Teleskop der Superlative: Das Extremely Large Telescope (ELT) ist jetzt zur Hälfte fertiggestellt, 2028 soll das größte erdbasierte Teleskop des Planeten in Betrieb gehen. Mit seinem 39 Meter großen, aus 796 sechseckigen Segmenten bestehenden Hauptspiegel kann das ELT sowohl visuelle als auch infrarote Objekte im All anvisieren. Astronomen wollen mithilfe dieses Teleskops Sterne und Exoplaneten beobachten, aber auch grundlegende kosmologische Fragen wie die Expansion des Universums klären.
Die Astronomie ist für ihre Arbeit auf leistungsfähige Teleskope angewiesen. Je nach Einsatzort, dem eingefangenen Wellenbereich der Strahlung und Größe sind die Teleskope dabei für ganz unterschiedliche Aufgaben ausgelegt. So kann das James-Webb-Weltraumteleskop dank seiner sensitiven Infrarotoptiken weiter ins frühe All hinausschauen als jedes andere, das Hubble-Weltraumteleskop ergänzt dies um sichtbare und ultraviolette Ansichten. Auf der Erde liefern vor allem die Spektroskope an den großen Observatorien in Chile und auf Hawaii Informationen im sichtbaren Licht und Infrarot.
39-Meter-Auge in der Wüste
Das größte jemals gebaute Teleskop entsteht jedoch zurzeit auf dem 3.046 Meter hohen Cerro Armazones in der chilenischen Atacama-Wüste: das Extremely Large Telescope (ELT) der Europäische Südsternwarte (ESO). Mit einem Spiegeldurchmesser von gut 39 Metern und einer lichtsammelnden Fläche von 978 Quadratmetern soll es ab 2028 grundlegende Fragen der Astronomie und Kosmologie klären helfen. „Das ELT ist das größte der nächsten Generation bodengestützter optischer und Nahinfrarot-Teleskope“, sagt ESO-Generaldirektor Xavier Barcons.
Jetzt steht – trotz vieler Schwierigkeiten und Verzögerungen – die Hälfte des Teleskops samt der grundlegenden Infrastruktur. „Angesichts der Herausforderungen, die große, komplexe Projekte mit sich bringen, ist es keine Kleinigkeit, 50 Prozent der Arbeiten abzuschließen“, so Barcons. So musste bei Baubeginn im Jahr 2014 zunächst der Gipfel des Cerro Armazones Platz teilweise abgetragen und abgeflacht werden, damit das gewaltige Kuppelbauwerk dort überhaupt Platz hat.
Immerhin werden im Teleskop und seiner Infrastruktur mehr als 10.000 Tonnen Stahl und 1.500 Kilometer Glasfaserkabel verbaut. Der Kuppeldom allein wiegt rund 6.100 Tonnen und wird von rund 30 Millionen Stahlbolzen zusammengehalten.
Spiegelsysteme der Superlative
Die erste Hälfte des Bauprojekts umfasste neben dem Bau der Teleskopbasis und der nötigen technischen Infrastruktur auch das Entwickeln und Testen der zahlreichen Hightech-Komponenten des Teleskops. So mussten für die 798 Spiegelsegmente des Primärspiegels, seine tragenden Komponenten und Sensoren detaillierte Prototypen erstellt und umfangreiche Tests durchgeführt werden, bevor sie in Serie produziert werden konnten. Inzwischen sind mehr als 70 Prozent der Rohlinge hergestellt, während die Sekundär- und Tertiärspiegel gegossen sind und gerade poliert werden.
Der vierte der insgesamt fünf Spiegel des ELT spielt eine entscheidende Rolle für den klaren Blick des Teleskops. Denn dieser 2,4-Meter-Spiegel ist der größte je gebaute adaptive Spiegel der Welt. Mithilfe von mehr als 5.000 Aktuatoren kann er die Form seiner nur 1,95 Millimeter dünnen Spiegelmembran aus keramischem Glas flexibel und extrem schnell anpassen: Mehr als tausendmal pro Sekunde verformt sich der Spiegel, um so Verzerrungen durch Luftturbulenzen in der Erdatmosphäre auszugleichen. Die sechs Untereinheiten dieses Spiegels sind vollständig fertiggestellt und werden zurzeit gerade in ihren Rahmen eingebaut.
Der fünfte Spiegel des ELT ist zwar sein kleinster, aber auch er ist ein Superlativ: Der elliptische „Tip-Tilt“-Spiegel ist 2,20 Meter mal 2,70 Meter groß und damit ebenfalls der größte seiner Art. Seine Aufgabe ist es, die von den restlichen Spiegeln fokussierten Strahlen auf die verschiedenen optischen Instrumente zu lenken und gleichzeitig, Vibrationen der Konstruktion – beispielsweise durch den Wind – auszugleichen. Dafür kann der M5-Spiegel seine Neigung bis auf Zehntel-Millibogensekunden genau anpassen.
Inbetriebnahme bis 2028 geplant
Alle anderen Systeme des ELT, einschließlich des Kontrollsystems und der für die Montage und Inbetriebnahme des Teleskops erforderlichen Ausrüstung, machen laut ESO ebenfalls gute Fortschritte. So befinden sich die vier wissenschaftlichen Instrumente, mit denen das ELT bei Betriebsbeginn ausgestattet sein wird, in der letzten Entwurfsphase und einige stehen kurz vor dem Beginn der Fertigung. Auch die Lasersysteme für die adaptive Optik wurden bereits konstruiert und zur Erprobung an die ESO geliefert.
Nach Schätzungen der ESO wird die restliche Hälfte der Arbeiten noch rund fünf Jahre dauern. Voraussichtlich im Jahr 2028 soll dann das Extremely Large Telescope seine wissenschaftlichen Beobachtungen aufnehmen. Es wird dann dabei helfen, einige der großen astronomischen Fragen aufzuklären: Sind wir allein im Universum? Sind die Gesetze der Physik universell? Wie sind die ersten Sterne und Galaxien entstanden?
Quelle: Europäische Südsternwarte (EO), Max-Planck-Institut für Astronomie