Schwarze Löcher und „weiche“ Haare: Ein halbes Jahr nach dem Tod des Physikers Stephen Hawking ist nun sein letzter Fachartikel erschienen. In ihm hatte Hawking gemeinsam mit Kollegen eine Lösung für das „Informations-Paradox“ bei Schwarzen Löchern vorgeschlagen. Demnach könnte die Information der in das Schwarze Loch fallenden Objekte in einer Art „Haarkranz“ aus Photonen rund um den Ereignishorizont erhalten bleiben. Der Fachartikel ist frei online zugänglich.
Stephen Hawking hat unsere Sicht des Kosmos entscheidend geprägt. Dem im März 2018 verstorbenen Kosmologen und Physiker verdanken wir grundlegende Erkenntnisse zur quantenphysikalischen Basis kosmologischer Phänomene wie dem Urknall, möglichen Paralleluniversen und vor allem den Schwarzen Löchern.
Schon in den 1970er Jahren postulierte Hawking die nach ihm benannte Hawking-Strahlung. Demnach bilden sich am Rand eines Schwarzen Lochs durch Quantenfluktuationen ständig kurzlebige Paare aus Teilchen und ihre Anti-Teilchen. Eines davon wird eingesogen, die Energie des anderen kann als Strahlung entkommen. Bei sehr kleinen Schwarzen Löchern kann diese Hawking-Strahlung sogar dazu führen, dass sich die Singularität komplett auflöst.
Informations-Paradox am Schwarzen Loch
Das Problem: Jedes Objekt im Universum enthält Information in Form seiner Struktur und Merkmale – seine Entropie unterscheidet sich von der seiner Umgebung. Diese Information kann nach den Regeln der Quantenmechanik nicht völlig verschwinden, sondern muss in irgendeiner Form erhalten bleiben. Doch wenn Materie in ein Schwarzes Loch fällt und dann auch noch das Loch zerstrahlt, dann wäre diese Information endgültig weg – ein Widerspruch zur gängigen Theorie.
Wie man dieses „Informations-Paradox“ für Schwarze Löcher lösen kann, darüber knobeln Physiker schon seit Jahrzehnten – allen voran Stephen Hawking. Er hat dazu schon mehrere Thesen aufgestellt, darunter eine Art scheinbaren Ereignishorizont, der der eigentlichen Grenze ohne Wiederkehr vorgelagert ist, aber auch die Idee, dass die Information als zweidimensionales Hologramm am Ereignishorizont gespeichert bleibt.
„Haarkranz“ aus Photonen als Speichermedium?
An einer weiteren Lösung des Informations-Paradoxes arbeitete Hawking mit Kollegen noch wenige Tage vor seinem Tod. Der Fachartikel „Black Hole Entropy and Soft Hair“ wurde nun online veröffentlicht. In ihm postulieren die Physiker, dass das Verschwinden eines Objekts im Schwarzen Loch eine Spur in der Entropie des Lochs und seines Randbereichs hinterlässt. Konkret soll der Ereignishorizont von einem Kranz aus Photonen – dem „Soft Hair“ – umgeben sein, der die Entropie und damit die Information im Schwarzen Loch widerspiegelt.
„Dieser Fachartikel zeigt, dass ‚Soft Hair‘ die Entropie quasi aufzeichnen kann“, erklärt Koautor Malcolm Perry von der University of Cambridge gegenüber der Zeitung Guardian. Die Physiker um Hawking entwickelten mathematisch-physikalische Formeln, die das Geschehen am Ereignishorizont abbilden sollen und darlegen, wie die Information dort erhalten bleibt. Demnach spielen spezielle quantenphysikalische Symmetrien dafür eine wichtige Rolle.
„Es bleiben noch Fragen offen“
„Wir denken, dass wir damit einen guten Schritt vorangekommen sind, aber es ist noch nicht die ganze Antwort. Es bleiben noch einige Rätsel zu lösen“, sagt Perry. So sei unter anderem noch unklar, ob der „Haarkranz“ aus Photonen am Ereignishorizont wirklich die gesamte Information der eingesogenen Objekte speichert, „Wenn es nur die Hälfte oder selbst 99 Prozent sind, dann hat man das Problem des Informations-Paradoxes nicht gelöst“, sagt Perry.
Stephen Hawking beschäftigte sich noch bis kurz vor seinem Tod mit diesen Fragen und ließ sich den Fortschritt am Artikel berichten. Mehr als 40 Jahre hat ihn das Phänomen der Schwarzen Löcher und das Problem des Informations-Paradoxons beschäftigt. Ob nun seine Nachfolger diese Rätsel lösen können, bleibt abzuwarten. (Hawking et al., „Black Hole Entropy and Soft Hair“, arXiv:1810.01847)
(Guardian, arXiv, BBC, 15.10.2018 – NPO)