Astronomie

Hat unser Schwarzes Loch doch einen Jet?

Astronomen entdecken Spuren eines schwachen Ausstroms aus dem Milchstraßenzentrum

Sagittarius-Jet
Das Schwarze Loch im Herzen der Milchstraße könnte auch heute noch einen kleinen Jet produzieren. © NASA/ESA, Gerald Cecil/UNC-Chapel Hill und Dani Player/STScI

Verräterischer Ausstrom: Das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße hat offenbar doch einen aktiven Jet – einen schwachen, ins All hinausreichenden Strom aus Strahlung und Teilchen. Nachdem vor kurzem erste Indizien dafür südlich der Galaxienebene entdeckt wurden, haben Astronomen nun auch im Norden Spuren eines solchen Jets entdeckt. Dieser Jet könnte noch vor wenigen 100 Jahren zehntausendfach heller gewesen sein als heute, wie das Team im „Astrophysical Journal“ berichtet.

Momentan ist das supermassereiche Schwarze Loch im Herzen der Milchstraße ruhig und weitgehend inaktiv. Doch gewaltige Blasen und „Schornsteine“ aus energiereicher Strahlung und heißen Gasen zeugen davon, dass dies nicht immer so war: Vor rund zwei bis drei Millionen Jahren durchlebte Sagittarius A* eine gewaltige Eruption, die sogar den irdischen Nachthimmel und weit entfernte extragalaktische Gasströme erhellt haben könnte. Diese Explosion hinterließ einen Großteil der heute nachweisbaren Strukturen im galaktischen Zentrum.

Gibt es aktive Ausströme im Galaxienzentrum?

Offen ist jedoch die Frage, ob das Schwarze Loch auch heute noch aktiv genug ist, um einen Jet zu erzeugen – senkrecht zur Galaxienebene stehende Kegel aus schnellen Teilchen und Strahlung. Bei aktiven Galaxienkernen sind solche Jets über Millionen Lichtjahre hinweg sichtbar, bei unserem heimischen Schwarzen Loch schien es diese Ausströme aber nicht zu geben – so jedenfalls dachte man bisher.

In den letzten Jahren haben Astronomen allerdings Radio- und Röntgenemissionen nahe dem galaktischen Zentrum detektiert, die von einem Jet stammen könnten. Vor allem südlich der Milchstraßenebene schien es demnach mögliche Spuren eines schwachen, kurzen Ausstroms zu geben. Was es damit auf sich hat und ob es nördlich des galaktischen Zentrums ebenfalls Indizien für einen Jet gibt, haben nun Gerald Cecil von der University of North Carolina und seine Kollegen untersucht.

Für ihre Studie werteten die Astronomen Daten des ALMA-Observatoriums in Chile, des Hubble Weltraumteleskops und mehrerer Röntgenteleskope aus.

Glühende Gase und galaktischer „Oktopus“

Tatsächlich enthüllten die Analysen einige Auffälligkeiten. „Die ALMA-Aufnahmen zeigen eine einzigartig lineare Struktur, die inmitten der ansonsten komplizierten Bewegungen der angeregten molekularen Gase im galaktischen Zentrum liegt“, berichten Cecil und sein Team. Dieser schmale Gasstrom ist bis etwa 6,5 Lichtjahre vom galaktische Zentrum entfernt nachweisbar.

Strutkturen
Hinweise auf einen Jet im Herzen der Milchstraße. © NASA/ESA, Gerald Cecil/ UNC-Chapel Hill, Joseph DePasquale/STScI

Daran schließt sich eine Zone an, in der das Röntgenteleskop XMM-Newton ebenfalls auffällige Strukturen detektiert hat. So liegen dort Wolken aus Gas, deren heller glühender Rand genau in der Verlängerung des von ALMA abgebildeten Gasstroms liegt. Infrarot-Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops wiederum verlängern diese kegelförmige Zone verstärkt angeregter Gase bis auf mindestens 35 Lichtjahre Entfernung vom Schwarzen Loch.

„Die Ausströme sickern aus der dichten Gasscheibe der Milchstraße heraus“, erklärt Alex Wagner von der Tsukuba Universität in Japan. „Der Jet teilt sich dann von einem bleistiftdünnen Strom in Ranken, ähnlich den Tentakeln eines Oktopus.“ Diese „Tentakel“ gehen in eine Reihe von sich ausdehnenden Blasen über, die mindestens 500 Lichtjahre weit hinausreichen. Diese Blasen wurden schon früher von verschiedenen Teleskopen detektiert, erst jetzt tritt jedoch der Zusammenhang mit potenziellen Jets zutage.

Jet könnte noch aktiv sein

Nach Ansicht der Astronomen liefern diese Beobachtungen Indizien dafür, dass das zentrale Schwarze Loch möglicherweise auch aktuell noch Jets produziert – auch wenn diese sehr schwach sind. Einige der Strukturen deuten zudem auf deutlich mehr Aktivität noch vor wenigen hundert Jahren hin. „Sagittarius glimmt heute nur schwach, aber noch vor wenigen Jahrhunderten war es zehntausendmal heller“, sagt Cecil.

Der momentan weitgehend unsichtbare Ausstrom benötigt zudem wenig, um wieder deutlich auffallender zu werden: „Schon eine rund hundertfach größere Helligkeit würde ausreichen, um den Jet soweit aufzufüllen, dass er auf ganzer Länge erglühen würde“, erklären die Astronomen. (The Astrophysical Journal, 2021; doi: 10.3847/1538-4357/ac224f)

Quelle: NASA/ Goddard Space Flight Center

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