Kosmische Sinfonie mit Pausen: Die Massen verschmelzender Schwarzer Löcher sind nicht gleichmäßig verteilt – bei den Gravitationswellen-Signalen gibt es Lücken. Eine Erklärung dafür könnten Astrophysiker jetzt gefunden haben. Demnach erreicht ein alter Stern nur bei bestimmten Kombinationen von Kernmasse und Fusionstyp die Dichte, die er für den Kollaps zum Schwarzen Loch benötigt. Bei Doppelsternen entstehen dadurch zwei Massengipfel, die sich auch in den resultierenden Schwarzen Löchern wiederfinden.
Seit dem ersten Nachweis von Gravitationswellen im Jahr 2015 haben die Detektoren LIGO, Virgo und KAGRA mehr als 100 solcher Raumzeit-Erschütterungen durch verschmelzende Schwarzer Löcher oder Neutronensterne eingefangen. Typisch für diese Signale ist eine schnell ansteigende Frequenz der Gravitationswellen, das sogenannte „Chirp“-Signal. Dieses wird durch die enger werdenden Orbits der beiden Partner kurz vor der Verschmelzung erzeugt.
Lücken im Chirp-Konzert
Das Spannende daran: Aus Frequenz und Anstiegstempo der Chirps können Astrophysiker ablesen, welche Masse die Kollisionspartner besaßen. Dies liefert erste Einblicke darin, welche Merkmale binäre Schwarze Löcher und ihre Vorgängersterne haben – und hat für erste Überraschungen gesorgt. Denn entgegen früheren Annahmen zeigt das „Periodensystem“ der Gravitationswellenereignisse und ihrer Massen auffallende Häufungen und Lücken.
„Seit der dritten Laufzeit der Advanced LIGO und Virgo-Instrumenten gibt es Hinweise auf eine Lücke in der Verteilung der Chirp-Massen bei zehn bis zwölf Sonnenmassen und auf Peaks bei acht, 14, 27 und 45 Sonnenmassen“, berichten Fabian Schneider vom Heidelberger Institut für Theoretische Studien und seine Kollegen. Aber warum? Um das zu klären, haben sie sich die Sterne näher angeschaut, aus denen die verschmelzenden Schwarzen Löcher entstehen.
Hüllenklau im Doppelsternsystem
„Die beteiligten Schwarzen Löcher gehen aus Sternen hervor, die zuvor ihre Hüllen verloren haben“, erklären die Astrophysiker. Denn in der Regel handelt es sich um enge Doppelsternsysteme, in denen es vor dem Kollaps der Sterne zu Schwarzen Löchern zu gegenseitigen Schwerkraft-Wechselwirkungen und Massentransfers kommt: Der jüngere Stern saugt dabei dem älteren, schon zum Roten Riesen aufgeblähten Stern Material ab. Dadurch verliert dieser den Wasserstoffvorrat in seiner Hülle.
„Dieser Verlust der Sternenhülle beeinflusst die Kernstruktur solcher Doppelsterne und damit auch ihr finales Schicksal und die Massen ihrer kompakten Überreste“, erklären Schneider und sein Team. In Computersimulationen haben sie nachvollzogen, wie sich solche hüllenlosen Doppelsterne entwickeln und welche Fusionsvorgänge dabei in ihrem Kern ablaufen.
Kernzusammensetzung bestimmt Kollapsmasse
Die Analysen ergaben: Ob und wann ein Sternenkern dicht genug wird, um zu einem Schwarzen Loch zu kollabieren, hängt von der Kernzusammensetzung ab. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die kombinierte Masse von Kohlenstoff und Sauerstoff nach der Phase des Heliumbrennens – der Fusion von Heliumkernen zu Kohlenstoff. Wenn bei massereichen Kernen der Anteil von Kohlenstoff im Zentrum relativ gering ist, begünstigt dies die Kontraktion des Sternenkerns und damit auch den Kollaps zum Schwarzen Loch.
Ist in einem Sternenkern dagegen mehr Kohlenstoff und Sauerstoff enthalten, wechselt die Kernfusion früher zum Neon- und Sauerstoffbrennen, wie die Astrophysiker erklären. Das verzögert den Kernkollaps und verschiebt die Masse beim Wandel zum Schwarzen Loch in höhere Massenbereiche.
Das jedoch bedeutet: Mit welcher Masse ein solcher Doppelstern kollabiert, ist nicht zufällig und auch nicht gleichmäßig verteilt. „Wir stellen fest, dass Sterne mit einer Kohlenstoff-Sauerstoff-Masse von sieben bis acht Sonnenmassen und solche mit 13 bis 15 Sonnenmassen bevorzugt Schwarze Löcher produzieren“, berichten Schneider und seine Kollegen. Damit bilden die Vorgängerstern-Massen von binären Schwarzen Löchern eine zweigipfelige Kurve – es gibt eine Häufung bei zwei Massenbereichen und eine Lücke dazwischen.
Erklärung für Massenlücken bei Verschmelzungen
Genau dies könnte erklären, warum es auch bei den Chirp-Massen verschmelzender Schwarzer Löcher solche Lücken und Häufungen gibt. Weil die Vorgängersterne der binären Schwarzen Löcher bevorzugt bei bestimmten Kernmassen zum Schwarzen Loch kollabieren, haben auch die Paare stellarer Schwarzer Löcher bevorzugt bestimmte Massen. Dies wiederum erklärt die Lücke der Chirp-Signale bei zehn bis zwölf Sonnenmassen und Peaks bei acht und bei 14 Sonnenmassen.
Umgekehrt erlaubt das „Periodensystem“ der Gravitationswellen-Ereignisse neue Einblicke in die Entwicklung sterbender Sterne. „Jede Auffälligkeit in der Verteilung der Massen von Schwarzen Löchern und Chirps verrät uns viel darüber, wie sich diese Objekte gebildet haben“, sagt Koautorin Eva Laplace vom Heidelberger Institut für Theoretische Studien.
Die Fortschritte in der Sensitivität der bestehenden Detektoren und der Bau neuer Gravitationswellen-Observatorien trägt dazu bei, die Sinfonie der Chirp-Signale immer mehr zu erweitern. Dies könnte in Zukunft noch mehr Erkenntnisse zu sterbenden Sternen und ihrem Schicksal liefern. (The Astrophysical Journal Letters, 2023; doi: 10.3847/2041-8213/acd77a)
Quelle: The Astrophysical Journal Letters, Heidelberger Institut für Theoretische Studien