Aller Kohlenstoff entstand einst im Kosmos, in den Herzen schwerer Sterne. Damit dies jedoch möglich ist, muss eine bestimmte Form des Kohlenstoffkerns, der so genannte Hoyle-Zustand, existieren. Diese haben jetzt Forscher erstmals berechnet und damit ein Problem gelöst, das die Wissenschaft seit mehr als 50 Jahren vor Rätsel gestellt hat. Die jetzt in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlichte Berechnung gibt nun Einblick in die gesamte Kette der Elemententstehung.
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Der so genannte Hoyle-Zustand ist eine energiereiche Form des Kohlenstoffkerns, vergleichbar einer Art Bergpass, über den man von einem Tal ins andere gelangt: Im heißen Inneren schwerer Sterne findet eine Verschmelzungsreaktion von drei Kernen des Gases Helium zum sehr viel größeren Kohlenstoffkern statt. Gäbe es den Hoyle-Zustand nicht, hätten im Weltall nur sehr wenig Kohlenstoff oder andere höhere Elemente wie Sauerstoff, Stickstoff und Eisen entstehen können. Ohne diese Art von Kohlenstoffkern wäre daher vermutlich auch kein Leben möglich gewesen.
Bereits im Jahr 1954 haben Forscher den Hoyle-Zustand experimentell nachgewiesen, aber seine Berechnung scheiterte stets. Denn diese Form des Kohlenstoffs besteht lediglich aus drei sehr lose gebundenen Heliumkernen − ein eher wolkiger diffuser Kohlenstoffkern. Und er liegt nicht einzeln vor, sondern stets zusammen mit anderen Formen von Kohlenstoff. Physiker der Universität Bonn und der Ruhr-Universität Bochum haben jetzt gemeinsam mit US-Kollegen diesen legendären Kohlenstoffkern berechnet.
Die Suche nach dem „Nebensender“
„Das ist, wie wenn sie ein Radiosignal untersuchen wollen, bei dem ein Hauptsender und mehrere schwächere Sender überlagert sind“, erläutert Professor Evgeny Epelbaum, Physiker der Ruhr-Universität Bochum). Der Hauptsender ist der stabile Kohlenstoffkern, aus dem unter anderem auch der Mensch aufgebaut ist. „Wir interessieren uns aber für einen der instabilen, energiereichen Kohlenstoffkernen, also müssen wir irgendwie mit einem Rauschfilter den schwächeren Radiosender von dem dominierenden Signal abtrennen.“
Möglich wurde das mit einer neuen, besseren Rechenmethode der Forscher, welche die Kräfte zwischen mehreren Kernbausteinen präziser als zuvor berechnet. Mit JUGENE, dem Supercomputer am Forschungszentrum Jülich, stand auch das passende Werkzeug parat. Eine knappe Woche hat JUGENE gerechnet. Das Rechenergebnis stimmt so gut mit den experimentellen Daten überein, dass die Forscher sicher sein können, den Hoyle-Zustand tatsächlich von Grund auf berechnet zu haben.
„Seit 1954 hat man vergeblich versucht, den Hoyle-Zustand zu berechnen“, berichtet Professor Ulf-G. Meißner vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn. „Und wir haben es jetzt geschafft! „Jetzt können wir diese spannende und wichtige Form von Kohlenstoffkern ganz genau untersuchen. Wir werden schauen, wie groß er ist und wie er aufgebaut ist. Und damit können wir jetzt auch die gesamte Kette der Elemententstehung unter die Lupe nehmen.“
Paradebeispiel für Anthropisches Prinzip
Sogar philosophische Fragen sind in Zukunft vermutlich wissenschaftlich zu beantworten. Seit Jahrzehnten gilt der Hoyle-Zustand als Paradebeispiel für die Theorie, dass die Naturkonstanten bei der Entstehung unseres Universums genauso und nicht anders aufeinander abgestimmt sein mussten, da wir sonst nicht hier wären, um das Universum zu beobachten (Anthropisches Prinzip).
„Für den Hoyle-Zustand heißt das: Er muss genau diese Energie haben, die er hat, weil es uns sonst nicht gäbe“, so Meißner. „Wir können jetzt berechnen, ob in einer veränderten Welt mit anderen Parametern der Hoyle-Zustand im Vergleich zur Masse von drei Heliumkernen tatsächlich eine andere Energie hätte.“ Wenn dem so ist, spräche das für das anthropische Prinzip. (Physical Review Letters, 2011; DOI: 10.1103/PhysRevLett.106.192501)
(Universität Bonn, 10.05.2011 – NPO)