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