Verblüffend ungleichmäßig: Der Halo der Milchstraße ist anders geformt und klumpiger als gedacht, wie Röntgenmessungen enthüllen. Das deutet daraufhin, dass diese galaktische Hülle aus Gas und Plasma mehr recycelte als primordiale Materie enthält. Zudem scheint der Halo zumindest im inneren Bereich eher einer Scheibe als einer diffusen Kugel zu ähneln. Das wirft die Frage auf, wie weit er ins All hinaus reicht.
Die Sternenscheibe der Milchstraße ist von einer ausgedehnten Hülle aus Gasen und Plasma umgeben – dem Halo. In ihm liegen einige Kugelsternhaufen und Sternenströme, vor allem aber ist dieses zirkumgalaktische Medium eine Art Rohstoffreservoir für neue Sternbildung. Gängiger Theorie nach soll der Halo von Galaxien zudem Dunkle Materie sowie einen Teil der fehlenden normalen Materie im Kosmos enthalten.
Bisher ist allerdings selbst beim Halo der Milchstraße einiges ungeklärt. So ist er heißer und eisenärmer als erwartet. Auch seine Ausdehnung und genaue Form ist bislang erst in Teilen bekannt.
Klumpiger als erwartet
Um mehr Aufschluss zu erhalten, wurde im Mai 2018 der Miniatursatellit HaloSat von der Internationalen Raumstation ISS aus in die Umlaufbahn geschickt. Seine Sensoren registrieren Röntgenstrahlung in dem Bereich, den die ionisierten, heißen Gase des zirkumgalaktischen Mediums abgeben. Philip Kaaret von der University of Iowa und seine Kollegen haben nun die ersten Daten ausgewertet.
Es zeigte sich: Der Halo der Milchstraße ist deutlich klumpiger als erwartet. Zwar hatten auch frühere Messungen schon eine unregelmäßige Verteilung von Emissionen aus dem Halo registriert, diese hielt man jedoch vorwiegend für Störeffekte durch strahlende Objekte im Vordergrund. Doch die Messdaten des HaloSat sprechen gegen diese Annahme, wie die Forscher erklären. Stattdessen scheint die Dichte des zirkumgalaktischen Mediums vor allem in der Nähe der Sternenscheibe zu schwanken.
Galaktisches Recycling
Diese Schwankungen liefern wertvolle Einblicke in den Ursprung dieser heißen Gase, wie Kaaret und seine Kollegen erklären. Denn die dichteren Klumpen des Halo liegen häufig dort, wo in der darunterliegenden Sternenscheibe vermehrt neue Sterne entstehen. „Das deutet darauf hin, dass das zirkumgalaktische Medium eng mit der Sternbildung verknüpft ist“, sagt Kaaret. „Offenbar sehen wir hier Gase, die zuvor in die Milchstraße fielen und als Rohmaterial für Sterne dienten, jetzt aber wieder recycelt werden und zurück in den Halo kommen.“
Das bestätigt, dass die Sternenscheibe von Galaxien und ihr Halo relativ stark miteinander wechselwirken. „Die Milchstraße und andere Galaxien sind keine geschlossenen Systeme“, erklärt Kaaret. „Sie interagieren und schleudern Material ins zirkumgalaktische Medium hinaus, bekommen aber auch Material von dort zurück.“
Scheibe statt Kugel?
Offen lassen die neuen Messungen allerdings die Frage, wie groß der Halo der Milchstraße ist. Denn die Röntgenemissionen zeigen statt einer kugelförmigen, diffusen Hülle eher eine kompakte Scheibe. „Dies ist der dichtere Teil des Halo, der helle Röntgenstrahlung abgibt“, sagt Kaaret. „Aber es könnte trotzdem noch einen größeren, weit hinausreichenden Teil des Halo geben, der nur wenig Röntgenemissionen aussendet und daher schwer zu sehen ist.“
Als nächstes wollen die Astronomen deshalb die Beobachtungen des HaloSat mit Messdaten von Röntgenobservatorien kombinieren. Das könnte verraten, ob dieser diffusere Teil des Halo existiert und wie weit er hinausreicht. Aus diesen Daten wiederum könnten die Forscher dann ermitteln, ob sich – wie vermutet – ein Teil der fehlenden Materie im Kosmos in den Gashüllen der Galaxien verbirgt.
Wo stecken die fehlenden Baryonen?
„Diese fehlenden Baryonen müssen irgendwo sein“, sagt Kaaret. „Sie könnte in Halos um einzelne Galaxien wie unsere Milchstraße zu finden sein, aber auch in den Gasfilamenten, die sich zwischen den Galaxien erstrecken.“ Tatsächlich legen jüngste Beobachtungen nahe, dass zumindest ein großer Teil dieser Materie in den Filamenten und im intergalaktischen Raum liegen könnte. (Nature Astronomy, 2020; doi: 10.1038/s41550-020-01215-w)
Quelle: NASA, University of Iowa