Astronomie

Größtes organisches Molekül einer Planeten-Kinderstube

Astronomen weisen erstmals Dimethylether in einer protoplanetaren Scheibe nach

Dimethylether
In der Staubscheibe um den Jungstern IRS48 haben Astronomen die spektrale Emission (blau) des organischen Moleküls Dimethylether nachgewiesen. © ESO/ L. Calçada, ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/ A. Pohl, van der Marel et al., Brunken et al.

Vorläufer von Lebensbausteinen: Astronomen haben erstmals das organische Molekül Dimethylether im Staub einer protoplanetaren Scheibe nachgewiesen – und damit eine Vorform wichtiger chemischer Lebensbausteine. Dimethylether ist nur das bisher größte in einer solchen Scheibe entdeckte Molekül. Es bestätigt zudem, dass es schon in den Urwolken von Planetensystemen komplexere organische Moleküle gibt.

Aminosäuren, Proteine und DNA-Bausteine: Gängiger Theorie nach könnten die Vorstufen vieler dieser wichtigen Lebensbausteine einst aus dem Weltall auf die Erde gelangt sein. Denn die entsprechenden organische Moleküle wurden inzwischen schon im Kometeneis, in Planetarischen Nebeln und in Sternenwiegen nachgewiesen. In kalten Molekülwolken wurden sogar schon polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) entdeckt.

Moleküle
Spektrale Signatur verschiedener organischer Moleküle in der Staubscheibe von IRS 48. © ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/ A. Pohl, van der Marel et al., Brunken et al.

Molekül-Fahndung im All

Die große Frage ist jedoch, ob und wie diese organischen Moleküle in junge Planetensysteme und auf Planeten gelangen. „Es ist entscheidend, diese Moleküle in planetenbildenden Scheiben zu untersuchen, um zu verstehen, wie das Material in die Planeten integriert wird und welcher Grad an Komplexität in den verschiedenen Epochen der Planetenbildung präsent ist“, so Nashanty Brunken vom Observatorium der Universität Leiden und ihre Kollegen.

Das Problem jedoch: In den protoplanetaren Scheiben um junge Sterne sind Staub und Gas meist so weit abgekühlt, dass organische Moleküle in den Eiskristallen und den Eisschichten um die Staubkörnchen eingeschlossen sind. Dort laufen vielfach chemische Reaktionen ab, die aus einfachen Vorgängern komplexere Verbindungen entstehen lassen. Weil diese Moleküle aber nicht freigesetzt werden, lassen sie sich kaum über ihre spektrale Signatur nachweisen.

Blick in eine warme Staubscheibe

Doch es gibt Ausnahmen – und eine davon liegt nur rund 444 Lichtjahre von uns entfernt. Es handelt sich um den jungen Stern IRS 48, der von einer sehr asymmetrischen, Cashewnuss-förmigen Staubscheibe umgeben ist. Das Entscheidende jedoch: Weil dieser Jungstern intensive UV-Strahlung freisetzt, hat er seine Staub- und Gasscheibe erwärmt. Dadurch sublimieren Teile der Eisschicht um die Staubkörnchen und die dort eingeschlossenen Moleküle werden frei – und damit über Spektralmessungen nachweisbar.

Zuvor haben Astronomen dort bereits Schwefeldioxid, Schwefelmonoxid und Ethanol nachgewiesen. Auf der Suche nach weiteren, noch komplexeren organischen Molekülen haben Brunken und ihr Team nun diesen Jungstern und seine Staubscheibe mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in Chile noch einmal spektroskopisch untersucht.

Dimenthylether und Methylformiat

Tatsächlich wurden die Astronomen fündig: In der Staubwolke um IRS 48 wiesen sie erstmals die spektrale Signatur von Dimthylether (CH3OCH3) nach, einer Verbindung aus insgesamt neun Atomen. „Dimethylether ist das größte organische Molekül, das bisher jemals in einer protoplanetaren Scheibe entdeckt worden ist“, berichtet das Team. Zusätzlich deuten ihre Messdaten auch auf die Präsenz von Methylformiat (CH3OCHO) hin.

Beide Moleküle wurden zuvor in Sternenwiegen entdeckt, nicht aber in protoplanetaren Scheiben. Sie gelten als mögliche Vorläufer für wichtige Lebensbausteine. „Es ist wirklich faszinierend, endlich diese größeren Moleküle in Scheiben aufzuspüren“, sagt Brunkens Kollegin Alice Booth. Besonders spannend ist dies auch deshalb, weil es in der Staubscheibe um IRS 48 möglicherweise schon einen ersten Protoplaneten geben könnte.

So haben die Astronomen die organischewn Moleküle im den Stern IRS 48 nachgewiesen.© ESO

Aufschluss auch über unser Sonnensystem

Der Nachweis der komplexeren organischen Moleküle in einem gerade entstehenden Planetensystem könnte – so die Hoffnung der Astronomen – auch mehr über den möglichen Ursprung des Lebens auf unserem eigenen Planeten verraten. „Wir hoffen, dass wir mit weiteren Beobachtungen dem Verständnis des Ursprungs der präbiotischen Moleküle in unserem eigenen Sonnensystem einen Schritt näher kommen“, sagt Brunkens Kollegin Nienke van der Marel. (Astronomy and Astrophysics, 2022; doi: 10.1051/0004-6361/202142981)

Quelle: Europäische Südsternwarte (ESO)

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