Astronomie

Größter Galaxienhaufen des frühen Kosmos

12,5 Milliarden Jahre alter Protocluster ist schon acht Billionen Sonnenmassen schwer

Protocluster-Galaxien
Die Kreise in dieser Aufnahme markieren ferne Galaxien, die zum 12,5 Milliarden Jahre alten Protocluster gehören. © NASA/ESA, GOODS-N+3DHST+CANDELS Team, Daniel López/IAC

Früher Gigant: Astronomen haben den bislang größten Galaxienhaufen des jungen Kosmos aufgespürt. Das Gebilde aus mindestens 23 Galaxien ist schon 12,5 Milliarden Jahre alt und gehört damit zu den ältesten bekannten Galaxienclustern. Dennoch erstreckte sich dieser Haufen schon über 18 Millionen Lichtjahre und umfasste eine Gesamtmasse von zwei bis acht Billionen Sonnenmassen.

Galaxienhaufen sind die größten durch Schwerkraft gebundenen Strukturen des Kosmos. Sie bestehen aus hunderten bis tausenden Galaxien und können eine Masse von mehreren Billiarden Sonnenmassen erreichen. Wegen dieser enormen Ausmaße nahmen Astronomen lange an, dass sich die Vorstufen dieser Cluster im frühen Kosmos nur langsam entwickelten. Doch in den letzten Jahren haben sie gleich mehrere Galaxienhaufen entdeckt, die bis zu 12,4 Milliarden Jahre alt sind und trotzdem schon echte Giganten.

GTC
Das Gran Telescopio Canarias, mit ihm haben die Astronomen den fernen Galaxiencluster untersucht. © Daniel López/ IAC

12,5 Milliarden Jahre alt – aber wie groß?

Jetzt kommt ein neuer Gigant aus der kosmischen Frühzeit hinzu: der Protocluster PCI-HDF850.1. Schon 2021 hatten Astronomen die besonders aktive zentrale Galaxie dieses Galaxienhaufens aufgespürt, wenig später zeigten Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble, dass es noch rund ein Dutzend weitere Galaxien in ihrem Umfeld gibt. Der gesamte Haufen liegt rund 12,5 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt – er existierte demnach schon, als das Universum nicht einmal zehn Prozent seines heutigen Alters hatte.

Doch wie groß dieser frühe Galaxienhaufen ist und wie weit er sich erstreckt, waren noch unbekannt. Deshalb hat nun ein Team um Rosa Calvi vom Astrophysikalischen Institut der Kanaren den Protocluster mit dem Gran Telescopio Canarias näher in Augenschein genommen. Anhand der Rotverschiebung bestimmter Linien im Wasserstoffspektrum bestimmten sie auch die Entfernungen weiterer, in den Näher der Zentralgalaxie liegenden Galaxien.

23 Galaxien und acht Billionen Sonnenmassen

Das Ergebnis: Der frühe Protocluster ist deutlich größer und umfangreicher als bislang angenommen. Er besteht nicht nur aus 13 Mitgliedern, sondern sogar aus 23 über Gasfilamente miteinander verbundenen Galaxien, wie die neuen Daten ergaben. „Bisher wurde noch nie ein System aus einer staubigen Starburst Galaxie umgeben von UV-hellen Galaxien mit so vielen spektroskopisch identifizierten Mitgliedern gefunden“, berichten die Astronomen.

Auch die Größe und Masse dieses frühen Galaxienhaufens sind enorm: Die bisher bekannten Komponenten des Protoclusters erstrecken sich über mindestens 18 Millionen Lichtjahre. Seine Sternenmasse umfasst rund zwei Milliarden Sonnenmassen, die Gesamtmasse einschließlich Dunkler Materie könnte sogar bei zwei bis acht Billionen Sonnenmassen liegen, wie Calvi und ihr Team ermittelten.

„Und diesen noch im Wachstum befindlichen Galaxienhaufen sehen wir, als das Universum weniger als zehn Prozent seines heutigen Alters hatte“, sagt Calvis Kollege Helmut Dannerbauer „Wir sehen hier die Kindheit eines der Cluster, wie sie heute unter anderem für unser lokales Universum typisch sind.“

Heute ähnlich groß wie der Virgo-Cluster

Das weckt die Frage, wie sich dieser Protocluster seither entwickelt haben könnte. Denn weil sein Licht so lange zu uns brauchte, sehen wir ihn in seinem damaligen Zustand. Inzwischen könnte sich dieser junge Haufen zu einem weit größeren Gebilde entwickelt haben. „Eine Prognose, welches Schicksal eine solche Struktur haben wird, ist aber nicht einfach“, sagen die Astronomen. „Denn ihre Entwicklung ist von ständiger Anpassung an die Umweltveränderungen geprägt, die sie in ihrer Evolution durchlaufen.“

Im Falle des jungen Protoclusters ist daher unklar, ob dieser als Einheit weitergewachsen ist und ob sich die schon sichtbaren Unterstrukturen getrennt haben. Dann könnten aus dem Protocluster mehrere Galaxienhaufen geworden sein, die dann zusammen einen Supercluster bilden. „Wir vermuten, dass der Hauptteil dieser Struktur heute einen Virgo-ähnlichen Galaxienhaufen bildet, der von sich unabhängig entwickelnden Klumpen begleitet wird“, schreiben Calvi und ihr Team.

Der Virgo-Galaxienhaufen umfasst rund 1.300 Galaxien und gehört wie die Lokale Gruppe und unsere Milchstraße zum Laniakea-Supercluster – unserer kosmischen Heimat. Der Protocluster PCI-HDF850.1 könnte an seiner Position im fernen Universum demnach ähnlich groß geworden sein wie unser naher Nachbar Virgo. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2021; doi: 10.1093/mnras/staa4037)

Quelle: Instituto de Astrofísica de Canarias (IAC)

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