Astronomen haben herausgefunden, warum die Sterne im Orionnebel besonders schnell umeinander kreisen: Ihre Berechnungen zeigen, dass ein schweres Schwarzes Loch im zentralen Sternhaufen in diesem Nebel der Grund sein könnte. Seine Schwerkraft bringt die Sterne dazu, sich in seiner Umgebung schneller zu bewegen als allein aufgrund der sichtbaren Masse in dieser Region erklärbar wäre. Das berichtet das Forscherteam im Fachmagazin „The Astrophysical Journal“.
Der Orion ist eines der hellsten Sternbilder am Nachthimmel, in seinem „Schwert“ liegt der Orionnebel, ein Ort aktiver Sternentstehung. Der zentrale Sternhaufen dieses Nebels ist etwa 1.300 Lichtjahre von uns entfernt und hat einen Durchmesser von einigen Lichtjahren. Er enthält etwa 5.000 junge Sterne. Beobachtungen zeigen, dass sich dieser Haufen erst vor etwa ein oder zwei Millionen Jahren gebildet hat. „Die Sterne nahe des Zentrums im sogenannten Trapez des Haufens tanzen schneller umeinander, als man aufgrund der sichtbaren Materie erwarten würde“, stellt Pavel Kroupa vom Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn fest. „Das zentrale Trapez müsste sich deshalb eigentlich auflösen.“
Trotz des Alters der Sternengruppe ist das bislang aber nicht geschehen. „Die Verteilung der Masse der Sterne ist ebenfalls sehr ungewöhnlich“, berichtet der Astrophysiker weiter. Im Vergleich zur Zahl der Sterne mit niedriger Masse gebe es zu wenig schwere Sterne. Welche geheimnisvolle Kraft hält die eigentlich auseinanderdriftenden Sterne zusammen? Die Wissenschaftler vermuten, dass es im Sternhaufen des Orionnebels irgendeine unsichtbare Materie geben könnte, die wie eine Art Kitt wirkt.
Bildung des Orionhaufens simuliert
Um die Bildung des Orionhaufens besser verstehen zu können, simulierten die Wissenschaftler daher seine Entstehung aus einer Molekülwolke im Computer. Das Team ging dabei von einer dichten Gaswolke mit einigen Tausend Sonnenmassen Gewicht aus, die ein Gemisch aus schweren und leichten Sternen enthielt. „Wir haben hierfür eine neue Methode entwickelt, um die Wechselwirkung des Gases mit der Strahlung der sich bildenden schweren Sterne zu berechnen“, erklärt Ladislav Subr von der Karls-Universität Prag. „Das Gas in der Nähe der Sterne wird aufgeheizt, und damit steigt der Druck und das Gas expandiert explosionsartig aus dem jungen Haufen.“ Um die Komplexität dieses Systems nachzubilden, benutzten sie einen Computercode als Grundlage, der von Sverre Aarseth in Cambridge in mehreren Jahrzehnten Programmierarbeit entwickelt wurde.
Massereiche Sterne verwandelten sich in ein Schwarzes Loch
Die Astronomen berechneten die Entwicklung der schweren Sterne im Orionhaufen und untersuchten außerdem ihre Kollisionen untereinander. „Die Berechnungen zeigen, wie das Gas aus dem Haufen getrieben wurde und der Haufen allmählich expandierte“, beschreibt Holger Baumgardt von der University of Queensland in Brisbane. Die schweren Sterne wanderten demnach ins Haufenzentrum, wo viele von ihnen heraus geschleudert wurden, während andere miteinander kollidierten. Einer dieser massereichen Sterne wandelte sich am Ende seiner Lebenszeit in ein schweres Schwarzes Loch um, das bis zu einigen hundert Sonnenmassen wog. Dieses könnte bis heute vorhanden sein und das Verhalten der Sterne im Orionnebel erklären.
In der Nähe eines solchen schweren Schwarzen Lochs ist die Gravitation extrem stark – so stark, dass nicht einmal Licht diesen Bereich verlassen kann. „Das Schwarze Loch erklärt insbesondere die geringe Anzahl schwerer Sterne, die noch im Haufen vorhanden ist, und warum die Sterne im Zentrum eine so hohe Geschwindigkeit besitzen“, stellt Kroupa fest. „Mit unseren Berechnungen können wir nahezu alle Eigenschaften des Orionhaufens erklären.“ Das Schwarze Loch lässt sich nicht direkt beobachten. Allerdings deuten die Simulationen darauf hin, dass es Teil eines kompakten Doppelsternsystems ist. Im Orionhaufen würde dann der Begleiter des jeweiligen Doppelsterns in periodischen Abständen nahe am Schwarzen Loch vorbeifliegen und dabei Gas auf es stürzen lassen. „In diesem Fall würde das Schwarze Loch als helle Röntgenquelle am Himmel erscheinen“, sagt Kroupa. Damit kann die Existenz des Schwarzen Loches mit Beobachtungen nachgeprüft werden.
Falls tatsächlich ein schweres Schwarzes Loch im Orionhaufen vorhanden ist, würde dies das Verständnis der Wissenschaftler über die Bildung dieser Objekte revolutionieren. „Ein Schwarzes Loch im Zentrum des Orionnebels würde auch eine einmalige Chance für das Studium dieser Objekte darstellen“, sagt der Astrophysiker der Universität Bonn. Der Orionnebel wird daher auch in Zukunft ein intensiv untersuchtes Himmelsobjekt bleiben. (The Astrophysical Journal, 2012; doi:10.1088/0004-637X/757/1/37)
(Universität Bonn, 12.09.2012 – NPO)